Doppel-Premiere Schauspielhaus: Die Wand und Trauer ist das Ding mit Federn

Auftritt Kilian Ponert und Hanna Werth in „Die Wand“ und „Trauer ist das Ding mit Federn“

Von Jo Achim Geschke |

Die Wand Hanna Werth

Hanna Werth in „Die Wand“ / Foto Sandra Then, D`Haus

Kriii, krrchiii … er kräht so echt, er ist eine der Krähenvögel in der Stadt, die täglich hier zu hören sind: Kilian Ponert als Krähe ist in „Trauer ist das Ding mit Federn“ die beherrschende lockende und lockere und aufklärende Figur in diesem Einakter. Hanna Werth führt im Einpersonenstück „Die Wand“ den Zuschauer in einem Sog ihres Monologs in eine abgeschottete Natur, in der sie mit ihren Tieren und den täglichen Routinen schließlich sich selbst fast vergisst. Schauspielerisch großartige Leistungen in zwei Stücken der Regisseurin Laura Linnenbaum, die als Doppel- Premieren am Samstag auf die Bühne im Kleinen Haus kamen.

„Trauer ist das Ding mit Federn“ kommt als deutschsprachige Erstaufführung in einer Fassung von Regisseurin Laura Linnenbaum  und Dramaturgin Sonja Szillinsky als Adaption des Romans von Max Porter. Thiemo Schwarz als „Dad“  bringt die richtige Mischung aus Vater, Schriftsteller und Trauerndem mit, ihm zur Seite die hervorragend aufspielenden Söhne Nils David Bannert und Jakob Zacharias Eckstein – beide Studierende an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy“  in Leipzig zeigen, welch großes Können die Studierenden bereits mitbringen.

Es geht um Trauer, um Verlust. Aber es ist die mal lakonische, mal krächzende Krähe, die den Vater und die „Jungs“ aus der Trauer in die Wirklichkeit holt, die tanzend und mit dem fast nackten Hintern wackelnd das Publikum begeistert.

Solo für Krähe

Dieses Solo für Krähe gelingt Kilian Ponert bis in den langen, jubelnden Applaus des Stückes.

Ponert/ Krähe  zeigt dem Vater / Autor, dass Trauer durchaus auch mit Witz und Fröhlichkeit sich verbinden kann.

Hintergrund des Textes ist der Tod der Schriftstellerin Sylvia Plath, die nach ihrem Suicid 1963 wichtig für den Feminismus wurde. Das ihr Mann Ted Hugh später Teile der Tagebücher von Plath vernichtete und so durchaus ein geschöntes Bild von sich hervorrufen wollte, spielt im Stück nach Max Porter nur eine sehr kleine Rolle. Ted Hughes, ebenso Schriftsteller, in dessen späterem Werk auch eine Krähe zentrale Rollen einnimmt, hatte Sylvia Plath wegen einer neuen Frau verlassen, Plaths Depressionen brachen wieder auf.

Solo für Hanna Werth

Psychologen können  in „Die Wand“ durchaus eine Depression wiedererkennen:  Die Protagonistin beschreibt, wie sie eine Wand vor sich sieht, die sie von der Welt trennt, eine unsichtbare Wand, irgendwie unbegreiflich. Hanna Werth zeigt mit allen Facetten der Schauspielkunst eine zweifelnde Frau, die plötzlich nicht genau weiß, was sie von der Welt trennt, die aber mit eher hyperaktivem Aktionismus beginnt, sich in ihrer Ich-Enklave einzurichten.

Wobei Hanna Werth der Gefahr entflieht, ihren 70-minütigem Monolog mit zu viel Pantomime zu überfrachten. Die Solistin (oder gar Solipsistin – „Der Solipsist in der Heide“ fällt mir da ein - ) hackt  Holz, melkt eine zuvor auftauchende Kuh, ist froh über Hund und Katze, hat Streichhölzer genug…  

Und schließlich, nach Jahren in der Einsamkeit hinter der unsichtbaren Wand, erschießt sie ohne Zögern einen Mann, der eindringt und ihren Hund und einen Stier tötet. Schlussfolgerung: Sie will gar keinen Menschen mehr sehen, hat sich fernab der Menschen in ihrer Natur eingerichtet.

Die Gefahr im Text des Romans von Marlen Haushofer und der Interpretation der Regisseurin Laura Linnenbaum  liegt in dieser Interpretation des letztlich genügsamen Lebens in der Natur. Diese Natur, in der die Solistin agiert, ist eine Idylle, die so nicht mal im Kleingarten besteht.

Und: Sich selbst finden in der Natur hat durchaus einen Anklang an Martin Heidegger, was leider sofort auch das „Blut und Boden“ hinter dem Philosophen der „Schwarzen Hefte“ aufscheinen lässt.

Doppelpremiere gelungen

Das Experiment der Doppelpremiere aber ist gelungen : Nur sehr wenige Zuschauer verließen nach dem ersten Einakter den Saal. Auch wenn die Themen manchem etwas spröde erscheinen,  Die Schauspieler_innen können wie immer begeistern, Urteil: Durchaus sehenswert.

 

„Trauer ist das Ding mit Federn“, von rechts Kilian Ponert, Nils Bannert, Jakob Z. Eckstein, / Foto Sandra Then, D`Haus

Beide Inszenierungen werden künftig als eigenständige Termine unabhängig voneinander aufgeführt.

Weitere Aufführungen und Karten-Bestellung unter

www.dhaus.de