Größter Protestzug gegen Rechtsextremismus mit 100.000 Menschen in Düsseldorf

Rund 100.000 Menschen protestierten in Düsseldorf gegen die AfD am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus

Von Jo Achim Geschke |

demo gegen Rechtsextreme und AfD Düsseldorf

Kunst mit literarisch-künstlerischer Anspielung gegen Rechtsextreme auf dem Plakat gegen die AfD / Foto: © Jo Achim Geschke

Es war ein historischer Tag: 100.000 Menschen protestierten in Düsseldorf in einem rund vier Kilometer langem Zug gegen die faschistischen Ideen der neuen Rechten zur Deportation von Menschen aus Deutschland und gegen Rechtsextremismus. Vom Hauptbahnhof am Haus des DGB vorbei über die Oststraße ging der Weg der Protestierenden aus allen Altersklassen und Schichten, mit Beteiligung der großen Sportvereine ebenso wie der Kultureinrichtungen (etwa Schauspieler:innen des D´Haus ) zu den Rheinwiesen nach Oberkassel. Es war eine der größten Demonstrationen in der Reihe von Hunderten Demos in ganz Deutschland, die sich in den vergangenen Tagen explizit auch gegen die AfD richteten.

Der Tag dieses Protestes (27. Januar) ist der Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus und an die Befreiung des KZ Auschwitz 1945.  

Als Mona Neubauer, NRW-Vize-Ministerpräsidentin (Grüne), auf den Rheinwiesen die hohe Zahl der Demonstrierenden gegen Rechtsextreme nannte, waren Sigrid Wolf (Geschäftsführerin DGB Region Düsseldorf) ebenso wie Pfarrer Heinrich Fucks vom Düsseldorfer Appell geradezu gerührt: Die Veranstalter wie DSSQ (Düsseldorf stellt sich quer) hatten nur 30.000 Angekündigt.

 Unter den Protestierenden gegen Rechtsextremismus  waren sehr viele junge Menschen und Menschen bis über 50 aus sichtbar verschiedenen Gesellschaftsschichten, viele Gewerkschaftsvertreter:innen wie etwa von der Lehrer:innengewerkschaft GEW, und viele Kulturschaffende.

Plakate mit viel Kreativität

Aus den Plakaten waren teils originelle Sprüche gegen Rechtsextreme zu lesen: „Selbst die Kartoffel hat Migrationshintergrund“ – eine gelungene Anspielung an die von der Recherche-Redaktion „Correctiv“ aufgedeckten faschistischen Ideen, auch Deutsche mit Migrationshintergrund zu deportieren. Es wird dabei, wie für die Neue Rechte üblich, verschleiernd von „Remigration“ geredet. (Link https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigration-vertreibung-afd-rechtsextreme-november-treffen/ ).

Weitere Sprüche: „Lieber Kunterbunt als Braun“ oder „Gib Nazis keine Chance“,  sowie „Nie wieder ist jetzt“ auf einem großen Transparent, hinter dem die Düsseldorfer DGB-Geschäftsführerin Sigrid Wolf und die Vorsitzende des DGB NRW,  Antje Weber, die Demo anführten. Ebenso „Menschenrrechte statt rechte Menschen.“ Auf einem großen Transparent hieß es: „Das Problem heißt Rassismus“.  

Ein Plakat zeigte den Tod mit einer Trommel, daneben der Schriftzug AfD und „Nie wieder Faschismus“ und weckte Assoziationen an die Blechtrommel oder an „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ (Paul Celan, "Todesfuge“) oder an viele mittelalterlichen Darstellungen. 

Beim Zug über die Kniebrücke, während einige Hundert Menschen schon auf den Rheinwiesen standen, kamen Erinnerungen auf: Ich habe im Mai 1968 erlebt, wie Hunderttausend gegen die Notstandsgesetze über die Bonner Rheinbrücke liefen und das nicht im Gleichschritt durften, weil die Brücke eh schon schwankte. Heinrich Böll hat damals gesprochen.  Beim jetzigen Zustand der Brücken im Land (Gruß an die früheren Verkehrsminister) wäre das wohl fatal. 

Auf den Rheinwiesen sprachen Mona Neubauer (Grüne), NRW-Vizeministerpräsidentin, OB Stephan Keller aus Düsseldorf, und auch die „Broilers spielten. Als Neubauer sprach, waren die Rheinwiesen schon ziemlich voll, aber auf der Brücke hatte der Strom der Menschen noch längst nicht aufgehört.  Schon zuvor hatte sich auf der Seite der Stadt Düsseldorf bei Youtube OB Keller und etliche Prominente für Menschlichkeit und Vielfalt ausgesprochen.  (Link :  https://www.youtube.com/watch?v=pkr80TNJ8Dw )

Einordnung / Kommentar

Es war eine historische Demonstration für Vielfalt, Menschlichkeit und gegen Rechtsextreme. Die können nun nicht mehr behaupten, sie würden die schweigende Mehrheit vertreten.

Einige Intellektuelle haben sich dagegen gewandt, dass Rechtsextreme und  „Rechts“ gleichgesetzt werden. Das halte ich für Scheinheilig. Da entsteht der Verdacht, der Protest der Millionen Menschen in ganz Deutschland solle klein geredet werden. Die hier oder in kleinen Orten etwa in NRW, wie es der WDR in der „Aktuellen Stunde“ zeigte, protestierten, hatten etwas gegen die politischen Phrasen über angeblich faule oder gar gefährliche Migranten, wie sie auch Friedrich Merz CDU mit seinen „kleinen Paschas“ ebenfalls salonfähig gemacht hatte. Es ist eben die seit langem bekannte Masche der Neuen Rechten, wie sie auch bei Historiker:innen und Politolog:innen  analysiert wurden: Formulierungen, leicht abgewandelt oder ganz offen, aus dem Wortschatz der Nazis, aus dem Notizbuch eines Goebbels, so lange zu wiederholen, bis sie in der Gesellschaft diskutiert werden. Da werden Grenzen der Menschlichkeit nach Rechtsaußen verschoben.

Und gegen genau diese Taktik auf dem Rücken von Menschen wollen die meisten aus der Mitte der Gesellschaft nicht mehr hinnehmen.

Wenn ein Experte wie Professor Michael Hüther vom Institut der Deutschen Wirtschaft, das nun wirklich nicht als „linksversifft“ gelten kann, sich eindeutig gegen die Deportations-Phantasien der neuen Rechten ausspricht, wird das selbst bei unpolitischen Menschen wahrgenommen, die dann auf die Straße gegangen sind. Das die Deportation von Menschen mit Migrationsgeschichte die deutsche Wirtschaft ruinieren würde, ist wohl jetzt allen klar.   

Hoffnung ?

Aber was kommt nun nach den ganzen Demos in Stadt und Land? Fernsehbeiträge etwa vom WDR zeigen deutlich, dass viele auf die Straße gegangen sind, die noch nie bei einer Demo waren.  Daraus abzuleiten, die Mehrheit sei politisiert, ist leider zu früh.

Zeitungen klagen über die täglich schwindenden Auflagenzahlen, und viele aus der Mitte, auch der Alterspyramide, informieren sich nicht mehr über die Politik in ihrer Kommune oder Region. Das wird nicht durch Informationen aus den Netzen aufgefangen.  Der Sozialwissenschaftler Richard Sennet hat bereits in den 1980er und 90er Jahren nach empirischen Untersuchungen darauf hingewiesen, dass Menschen sich kaum noch für ihre Kommune interessieren, und dies auf die Arbeitswelt zurückgeführt.

Wie sich das Engagement der vielzitierten „Mitte“ auf das Wahlverhalten auswirkt, bleibt abzuwarten.

Allerdings sind potentielle AfD-Wähler:innen jetzt sicherlich verunsichert. Und ihnen ist klar gemacht worden: Du wählst eine gefährliche rechtsextreme Partei.

In Sachsen, Thüringen und Brandenburg wird in diesem Jahr der Landtag neu gewählt. Dort ist laut Umfragen die AfD teilweise die stärkste Partei. Noch.

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