Nibelungen und Hebbel mit Kriemhild Rache … Die Geschichte ist schnell erzählt: Das deutsche Nationalopus, äh: das der weißen männlichen Deutschen, vor allem jener, die noch die Hacken zusammenschlagen, Wagners Nibelungen anhimmeln und Jawohl oder gar Jawoll! sagen, ist hier abgewandelt.
Es beginnt mit Kriemhild im Bett in einer normalen Wohnung, mit Bett, Bad, Schrank, Küchenzeile, Tisch, an dem Siegfried sitzt. Kriemhild führt eine Alltagsroutine vor, steht auf, putzt die Zähne, geht zur Toilette, zieht einen Morgenmantel oder ein Kleid an, legt sich wieder hin. Steht auf, sagt Dienstag – dann Mittwoch, Donnerstag, Freitag … immer die gleichen Szenen, immer die gleichen Geschichten – aber auch Sinnbild für die Jahre in denen sie Siegfried nachtrauert, den blutenden Siegfried, der stumm am Tisch neben dem Bett sitzt.
Kriemhild wandelt sich aber.
Siegfried (Florian Lange) will sie, aber Gunther (ein verschlagen wieselnder Andreas Grothgar) will sie ihm nur „geben“, wenn er mit seiner Tarnkappe Brunhild, die Unbesiegbare, besiegt. Das gelingt den Männern. Doch Brunhild verweigert sich Gunther, und so soll Siegfried unter der Tarnkappe Brunhild überwältigen, sprich: Vergewaltigen.
Minna Wündrich spielt hinreißend pantomimisch die Starke, die unter den Qualen der Vergewaltigung leidet. Ihre Brunhild lässt die Kraft spüren, aber auch ihre Verletzungen.
In Freude über die Hochzeit tanzt Kriemhild beschwingt über die Bühne (Ruckpaul hat eine Ballett-Ausbildung), aber Unheil naht: Brunhilds blutroter Gürtel; den nun Siegried hat, gerät in die Hände Kriemhilds. Sie sinnt auf Rache …
Die soll Hagen übernehmen, dem sie von der verwundbaren Stelle im Rücken von Siegried erzählt, der ja ansonsten durch Baden im Drachenblut unbesiegbar ist. Und Hagen Tronje (Joscha Balta) übernimmt das. „Wohl mag ein Weib auf Rache sinnen“ sagt Hagen noch abschätzig …..
Doch in dieser Fassung rennen Kriemhild/ Ruckpaul im Morgenmantel und Brunhild/ Wündrich im Guantanamo-Orangen Overall mit Pistolen in der Hand (Brunhilde die Starke gleich zwei) und knallen die Männer ab.
Im Video auf „D´Haus“ sagt Lea: „Wir erzählen immer dieselben Geschichten, aus denen wir nicht rauskommen, weil das in unseren Körpern ist - in den Körpern der Frauen. Und : „Was soll ich mit diesem alten Kram?“
Was wäre, wenn Kriemhild und Brunhild glücklich wären in der Geschichte ?
Raus aus meinem Körper
„Wir müssen die alten Denkmuster beerdigen“, sagt Autorin Ruckpaul/ Kriemhild. Ich glaube, dass wir im Theater weniger in die Vergangenheit, sondern mehr in die Zukunft greifen müssen. „
Das Wohnzimmer, das normale, die Einförmigkeit, wird im furiosen Nachspiel von Ruckpaul zur kreischbunten Performance mit nachdenklichen, durchdachten Formulierungen zur Rolle der Frau. Ja, es muss noch immer darüber nachgedacht werden, erstaunlich. Minna Wündrich zeigt sich auch da als kongeniale Partnerin von Ruckpaul.
„Ich muss die Gesellschaft aus meinem Körper austreiben“, sagt Kriemhild. Es ist eine Abrechnung, eine lange Frage nach den Vorurteilen, denen Frauen ausgesetzt sind, und die sie verinnerlichen. Nachdenklich. "Ich fühle, wir sind am Übergang“ sagt Kreimhild/ Ruckpaul.
Es sind Fragen, keine Antworten. „Warum haben wir Empathie mit einem Sieger und nicht für Menschen, die sich kaputt arbeiten, damit es uns gut geht?“ fragt Wündrich/ Brunhild. "Wir werden eine Zeit kennen, wo uns die Erde zurückgibt, was wir sie haben fressen lassen“, und : „Weiter so geht es nicht. Ein Zurück gibt es nicht“.
Und am Ende kommen die Eis schleckenden Männer dazu, im Mantel und schon bereit, zu gehen.
Weitere Aufführungen und Karten unter www.dhaus.de