Ein Debattenbeitrag von unserer Autorin Iman Uysal

"Wir lieben Deutschland vom Herzen wie verrückt. Doch leider liebt es uns nicht jedesmal zurück"

Von Iman Uysal |

Unsere Autorin Iman Uysal als kleines Kind mit ihrer Oma in Bremen / © Iman Uysal

Unsere Autorin Iman Uysal als kleines Kind mit ihrer Oma in Bremen / © Iman Uysal

Als ich meiner Oma vor drei Wochen von dem "Geheimplan gegen Deutschland" erzählte, war ihre Antwort: "Ich habe keine Angst. Als dein Opa und ich hergekommen sind, haben sie uns auch ständig - Ausländer raus - hinterher gerufen und wir sind immer noch hier."
Es macht mich traurig, dass meine Großeltern diskriminiert wurden. Aber noch trauriger macht es mich, dass sich seitdem scheinbar nicht viel geändert hat.

Ich bin Iman Uysal. Enkeltochter von „Gastarbeitern“ und ich lebe bereits in der dritten Generation hier in Deutschland und studiere Germanistik und Geschichte.

Meine Großeltern kamen in den 70er Jahren durch das Anwerberabkommen zwischen der Türkei und Deutschland nach Deutschland, ohne die Sprache zu kennen und sie verrichteten harte Knochenarbeit. Mein Großvater arbeitete als Sandstrahler auf einer Werft. Meine Großmutter arbeitete am Fließband und stand mitten in der Nacht auf, damit sie auch ihrer zweiten Tätigkeit als Reinigungskraft nachgehen - und rechtzeitig zu ihren vier Kindern zurückkehren konnte, bevor diese in die Schule mussten.

Viele „Gastarbeiter" haben heute schwere gesundheitliche Schäden, weil sie während ihrer Arbeit mit Kohlenstaub, Asbest und anderen schädlichen Stoffen in Kontakt kamen, ohne dass man sie darüber informiert oder Schutzmaßnahmen ergriffen hätte.

Meine Großeltern haben alles aufgegeben, damit ihre Kinder und Enkel bessere Chancen haben. Trotz der Sprachbarriere haben die vier Kinder meiner Großeltern erfolgreich die Schule besucht und sind heute auch im Job erfolgreich. Und auch ihre Enkelkinder können heute studieren. Ich habe meinen Großeltern alles zu verdanken. Sie haben sich trotz aller Widrigkeiten und aller Feindseligkeit integriert.

 

Meine Eltern und ich sind in Deutschland geboren. Deutschland ist unsere Heimat. Es ist uns aber nicht möglich zu sagen, dass wir aus Deutschland kommen, ohne dass gefragt wird,  wo wir denn „wirklich“ herkommen. Zur Zeit habe ich mehr als je zuvor das Gefühl in diesem Land eine Fremde zu sein.

Wie Eko Fresh schon in seinem Lied „Gastarbeiter“ rappt:

„Wir lieben Deutschland vom Herzen wie verrückt. Doch leider liebt es uns nicht jedesmal zurück“.

Die Correctiv Recherche war alles andere als überraschend für mich. Seitdem die AFD 2017 in den Bundestag eingezogen ist, habe ich Angst. Angst davor, dass all das, was sich meine Großeltern hier aufgebaut haben, umsonst war.  

Friedrich Merz, der Parteivorsitzende der CDU, unterscheidet sich oft von seiner Rhetorik kaum von der AFD. Da wundert es nicht, wenn Menschen wie Gauland mal in der CDU waren oder, dass auch Mitglieder der CDU beim Geheimtreffen bei Potsdam beteiligt waren.

Dass die SPD, die Grünen und die FDP jetzt Positionen und Sprache von Rechts mit der „Abschiebe-Offensive“ übernehmen, trägt nur zu dieser Angst bei.

Zusammengefasst: Der Rechtsruck ist real und er ist nicht nur auf die AFD begrenzt.

Ich hatte trotz meiner Privilegien nicht wenige Begegnungen mit Rassismus. Vor allem mit antimuslimischen Rassismus. Und damit bin ich nicht alleine. Für 2022 verzeichnete das Lagebild zum antimuslimischen Rassismus 898 Übergriffe. Das sind mehr als zwei Übergriffe am Tag und betrifft ungefähr 5,5 Millionen Menschen in Deutschland. Die Organisationen gehen allerdings von einer viel höheren Dunkelziffer aus. Das Lagebild für 2022 zeige demnach nur einen Ausschnitt.
Seit dem 7. Oktober bekomme ich wöchentlich rassistische Vorfälle in meinem Umfeld mit. Sehe jedoch in den Medien überwiegend Berichte, die Rechtsradikalen in die Karten spielen und selten Berichte, über den Rassismus, den Menschen wie ich erleben müssen. Es ist als, wären wir im Schatten der Medienpräsenz.

Es macht mich emotional zu sehen, dass 100.000 Menschen in Düsseldorf ein Zeichen gegen Rechtsradikale setzen. Aber es reicht nicht, nur ein Zeichen zu setzen. Es ist wichtig, dass mehr Menschen im Alltag Zivilcourage gegen Rassismus zeigen und vor allem ist es wichtig, dass sie gegen rechts wählen.

 

Mehr zum Thema:

Kommentar gegen die blöden Kommentare uninformierter Bürger und Rechtsextreme

Rund 100.000 Menschen protestierten in Düsseldorf gegen die AfD am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus

Der Geheimplan, Düsseldorfer Kreis, ein rechter Zahnarzt aus Düsseldorf und die HHU