Fokus Ukraine – Auftakt zum Europäischen Theaterfestival mit Dakh Daughters

Gänsehaut und Standing Ovations: Ukrainische Kultband „Dakh Daughters“ begeisterte und berührte im Schauspielhaus

Von Jo Achim Geschke |

Dakh Daughters im D Haus

Ukrainische Kultband „Dakh Daughters“ / Foto © Melanie_Zanin_ DHaus

Die Bühne beherrschen 7 Frauen und ihre 15 Instrumente – bis zum Schlussakkord, bei dem der ganze Saal im großen Haus aufsteht: „Shatter this Rock“, der Höhepunkt beim begeisternden Auftakt des „Theaterfestivals Fokus Ukraine“ im Schauspielhaus am 11. April. Nach 777 Tagen Russischem Angriffskrieg auf die Ukraine waren die Menschen im Große Haus mitgerissen von der Ukrainischen Kultband „Dakh Daughters“ und ihrem intelligenten musikalischen Universum, dass sich nicht auf einen Begriff einengen lässt.

Das „Europäische Theaterfestival“ unter dem Titel „Fokus Ukraine“ wird noch bis zum  17. April bemerkenswerte Inszenierungen, Uraufführungen und Filme – teils mit Ukrainischen Übertiteln – ins Schauspielhaus bringen. Bei der Eröffnung sprachen auch die Ukrainische Generalkonsulin Iryna Shum und Düsseldorfs OB Dr. Stefan Keller.

2013 auf dem Maidan in Kiew, als es um die Annäherung an Europa auf dem Platz blutige Kämpfe mit der damaligen moskaunahen Regierung gab, hatten die Schauspielerinnen und Musikerinnen von „Dakh Daughters“  ihren ersten Auftritt. Sie hatten sich im Kiewer Kulturzentrum Dakh kennengelernt und sich 2012 gegründet. Inzwischen geht die Kultband auf Tour in Europa.  Und kam eben am vergangenen Donnerstag zum Schauspielhaus zum Auftakt von „Fokus Ukraine“.

Die Offenbarung des Johannes, Shakespeare, Stramm, Reggae …

Die Keyboarderin greift auch schon mal zum Cello oder zum Akkordeon, neben ihr spielt eine Frau Kontrabass, eine Ukrainerin spielt Gitarre. Ihre Texte singen sie in den hohen Obertönen Ukrainischer Musik, mal rau, mal lyrisch zum gestrichenen Kontrabass, dann im rasenden Hiphop-Stakkato. 

Die Ukrainerinnen zitieren Shakespeare, bei den deutschen Übertexten fallen einem sofort die deutschen Expressionisten wie August Stramm ein. Es sind Texte und Bilder vom Krieg, vom Elend, aber auch von der bedrohlichen Gleichgültigkeit.  

„Und der 4. Engel sprach „Wehe wehe denen die auf der Erde wohnen“,

singen sie, im Hintergrund wechseln sich riesig vergrößerte Bilder von Hyronimus Bosch ab mit buntblumigen Manirismen .

„Wir sterben nicht ohne Verstand“, heißt es, aber die Hoffnung wird doch klein, wenn es bald darauf heißt: „Ich will nicht denken, will meine Augen verschließen…“

und „Aber was kann ich schon tun..“ – und fast erwartet der deutsche Zuhörer, dass der 3-4-Takt  mitgeklatscht wird, wie immer. Aber hier wird anders geklatscht, mit den Ulrainerinnen, mit der Ukraine ..

Ein Haus in der Tasche

Zeichnungen von Menschen, Häusern, fast märchenhaft anmutende Comic-Zeichnungen, vielleicht von KI generiert, untermalen den Jazz des Basses, aber die Geschichte der „Heimkehr“ kann in der Ukraine und den Geflohenen und Gestorbenen nur traurig sein: Die Kinder malen sich, als sie weggehen, ein Haus, und je weiter sie weggehen, desto kleiner erscheint das Haus,

„Wenn man von zu Hause flüchtet, wird das Haus im Rücken immer kleiner“, singen die Dakh Daughters. Bis das Haus in die Tasche passt …

Welch reiche musikalische Kultur in der Ukraine lebt, erfahren die Zuschauer durch die Musikstile, die die Dakh Töchter auch mitten in der Performance wechseln, ob Marschrhythmen oder Reggae oder von den Paukenschlägen vorangetriebenen „Zerstört diesen Fels“ …

Wenn sich die Schlagzeugerin mitten auf der Bühne auf die große Trommel setzt, ahnt man, was kommt: Paukenschläge, die niemand unberührt lassen. Harter Schlag der großen Trommel, begleitet vom unbarmherzig harten Knall des Tomtom: Die Schlagzeugerin treibt in ungeraden Takten und auch mit Reggae-Rhythmen unbarmherzig nach vorn.

Aber auch die Flucht vor dem Leid, dem Sterben, besingen die Ukrainerinnen: „Ich will nichts wissen… iwas kann ich schon tun?"

Mit dem Lied „Rosen/ Donbass“ sind sie damals berühmt geworden, jetzt stellen sich bei den Bildern Assoziationen zu dem von den Russen schrecklich zerstörten Mariopol ein.

Wenn die sieben Musikerinnen schließlich still sitzen und den Text der Ukrainerin Olexandra Matwijtschuk, Friedennobelpreis 2022, zuhören,

und dann mit der Ukrainischen Fahne nach vorne stürmen,

dann steht der ganze Saal im Großen Haus in Jubel und Standing Ovations für dieses großartige „Gesamtkunstwerk“ der Dakh Daughters und diese Verneigung vor dem Freiheitskampf der Ukraine gegen Putins Armee.

Besetzung

Mit Natacha Charpe, Natalia Halanevych, Ruslana Khazipova, Solomia Melnyk, Anna Nikitina

Und Tetiana Troitska

Regie Vlad Troitskyi

Sound Simon Auffret

Licht Astkhik Hryhorian

Video Mariia Yakovenko

Kurator Andrii Palantyi

Stage manager Anton Ocheretianyi

Koordinator Viktoriia Fedoriv

Künstlerische Leitung Dakh Daughters Iryna Gorban

Übersetzung Ostap Hrycaj, Irina Bondas

 

Informationen zu weiteren Terminen und noch übrigen Karten unter

https://www.dhaus.de/programm/a-z/fokus-ukraine/

Es gibt abends vor dem Schauspielhaus noch Projekte mit Beleuchtung und Film-Performances, ebenso Veranstaltungen im Foyer, die keinen Eintritt bedingen.