Ausstellung bis 23. Januar im K20 Düsseldorf

Georges Braque. Erfinder des Kubismus. 1906-1914

Georges Braque. Erfinder des Kubismus, Installationsansicht K20, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen 2021/ Foto @ Achim Kukulies

Georges Braque. Erfinder des Kubismus, Installationsansicht K20, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen 2021/ Foto @ Achim Kukulies

Die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen würdigt den in Deutschland bislang zu wenig beachteten Georges Braque als bahnbrechenden Künstler der französischen Avantgarde. Die Ausstellung konzentriert sich auf die wichtigsten Jahre seines Schaffens, auf das besonders spannende und ereignisreiche Frühwerk zwischen 1906 und 1914.

Vor dem Ersten Weltkrieg prägt der junge Georges Braque (1882–1963) mit seinem Freund Pablo Picasso acht Jahre lang die vielleicht revolutionärste Etappe in der Geschichte der modernen Malerei: den Kubismus.

Landschaften und Stillleben sind seine Spezialmotive. Die Ausstellung zeigt, wie Braque in rasanter Abfolge und auf höchstem Niveau die stilistischen Mittel weiterentwickelt oder neu erfindet. Fauvismus, Vorkubismus, Analytischer Kubismus, Papier Collés und Synthetischer Kubismus folgen in einzigartiger Verdichtung aufeinander. Tempo und Intensität der Stilwechsel verblüffen bis heute. Unsere Ausstellung zeigt am Werk Braques den beispielhaften Weg der modernen Kunst von der gegenständlichen zur abstrahierten Wirklichkeitswiedergabe. Rund 60 Meisterwerke aus internationalen Museen, Privatsammlungen und den Beständen der Kunstsammlung Nord-rhein-Westfalen werden zusammengetragen und in einer maßgeschneiderten Architektur im K20 präsentiert.

Die Dynamik des Sehens

Die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg bringen in Westeuropa bahnbrechende Erfindungen, neue Denkweisen und Philosophien und die faszinierende Beschleunigung des Alltags hervor. Dort liegt der Ursprung unseres modernen, medialen Zeitalters, mit dem sich auch die räumlichen und zeitlichen Wahrnehmungsweisen völlig verändern. So eröffnen Automobile, Flugzeuge und Röntgenbilder neue Blickwinkel und dynamische Perspektiven auf die Welt. Das immer populärer werdende Kino mit seinen überraschenden bildtechnischen Möglichkeiten erweitert den Wahrnehmungshorizont und wird zur Inspiration der malenden Avant-garde. In der Werkgeschichte des jungen Braque, der ein begeisterter Kinogänger ist und sich von den neuen Techniken des Films anregen lässt, erscheinen die Ereignisse der Zeit wie in einem Brennglas fokussiert.


Die Ausstellung folgt dieser Faszination und verortet Braques künstlerische Phasen in den historischen Kontext. Filme und dokumentarische Materialien werden in die Ausstellung mit einbezogen, um den Zusammenhang zwischen der Dynamisierung des Alltags und der ästhetischen Formentwicklung in der bildenden Kunst erfahrbar werden zu lassen, aber auch um die Diskrepanz zwischen den visuellen Neuerungen der Vorkriegszeit und der medialen Bilderflut, in der wir heute leben, zu begreifen.

Der Patron der Moderne

Von Braque gibt es keine theoretischen Abhandlungen, kaum Schriftverkehr mit gleichge-sinnten Künstlern. Wer war Georges Braque? Was macht ihn einzigartig innerhalb der Avantgarde am Pariser Montmartre? Braque war radikal im malerischen Ausdruck, stets im Zentrum der Ereignisse. Doch anders als seinen Freund Picasso, den virtuosen, temperamentvollen und sprunghaften Spanier, schildern seine Zeitgenossen den jungen Braque als bedächtig, verlässlich und von großer Intensität. Dem äußerst innovativen, aber „ruhigen, langsam arbeitenden Normannen“ wird in Kunst und Sammlerkreisen Vertrauen geschenkt.

Für Guillaume Apollinaire war Braque sogar der „Patron“ der modernen Kunst!

Der Freund und Dichter wies ihm diese sicherlich zwiespältige Rolle bereits 1912 zu. Für ihn war Braque der „Schutzheilige“, der „Prüfstein“ des Kubismus, und er sollte es bis zum Lebensende bleiben. Selbst viele Jahrzehnte später bekräftigt der renommierte deutsche Kunsthistoriker Gottfried Sello nach dem Tod Braques im Jahr 1963 diese Sichtweise:

„Für Frankreich bedeutet Braque den Garanten künstlerischer Kontinuität. Er hat es fertigge-bracht, seine Nation `en bloc´ von der modernen Malerei zu überzeugen.“

Ausstellung und Katalog versuchen die Liste der Zuschreibungen kritisch zu hinterfragen und damit näher an den wahren Georges Braque heranzukommen.
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Sammlung und deren wissenschaftliche Erforschung sind Bestandteil unseres gesellschaftlichen Auftrags als Museum. Die Ausstellungsidee wurde aus dem Sammlungsbestand der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen heraus entwickelt, die über vier herausragende Werke von Georges Braque verfügt.

Kuratorin: Susanne Meyer-Büser
Die Ausstellung wird unterstützt von HSBC Deutschland.

Publikation

Zur Ausstellung erscheint eine umfangreiche Publikation in deutscher und englischer Sprache im Prestel Verlag. Sechs namhafte Autor*innen beleuchten die Bedeutung Georges Braques im Kontext der Klassischen Moderne, verfolgen dessen künstlerische Etappen bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges und untersuchen die fruchtbare wie schwierige Freundschaft mit dem Ausnahmekünstler Pablo Picasso.
Herausgeber*innen: Susanne Gaensheimer, Susanne Meyer-Büser. Mit Beiträgen von Pe-ter Kropmanns, Brigitte Léal, Véronique Serrano, Jennifer Wild, Michael F. Zimmermann.
Prestel Verlag, München
Ca. 256 Seiten / Preis im Museum: ca. 38,- EURO
zweisprachige Ausgabe (deutsch/englisch)

Der Ausstellungskatalog wird gefördert durch die Ernst von Siemens Kunststiftung.

Biografie – Georges Braque (13. Mai 1882 –31. August 1963)

1882 Geboren in Argenteuil und aufgewachsen in Le Havre (Normandie), Ausbildung zum Dekorationsmaler.
1897 bis 1899 Studium der Malerei an der École des Beaux-Arts in Le Havre.
1900 Umzug und Studium in Paris. Erste Begegnung mit Henri Matisse und den Fauvisten.
1907 Im Sommer besucht Braque die große Retrospektive des Malers Paul Cézanne im Salon d‘Automne, das Studium seiner Werke ist ein Schlüsselerlebnis. Durch den Freund und Dichter Guillaume Apollinaire und den Kunsthändler Daniel Kahnweiler lernt er im Herbst 1907 Pablo Picasso kennen. Daraus entsteht eine rund sieben Jahre andauernde intensive Freundschaft und ein enger künstlerischer Austausch.
Ab 1908 nehmen die Landschaften in Braques Malerei erstmalig geometrische Formen an. In den folgenden Jahren entwickeln Braque und Picasso den Analytischen Kubismus, die Papiers Collés und den Synthetischen Kubismus.
1914 Im August wird Braque zum Kriegsdienst eingezogen, damit endet der Austausch der beiden mental sehr verschiedenen Künstler.
Braque stirbt 1963 und erhält ein Staatsbegräbnis.

Georges Braque - Erfinder des Kubismus. 1906-1914
K20 vom 25. September – 23. Januar 2022
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf