Theaterprojekt des Regisseurs Marvin Wittiber mit dem Theatermuseum, der Mahn- und Gedenkstätte und dem Amt für Gleichstellung und Antidiskriminierung/Interessierte können sich bis zum 15. Oktober anmelden
"Allein im Rosa Winkel" - Queeres Leben in der NS-Zeit
Während der Zeit des Nationalsozialismus war Düsseldorf ein Zentrum der Verfolgung von homosexuellen Menschen. Bis August 1938 verhaftete allein die Gestapo etwa 400 Männer in Düsseldorf – mehr als in jeder anderen westdeutschen Stadt. Trotzdem ist über das Leben, Lieben und Leiden queerer Menschen während der NS-Diktatur nach wie vor wenig bekannt. Ein neues Theaterprojekt will dem Thema nun mehr Sichtbarkeit verleihen: Gemeinsam mit dem Regisseur Marvin Wittiber laden das Theatermuseum, die Mahn- und Gedenkstätte sowie das Amt für Gleichstellung und Antidiskriminierung Düsseldorf Jugendliche und junge Erwachsene ab 16 Jahren zum Projekt "Allein im Rosa Winkel" ein.
Interessierte können sich noch bis zum Dienstag, 15. Oktober 2024, via E-Mail an mail@marvinwittiber.de für das Projekt anmelden.
"Mich hat es fassungslos gemacht, wie wenig über das Leben von queeren Menschen in der NS-Zeit bekannt ist. Ich selbst, als queere Person, wusste viel zu wenig. Mit dem Projekt wollen mein Team und ich dem Thema mehr Aufmerksamkeit verleihen. Wir wollen mit 'Allein im Rosa Winkel' die immer noch bestehenden Leerstellen in der historischen Aufarbeitung aufzeigen, zugleich aber auch das Wissen, das da ist, verbreiten", erklärt Regisseur Marvin Wittiber.
Der Titel des Projektes setzt sich aus dem Begriff "Rosa Winkel" zusammen, dem Kennzeichen, das homosexuelle Männer in den KZ tragen mussten und das heute als Gedenksymbol und für den Kampf gegen Homofeindlichkeit steht, sowie dem Wort "Allein", welches auf die Isolierung der Betroffenen durch Überwachung, Razzien und Verhaftungen anspielt.
Im Rahmen des Theaterprojektes begeben sich die Teilnehmenden mehrerer Workshop-Tage lang auf eine theatrale Spurensuche ins nationalsozialistische Düsseldorf und widmen sich den Geschichten und Lebensrealitäten der verfolgten Menschen.
Was ist von der Geschichte heute noch zu spüren? Wer waren diese Menschen? Wie kann ihnen heute Gehör und verdiente Sichtbarkeit verschafft werden? Wie können die eigene Stimme und Körper eingesetzt werden, um von ihnen zu erzählen?
Die Workshoptage werden aus theoretischen und praktischen Einheiten bestehen. So erhalten die Teilnehmenden zum Beispiel einen Einblick in den historischen Kontext. Die Gruppe wird sich gemeinsam mit der Mahn- und Gedenkstätte sowie dem Stadtarchiv konkrete Biografien und Akten anschauen. In einem praktischen Teil geht es dann um die klassische Theaterarbeit (grundlegende Techniken der Schauspielkunst, Körper- und Stimmarbeit, Improvisation und das Entwickeln von Charakteren). In dem Rahmen wird es einen gemeinsamen Schreibworkshop mit der Autorin Simone Saftig und einen musikalischen Workshop mit dem Musiker Andrei Vinnik geben. Die Ergebnisse des Theaterprojekts werden am Ende bei einer Abschlusspräsentation im Theatermuseum vorgestellt.
"Im Theatermuseum können wir über Sammlungsobjekte an vergangene Schicksale erinnern. Dank Theater werden Lebensgeschichten und ihre furchtbare Erfahrungen von Diskriminierung und Hass jedoch noch greifbarer. Die Geschichten queerer Düsseldorfer, die aufgrund §175 während des Dritten Reichs ermordet wurden, als Theater in unsere Gegenwart zu holen, ist nicht nur folgerichtig, sondern zum kollektiven Erinnern an die Schrecken von Queer-Feindlichkeit absolut bedeutsam. Daher freue ich mich, gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen aus der Mahn- und Gedenkstätte und dem Amt für Gleichstellung und Antidiskriminierung dieses Projekt unterstützen zu können", sagt Theatermuseumsleiter Dr. Sascha Förster.
Workshop-Termine
Der intensiv-Theaterworkshop für Jugendliche und junge Erwachsene ab 16 Jahren wird vom 31. Oktober bis zum 3. November 2024 veranstaltet – jeweils am 31. Oktober von 18 bis 22 Uhr und vom 1. bis 3. November von 10 bis 16 Uhr. Die Workshopeinheiten finden primär in den Proberäumen am Bertha-von-Suttner-Platz 1-3 statt. Zur Abschlusspräsentation am Sonntag, 3. November, 18 Uhr, werden dann alle Interessierten ins Theatermuseum Düsseldorf, Jägerhofstraße 1, eingeladen. Die Teilnehmenden benötigen keine Theater-Erfahrungen oder thematische Vorkenntnisse.
Der historischer Hintergrund
Bereits im Kaiserreich waren homosexuelle Handlungen durch den Paragraf 175 verboten. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden Maßnahmen gegen Homosexuelle, gegen ihre Kneipen- und Subkultur, gegen ihre Vereine und Zeitschriften jedoch deutlich verschärft. In Düsseldorf erfolgte die Schließung der bekannten Homosexuellen-Lokale sogar schon einige Tage vor dieser Anweisung.
Im September 1935 trat eine weitere Verschärfung des Paragrafen in Kraft, wonach allgemein "homosexuelle Handlungen" kriminalisiert wurden. Bei der Verfolgung Homosexueller sollten gleichzeitig Kriminalpolizei, Geheime Staatspolizei (Gestapo) und Strafjustiz tätig werden. Allein die Gestapo verhaftete in diesem Zusammenhang in Düsseldorf etwa 400 Männer. Damit war Düsseldorf die Stadt mit den meisten Festnahmen nach § 175 in ganz Westdeutschland. Im Sommer 1937 führte die Gestapo die ersten großen Razzien durch. Ende März 1938 begann eine weitere "Aktion gegen die übrigen Homosexuellen", die von einem Sonderkommando der Gestapo in Angriff genommen wurde.
Die Gerichte in Düsseldorf verhängten durchschnittlich fünf bis sechs Monate Gefängnis für Verstöße gegen den § 175. Unabhängig von einem Gerichtsurteil verfügte die Gestapo über die Möglichkeit, Menschen in Konzentrationslager einzuliefern. In Düsseldorf wurden solche KZ-Einweisungen in der Regel gewissermaßen als "Korrektur" gerichtlicher Urteile vorgenommen, also etwa nach Entlassung aus der Untersuchungshaft, nach einem Freispruch im Gerichtsverfahren oder unmittelbar nach der Strafverbüßung. Zudem konnten schwule Männer auch"entmannt" werden. Diese Zwangskastrationen wurden in der Regel in der Krankenabteilung des Gefängnisses "Ulmer Höh" durchgeführt.
Die rechtliche Diskriminierung wurde nach 1945 bis zur Abmilderung des Paragrafen (1969) bzw. bis zu dessen endgültiger Abschaffung (1994) beibehalten. In der jungen Bundesrepublik wurden tausende Männer nach §175 zu Gefängnisstrafen verurteilt. Entschädigungszahlungen an homosexuelle NS-Verfolgte wurden bis heute kaum geleistet. Erst 2017 ermöglichte der Deutsche Bundestag die rechtliche Rehabilitierung verfolgter Homosexueller.
Kooperationspartner und Föderung des Theaterprojekts
Das Theaterprojekt "Allein im Rosa Winkel" wird in Kooperation mit der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, Queere Geschichte(n) Düsseldorf e.V., dem Theatermuseum Düsseldorf sowie dem Amt für Gleichstellung und Antidiskriminierung Düsseldorf und in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Düsseldorf und der Lesben- und Schwulenbibliothek Düsseldorf (LuSBD) realisiert. Gefördert wird das Projekt vom Fonds Soziokultur aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie dem "Jugendfonds Demokratie leben!".