Theater der Welt mit Musiktheater aus Lausanne

Der Wolf im Federkleid und Philosophie im European Philosophical Song Contest

Von Jo Achim Geschke |

European Philosophical Song Contest

Der Gesang aus den Mülltüten beim ESC mit dem Theater der Welt/ Foto Laure Ceillier, Pierre Nydegger

Es ist ein wahrer Abend des Theaters der Welt: Ein „European Philosophical Song Contest“, bei dem nicht der ESC, der kommerzielle Schlager-Wettbewerb nachgespielt wird. Die intellektuelle Hürde der Texte ist sowieso Länder entfernt von Schlagertexten: Intellektuelle aus zehn Ländern haben Texte eingesandt, mit einem Team der Universität für Musik Lausanne haben Regisseur Massimo Furlan und die Dramaturgin Claire de Ribaupierre eingängige Popsongs zu den philosophischen Texten der Autor*innen komponiert. Fazit: Philosophie hat einen ganz neuen, wunderbaren Hörsaal.

Hinreißend Anna Schudt, die die Moderationen bei Sanges-Contest und People-Fernsehen persifliert, zu Zeiten aber auch ganz freundlich-ernsthaft die Jury aus einem Schauspieler und drei Düsseldorfer:innen befragt. Und zu Beginn schon mit Anspielung auf die Regenbogen-Fahnen und -Zeichen feststellt: Ungarn ist nicht dabei bei diesem Europäischen Event. Anna Schudt ist den meisten wohl als Kommissarin im Dortmunder Tatort bekannt. Hier leitet sie durch die Auftritte von 10 Nationen-Sänger:innen und die Kommentare der Jury dazu.

Die Idee

Die Idee von Massimo Furlan und Claire de Ribaupierre: Philosophen und andre Intellektuelle in zehn Ländern Europas um Texte bitten und diese vertonen. Die Angeschriebenen haben Texte geschrieben, sie sind in einem kleinen Büchlein abgedruckt und ins Englische übersetzt. Gesungen werden sie mit der Unterstützung einer ausgezeichneten Band in den Originalsprachen …. Also in Flämisch und Französisch für Belgien, französisch für Frankreich, Italienisch,  und in der Landessprache von Litauen, der Samen in Norwegen, Portugal, der Schweiz in Französisch , und in Deutsch.

Die Songs

Eine Jury unter der Leitung von Schauspieler André Kaczmarczyk mit der  Medien- und Kulturwissenschaftenstudentin Miriam Owusu-Tutu (25) sowie Birgitta Radermacher, Regierungspräsidentin in Düsseldorf und Chansonnier Mayo Velvo vergibt die Punkte, maximal vier Mal die 10.

Da stapft der Slovene „sehr männlich“ (Majo Velvo) singend über die Bühne,  und die skeptische Studentin Miriam Owusu-Tutu gibt Moderatorin Anna Schudt  das Stichwort: „Du meinst, Männer sollten mehr auf die Frauen hören.“ Überhaupt ist diese quirlige Miriam die intellektuelle Bereicherung für die Runde, die zu jedem philosophischen Ansatz ja etwas sagen soll.

Ganz deutlich ist, dass das Publikum Musik und Gesang liebt, ablesbar an mehr oder weniger Jubel nach den kurzen Songs.  Es ist also egal, wer gewinnt, denn je nach Lautstärke des Applaus im Saal gibt es einen anderen Sieger.

Philippe Artières  etwa hat für Frankreich den Songtext beigesteuert, die „Ballade von der infamen Menschheit nach Michel Faucault“.  (Dennoch klingt die Sängerin ein wenig wie Francois Hardy …)  "Wenn etwa auf Französisch gesungen wird, klingt selbst Kompliziertes wunderbar“, meint Mayo Velvo.

Der Mann im Wolfs-Kostüm aus Federn (sic) singt einen Text zur Naturphilosophie. Der deutsche Leon Engler textet Zeilen über neue Deutsche Geschichte, Titel „Jesus ist ein Fußballfeld“, ein Song mit Andeutungen zu Kannibalismus nimmt wohl Bezug auf den Ethnologen Levi-Strauss (gestorben 2009)  und seine Untersuchungen, die aber heute etwas vergessen sind.

Die Italiener bringen Herz/ Schmerz und singen von unserer Zerbrechlichkeit, „so eine Art Al Bano und Romina Power“, meint Mayo Velvo trocken zum phantastisch singenden Duo.

Ein Songtext fragt, wie teilt man eine Zahl in der Endlichkeit in unendliche Teile, ein anderer fragt, Kann Formbarkeit die Dekonstruktion ersetzen.

Der begeisterte Applaus des Publikums gilt den hervorragenden Musikern und Sängerin und Sänger sicherlich mehr als den teils komplizierten Texten.

Aber sie regen zum Denken an: „Wir müssen verhandeln, in welche Zukunft wir uns entwickeln wollen“, formuliert folgerichtig Studentin Miriam.

Am Ende ist man verblüfft, welch riesige Talente in manchen Schauspielern aus Lausanne zum Vorschein kommen – mehr wird nicht verraten.

Mehr Details unter

https://www.dhaus.de/programm/a-z/european-philosophical-song-contest/

und

https://europhilo.eu/