Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“ – Premiere im Schauspielhaus

Draußen vor der Tür oder was der Krieg mit uns allen macht

Von Jo Achim Geschke |

Draussen vor der Tür

Draußen vor der Tür, v.l.: Der Andere Sonja Beißwenger, Beckmann Raphael Gehrmann, Ein Oberst Florian Lange / Foto (C) Thomas_Rabsch Dhaus

Am Abend der Premiere dann zu Hause in den Nachrichten die Bilder von den Zerstörungen und den fliehenden Menschen im Libanon und in der Ukraine. Die Kriege in der Welt, verpackt in Bilder, bleiben nicht draußen, vor unseren Türen. Borcherts Drama aus dem Jahr 1947 über die Folgen des zweiten Weltkriegs lässt in der Regie von Adrian Figueroa und den ausgezeichneten Schauspieler:innen das Aufrüttelnde, das Borchert intendierte, noch einmal eindringlich werden.

Ein Mann kommt nach Deutschland, er kommt aus dem Krieg, er war 1000 Tage in Sibirien, er war drei Jahre weg, kommt zurück, seine Frau hat einen anderen, das kleine Kind ist tot, die Wohnung ist weg, er steht überall draußen, vor der Tür. Das Bild des Schauspielers erscheint auf dem Vorhang, es ist ein im Wasser der Elbe treibender, sich drehender Mensch im Soldatenmantel, der mit einem Anderen redet.

Borchert war 26, als er das Theaterstück in nur wenigen Tagen schrieb, er starb einen Tag vor der Uraufführung 1947 in den Hamburgert Kammerspielen. Mit dem Wirtschaftswachstum der Bundesrepublik, nachdem immer mehr Butter die karge Margarine der Deutschen auf ihren Tischen ersetzte, nahm die Zustimmung zum Drama bei den Kritikern ab. Die Aufarbeitung der Nazizeit und des Krieges war zunächst kein Thema mehr in Deutschland.

Der Krieg ist für uns wieder vor der Tür

Das Machstreben Putins und die Ausdehnung des Kriegs in Nahost lassen das Drama und die dazu nötige Diskussion aktueller denn je werden. Man hätte Möglichkeiten gehabt, aufzuarbeiten, damals, und auch in den 60ern, siehe Mitscherlichs „Unfähigkeit zu trauern“. Regisseur Figueroa bleibt dankenswert am Originaltext mit wenigen Kürzungen.  Die  Lichtregie (Konstantin Sonneson) macht mit Lichtkegeln und Farben und bläulich abweisenden Stimmungen aus der Bühne wechselnde, begeisternde Bilder. Die schwarzen Bauten  des Bühnenbilds (Irina Schicketanz)  unterstützen die abweisende Atmosphäre des „Draußenseins“.  

Raphael Germann ist als „Beckmann“ so überzeugend und intensiv, dass es weh tut, ebenso Sonja Beißwenger als „Der Andere“.

Luzide Darstellung der deutschen Befindlichkeiten

Borcherts luzide Darstellung der deutschen Befindlichkeiten ist auch in diesem Stück mit „Frau Kramer“ (hervorragend schnodderig Claudia Hübbecker) präsent: Der Krieg verroht, stumpft ab. Und Frau Kramer macht deutlich, dass Beckmanns Eltern, besonders der Vater, Nazi-Anhänger war. Und, so Frau Kramer, immer auf die Juden geflucht habe,

„War ja ein bisschen doll, das mit den Juden.“

Die Altnazis sollten raus aus der Wohnung, da hätten sie sich selbst „entnazifiziert“, und, so Frau Kramer:

„von dem Gas hätten wir einen ganzen Monat kochen können.“

Verantwortung einzufordern oder Neustart misslingen

Beckmann hat schon versucht, dem Oberst „die Verantwortung zurück zu geben“, vergeblich, der Oberst (Florian Lange) sitzt am reichlich gedeckten Tisch und löffelt unbeirrt sein Essen.

Und wenn Beckmann versucht, im Kabarett einen Neustart zu schaffen, klärt ihn der Theaterdirektor mit der Elton-John Brille über die Mechanismen der Marktwirtschaft auf: So einen Anfänger  mit einer Gasmasken-Brille will niemand sehen, da gehe das Theater ja pleite.

Beckmann, der immer wieder in die Elbe springen will und von „der Andere“ abgehalten wird, sucht Antworten.

Das Stück von 1947 endet mit den Worten: „Gibt denn keiner Antwort?“

Die Suche nach rationalen Antworten

Wir Heutigen suchen Antworten auf die Fragen, warum der Krieg, warum das Leid der Bevölkerung? Und wir suchen Antworten auf die Frage, wie wir uns dazu stellen: Ist nicht der Pazifismus besser?  

Die einseitigen Kampagnen gerade zum Ukraine-Krieg dienen lediglich der Desinformation und der Machtstrategie eines Herrschers. Wer Pazifismus fordert, muss auch die Selbstverteidigung zum Schutz des eigenen Lebens respektieren, etwa in der Ukraine.

Können wir nicht mehr differenzieren? Borcherts Text führt uns die Grausamkeit des Kriegs und der Menschen vor. Die Diskussionen darüber können dazu führen, die heutigen Kriege rational zu betrachten und nicht auf die Manipulationen und Machtspielchen hereinzufallen.

Ich beispielsweise kritisiere die extensive Kriegsführung Netanjahus, und ich gehe jetzt, heute, zur Demo für die Freilassung der israelischen Geiseln „bring them back home“, 365Tage, und gegen Antisemitismus.

Langer Jubel und Standing Ovations für die beeindruckenden Schauspieler:innen und die Inszenierung.

Weitere Termine :

https://www.dhaus.de/programm/a-z/draussen-vor-der-tuer/

Besetzung

Beckmann Raphael Gehrmann

Der Andere Sonja Beißwenger

Ein Mädchen Pauline Kästner

Ein Oberst Florian Lange

Ein Kabarettdirektor Thiemo Schwarz

Frau Kramer Claudia Hübbecker

Ein Straßenfeger Markus Danzeisen

Regie Adrian Figueroa

Bühne Irina Schicketanz

Kostüm Malena Modéer

Musik Ketan Bhatti

Video Benjamin Krieg

Mitarbeit Video Elena Tilli

Licht Konstantin Sonneson

Dramaturgie David Benjamin Brückel