Das Bühnenbild fängt die Flucht per Zug ein: Die Drahtsitze aus den U-bahnhöfen Düsseldorfs, ein Hinweisschild zum Notausgang, Eine Anzeige der U-bahnen („Hbf“) oder Eller - aber auch die Anzeige Kyjiw, Irpin, Dnipro … Frauen mit Koffern kommen auf die Bühne, Jugendliche. Auf der Anzeige, einem Flachbildschirm, die ersten Bilder des russischen Angriffs, Explosionen, Feuer, zerstörte Häuser. Putin, der von „Nazis“ in der Ukraine faselt. Am 24. Februar ist es ein Jahr her ….
Junge Musikerinnen
Die junge Musikerin und Sängerin Vasylysa Furmanova bringt den Wahnsinn dieser Flucht in Worten und (eigener) Musik auf die Bühne: 16 Stunden Zugfahrt von Kyjiv aus, an der Grenze zum Verrücktwerden, schon an der Grenze in Lwiw „Blut und ausgerissene Haare“ , Sie tragen alle mehrere Schichten Kleidung übereinander, weil es kalt werden könnte … . Im März dann seien sie in Deutschland angekommen.
Die leicht punkige Furmanova erzählt, „Ich glaube, ich bin bei der ersten Explosion aufgewacht“,
sie packt den Notfallkoffer, „Verbandszeug, Kondome, die Katze“ die ein Kilo wiegt, die mit dem Hund der anderen sich nicht verträgt im Auto … Auch die rothaarige Oleksandra Dolobovska , 19 Jahre alt, sie hat Regie studiert, spielt Gitarre und singt, erzählt in rasendem Ukrainisch, mit Übertiteln in Deutsch, von der irrewitzigen Fahrt im viel zu kleinen, vollen Auto. Und: Ja – wir dürfen auch mal mit ihnen lachen über ihren selbst erlebten Irrwitz inmitten des Krieges.
Die beiden jungen Ukrainerinnen bespielen im Duo mit schnellem Song und Gitarren minutenlang perfekt die Bühne und bekommen riesigen Szenenapplaus. Furmanova spielt zudem mehrfach die traditionelle ukrainische Bandoura , eine Zitherlaute mit großem Korpus und bis zu 64 Saiten. Die Musik, die sie spielen, haben Furmanova und Dolobovska selbst geschrieben sowie Mariana Sadovska.
„Fortgehen oder bleiben?“
Iryna Marchenko aus Kyjiw und Tetiana Kuleba aus Dnipro zeigen in einem fulminanten Auftritt ihr Schauspiel- und Gesangs-Talente und schildern mit den anderen zusammen, wie schwer es ihnen fiel, ihre Stadt, ihre Männer zu verlassen. Wobei deutlich wird, dass ja schon 2014 Frauen allein zurück blieben, weil ihre Männer im Krieg um den Donbass und die Krimgefallen waren.
Kommen die Frauen anfangsmit ihren Koffern in den Bahnhof, wird später auch deutlich, wo viele der Frauen arbeiten: In der Altenpflege. Obwohl sie sehr qualifiziert sind, teils studiert haben (Tetiana Kuleba etwa Volkswirtschaft).
Bleiben war meist keine Option:
"Plattenbau, achte Etage, eine Rakete, und wir sind weg", sagt eine,
eine andere erzählt, wie die Panzer anrollen, die Autos zerschossen sind.
Kristina Karst-El Scheich bringt mit beeindruckender Intensität ein Schicksal als Soldatin im Kampf gegen Russen. Dann kommt mit die furchtbare Realität des Kriegs auf die Bühne, mit drei deutschen Mitspielerinnen, die die Vergewaltigungen im Krieg schildern.
Telemach
Autor Pavlo Arie nimmt von Homers Odyssee zudem die Geschichte des Telemach und versetzt sie in die Jetztzeit. Ein Junges Mädchen verliebt sich in den ukrainischen Flüchtling (Illia Ivliev) . Aber wie bei Homer will Illia seinen Vater suchen und in die Ukraine fahren. In Messenger-Botschaften kommunizieren die beiden.
Langer Applaus und Standing Ovation von einem sichtbar tief berührtem Publikum.
Das „Stadt:kollektiv“ (ex Bürgerbühne) hat sieben Frauen und zwei Jungen aus der Ukraine und sieben Düsseldorferinnen zusammen auf die Bühne gebracht unter der Regie von Stas Zhyrkov und der Dramaturgie von Birgit Lengers. Es sind Frauen aus Charkiw, Irpin, Kyjiw, die mit ihren Kindern aus der Ukraine vor dem Krieg fliehen mussten.
Autor Pavlo Arie, der Theatertexte u.a. für das Berliner Ensemble die Schaubühne Berlin oder die Kammerspiele München schrieb, lädt in Düsseldorf jeden Monat zum Kultursalon „Geschichten aus dem Exil“ ein.
Besetzung:
Mit Renat Bezpaliuk, Marta Bezpaliuk, Yuliia Birzul, Oleksandra Dolobovska, Olha Fish, Vasylysa Furmanova, Viktoria Gershevskaya, Alrun Juman Göttmann, Illia Ivliev, Kristina Karst-El Scheich, Greta Kolb, Tetiana Kuleba, Charlott Lindecke, Iryna Marchenko, Julie Marienfeld, Alexandra Peschke
Das Lied »Irpin« ist eine Komposition von Vasylysa Furmanova, die Kompositionen in der Szene »ODYSSEE INS EXIL TEIL 2 – Zwischen Skylla und Charybdis« stammen von Oleksandra Dolobovska, Vasylysa Furmanova und Mariana Sadovska.
Stay with Ukraine
Reihe von und mit ukrainischen Künstler*innen
In den nächsten Monaten werden Schauspiel, Stadt:Kollektiv und Junges Schauspiel unter dem Titel »Stay with Ukraine« Konzerte, Diskussionen, Lesungen und Theateraufführungen zweisprachig von und mit ukrainischen Künstler*innen in Düsseldorf veranstalten.
Театр (Schauspiel), Stadt: Kollektiv (Місто: колектив) та Молодіжний театр (Junges Schauspiel) організовують в Дюссельдорфі двомовні концерти, дискусії, літературні читання та театральні вистави українських митців та за їхньої участі
Weitere Termine:
Do, 16.02. / 19:30 - 21:15
Stadt:Kollektiv
Schauspielhaus — Kleines Haus
Eintritt für ukrainische Bürger*innen 1 € — Вхід для громадян України – 1 євро
Sa, 25.02. / 19:30 - 21:15
Stadt:Kollektiv
Schauspielhaus — Kleines Haus
Eintritt für ukrainische Bürger*innen 1 € — Вхід для громадян України – 1 євро
So, 12.03. / 18:00 - 19:45
Stadt:Kollektiv
Schauspielhaus — Kleines Haus
Eintritt für ukrainische Bürger*innen 1 € — Вхід для громадян України – 1 євро
Do, 16.03. / 20:00 - 21:45
Stadt:Kollektiv
Schauspielhaus — Kleines Haus
Eintritt für ukrainische Bürger*innen 1 € — Вхід для громадян України – 1 євро
So, 19.03. / 18:00 - 19:45
Stadt:Kollektiv
Blauer Tag
Schauspielhaus — Kleines Haus
Eintritt für ukrainische Bürger*innen 1 € — Вхід для громадян України – 1 євро
Mehr unter www.dhaus.de