Es ist eine beeindrucke Szene, sicherlich eine Schlüsselszene. Eigentlich. In diesem Danton in der Inszenierung von Armin Petras aber geht sie für die Zuschauer*innen doch unter. Denn es ist ein gewaltiger, ein bildgewaltiger „Danton“, den Petras auf die Bühne bringt, ein Danton, in dem die Schauspieler*innen Enormes leisten. Aber es ist der Danton des Armin Petras, ein gewaltiges und auch gewalttätiges Bühnen-Spiel der Regie. Und gerade heute, in Zeiten des Umbruchs, wünscht man sich den Bezug zur aktuellen Entwicklung.
Diese Wucht der Bilder zeigt nicht, welche Wucht die Vereinnahmung von Moral und Ethik, die Postulierung der populistischen Wahrheit durch die neue Rechte hat. Die diktatorische Vereinnahmung von Moral, sie könnte in dieser Inszenierung die Parallelen herstellen zwischen der blutigen Revolutionwirren von 1794 und heute, diese Strategie der Rechten um Oberideologe Götz Kubitschek oder Jörg Meuthen.
Wenn auch Büchner angesichts der absoluten Moral der französischen Revolutionäre zweifelte: Wenn einer diesen Zweifel auf die Bühne holen will, muss er vielleicht die Akteure in Kostüme von 1848 stecken. In die steifen Kragen und Manschetten der aufmotzenden Bürger an der Schwelle zur Republik in der Paulskirche.
Doch dieser Zweifel, der ja dialektisch den Zuspruch beinhaltet, geht zuweilen unter in den opulenten Bildern. Der Zuschauer brauchte den Büchner`schen Text oder der Originale, brauchte die Kenntnis dessen, was im Programmheft steht. Sonst geht es ihm womöglich wie dem Premieren-Publikum: Ein wenig ratlos, etwas ablehnend, der Premieren-Applaus ist sehr verhalten und zu kurz.
Auch vom Gefühl, vom Bauchgefühl beim Betrachten der Bühne, lässt sich nur ahnen, welche Wucht die Veränderung einer Gesellschaft entwickeln kann. Denn die Bilder sind wild, großartig im Bühnenbild, aber diese Bilder lassen den Zuschauer letztlich ratlos zurück. All das Blut, das Elend, der Dreck … Umwälzung, Veränderung, alles nur Dreck?
Das Bühnenbild (Olaf Altmann) ist eine hohe Rampe, von deren oberer Stufe die Akteure zuweilen herunter rutschen (was den Schauspieler*innen womöglich weh tut). Sie rutschen in das Geschehen, als ob sie nichts dagegen tun könnten, die Revolution ereilt sie. Auch Danton wird irgendwann gefesselt auf dieser Rampe stehen. Oben steht aber auch der Richter, und in Videoprojektionen erscheinen die Verschwörerinnen gegen Danton und seine Freunde. Auch Danton wird irgendwann gefesselt auf dieser Rampe stehen. Und es wird Blut in Strömen auf ihr herunterlaufen.
Petras besetzt den Robespierre und andere Männerrollen Büchners weiblich, es soll einen neuen Blick auf die Auseeinanderset6zung geben, schreibt Dramaturgin Felicitas Zürcher im Programmheft. Und: Robespierres soziale Revolution stehe noch immer aus … Nein: Sie vollzieht sich, anders allerdings, mit 25 % AfD im Osten, diese Art der sozialen Veränderung.
Zum Schluss, nach mehr als drei Stunden, liegen sie da, an die 20 Schauspieler*innen mit den Köpfen rückwärts auf der Rampe, wie all die Toten der Französischen Revolution. Und doch hat die den Boden vorbereitet für die Republik, für die Demokratie, für Gleichheit, Solidarität … Und auch gezeigt, dass nach einer sich zerfleischenden Revolution ein Despot als Folge droht.
Dank an die Schauspieler*innen für ihren großartigen Einsatz, es werden wohl einige mit blauen Flecken von der Bühne gegangen sein.
Ein allemal sehenswerter „Danton“, aber bitte vorher nochmal den Büchner lesen, vor allem aber das Programmheft.
(Autor Jo Achim Geschke)
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