Die Mutter von Emin kann an der Supermarkt Kasse nicht mit Karte bezahlen, da ist nichts mehr drauf. Andere Kunden vor der Kasse schimpfen, sie haben keine Zeit und kein Verständnis. Sohn Emin (Cem Bingöl) hilft mit Bargeld aus. Im Einkaufswagen auch die Chips.
„Liebe Kunden, heute empfehlen wir Paprika-Chips 20 Prozent reduziert“, sagt der Kassierer (in mehreren Rollen sehr gut: Jonathan Gyles). Er sitzt an einer nachgebauten, täuschend echten Kasse mit Laufband. Der Supermarkt hinter ihm mit Waren, Geschenk-Körben und Pflanzen, ist mit Fotos von meterhohen vollgestopften bunten Supermarktregalen als Wänden zugestellt (Bühne Guus van Geffen). Sohn Emin will auch noch einkaufen, wird gestört vom Chef, der unbedingt den neuen „Energy-Drink Sugar 3000“ promoten will.
Sohn Emin beschließt, sich nachts im Supermarkt einschließen zu lassen, damit er seiner Mutter endlich mal alles kaufen kann, was sie möchte. Er läuft also nachts im Markt herum, wird beobachtet von zwei Zitronen als Augen oder einem Käse. Plötzlich steht eine junge Frau vor ihm:
„Ich wohn hier“, sagt Johanna, genannt Joe (ausgezeichnet Yulia Yáñez Schmidt).
Sie ist einfach nach dem Einkaufen nicht nach Hause gegangen.
Joe erklärt Emin, wie das so läuft im Markt. Dann ein Szenenwechsel: Joe und ihr kranker arbeitsloser Vater, der auch noch Spielsüchtig ist, und sich nicht um die vereinsamte Joe kümmert.
Joe ist arm, aber sie will nicht, dass der Lehrer sie für dumm hält.
„Er soll sagen, dass ich nicht dumm bin“, so Joe immer wieder.
Was heißt gehören?
Im nächtlichen Supermarkt sagt Emin, er will, dass seine Mama stolz auf sich sein kann. Und Joe träumt von Belgien, denn Belgien besteht aus Parkplätzen mit Pommesbuden.
Dann stört der Chef (Eduard Lind) , der seinen „Sugar 3000“ vermarkten will. Aber von einer pelzigen Motte (Jonathan Gyles) gestört wird. Du darfst das nicht essen, dir gehört das nicht, ruft der Chef, aber die motte fragt: Was heißt gehören?
Szenenwechsel: Mutter (Aylin Celik) und Sohn wollen was schönes Essen zu Hause, einen Tomatensalat, als der Paketbote (in gelb!) einen großen Kühlschrank bringt. „Der Kann den ganzen Hunger aufnehmen“, sagt er. Und ist völlig erschöpft. Die Mutter lädt ihn zum Essen ein, zum Tomatensalat. „Echte Tomaten?“ fragt der Paketschlepper. Und weint, er vermisst so sehr die frischen Gurken und den Kohlrabi zu seinem Essen…
Marktpsychologie, Regal-Verführungen und Milieuschilderungen
In diesem Stück von Akın Emanuel Şipal im Rahmen der weltweiten Initiative 10children.org wird das Milieu mit unverschuldet in Armut gerutschten Kindern und Eltern ohne moralischen Zeigefinger recht gut getroffen, etwa mit dem gekündigten Vater, der spielsüchtig seine Tochter allein lässt. Oder den Kindern, die zu früh Verantwortung für die Familie /Mutter übernehmen wollen.
Und die Macht der Marktpsychologen und Verkäufer wird realistisch dargestellt. Etwa wie der Marktmechanismus mit der Kinderarmut und der Armut der Eltern umgeht: Der Brokkoli ( mit Beifall bedacht Leon Schamlott) ist traurig, weil die Kunden ihn liegenlassen – wir sind billiger, lachen ihn die drei Chipstüten aus. Und Brokkoli verdirbt zu schnell.
Chipstüten und Zucker-Drinks halten sich. Was alles auf Dauer zu Mangelernährung und auch zu Adipositas führen kann, aber der Umsatz der Tüten wächst wohl reziprok zum Bauchfett von Jugendlichen.
Märchen-Kassiererin und wilde Chipstüten
Im nächtlichen Supermarkt hat die Nacht-Kassiererin mit ihrer goldenen Kugelkrone auf dem Kopf zwischendurch das sagen, ein wunderbarer Song lässt die Zuschauer:innen ein bisschen Pause machen.
Der Sohn, die gar nicht dumme Joe, der völlig fertige Paketboten im gelben Trikot, sogar der Chef versuchen, den stark zuckerhaltigen angeblichen Energie-Drink zu trinken – und wollen ihn dann angeekelt zurück schicken. Sohn Enim lädt die zaghafte Joe zu sich nach Hause ein, und der Kassierer wirbt an der Kasse: „Heute im Angebot Brokkoli-Chips, 30 Prozent reduziert.“
Langer Beifall und Standing Ovations für die wirklich hervorragenden Schauspieler:innen
Begleitheft für Lehrer:innen und Jugeneinrichtungen
Zu Düsseldorf sagt der Markt-Chef „Kanarienvögle und Palmen“, aber auch hier in der wohlsituierten Stadt gibt es „zu viele“ arme Kinder, konzediert Düsseldorfs OB Dr. Stephan Keller (CDU). Aber: „Wir arbeiten daran, dass alle Kinder ein gesundes Mittagessen bekommen können“, so OB Keller. Und betont ebenso, dass Kultur, also auch Theater, keine Frage des Geldbeutels ist, Teilhabe sei nötig.
In einem Begleitheft zum Stück für Lehrer:innen oder Mitarbeiter:innen in Jugendeinrichtungen werden Materialien und Hefte zur Begleitung des Themas Kinderarmut und mangelhafte Ernährung aufgeführt.
Im Foyer an der Münsterstraße 446 stellen Schüler:innen der 5. Klasse des Wim-Wenders-Gymnasiums Aquarelle und Tonobjekte zum Thema aus.
Neben OB Dr. Stephan Keller (CDU), der eine kurze Rede hielt, nahmen Generalintendant Wilfried Schulz ebenso teil wie Bürgermeisterin Klaudia Zepuntke, die niederländische Generalkonsuln Hannah Tijmes sowie Vertreter des NRW Ministeriums für Kultur und Wissenschaft und der Düsseldorfer Stadtverwaltung teil.
Weitere Termine auch für Jugend-Einrichtungen und Schulen:
https://www.dhaus.de/programm/a-z/das-pommes-paradies/
Besetzung
Emin: Cem Bingöl
Emins Mutter / Nachtkassiererin / Chips: Aylin Celik
Johanna, genannt Joe / Kundin: Yulia Yáñez Schmidt
Kassiererin / Motte / Ober-Chips / DHL-Zombie / Schulpsychologe / Chef: Jonathan Gyles
Supermarktmanager / Johannas Vater / Kunde / Chips: Eduard Lind
Brokkoli / Kunde / Lehrer / Alter Herr / Parasorgus: Leon Schamlott
Obst / Gemüse / Lebensmittel: Ensemble
Regie Liesbeth Coltof
Bühne Guus van Geffen
Kostüm Martina Lebert
Musik Matts Johan Leenders
Dramaturgie Kirstin Hess
Theaterpädagogik Lena Hilberger
Dauer 2 Stunden — eine Pause
Förderung und Kooperation
Gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. In Kooperation mit dem Amt für Soziales und Jugend der Landeshauptstadt Düsseldorf. 10children.org wurde initiiert durch Liesbeth Coltof und Dennis Meyer