Hamlet ( Christian Friedel) steht am Synthi auf der Bühne mit seiner Band – und es ist wirklich seine Band mit dem Namen aus Shakespeares Macbeth „Woods of Birnam“( Friedel hat mit ihnen bereits drei Alben veröffentlicht). Die Musik, mit der Shakespeares Texte wie etwa das berühmte Stück im Stück „Mausefalle“, vertont wurden, melodiös romantische Balladen oder das pathetische, hard rockige Requiem ganz zu Beginn des Dramas stammen von Friedel und seiner Band. Hamlet erhöht in diesem Requiem seinen Vater, glaubt, der sei vom Bruder und jetzigen König von Dänemark Claudius (Christian Erdmann) ermordet worden. Und verachtet seine Mutter (Claudia Hübbecker), weil die nach dem Mord den Bruder geheiratet hat.
Das Bühnenbild bildet zunächst zwei Ebenen: Während Hamlet unten mit seiner Band spielt und singt und mit Horatio redet, erheben sich hinter und über ihm drei Theater-Logen, in denen König, Mutter, aber auch Ophelia und ihr Vater Polonius sitzen. Im großen Schauspielhaus am Gründgensplatz nutzt Bühnenbildnerin Claudia Rohner die Möglichkeiten und lässt nach den ersten Akten die Theaterlogen in den Hintergrund fahren. Erst zum Schluss, nach Hamlets „Der Rest ist Schweigen“, fahren die Theaterlogen ganz nach vorn.
Oben in der Loge redet Polonius (herrlich komödiantisch Thomas Wittmann) auf seine Tochter sichtlich genervte Tochter Ophelia (Cennet Rüya Voß) ein und will ihr zunächst ihre Liebe zu Hamlet ausreden. Später wird er aber doch die Vorteile eines dänischen Prinzen sehen.
Doch als Ophelia dann Hamlet trifft, ihm seine Liebesbezeichnungen und Briefe wieder geben will, weist der depressiv-aggressive, zynische Hamlet ihre Liebe zurück. Ein wenig auch, weil er sie schützen will vor dem Machenschaften. Und rockt das berühmte „something is rotten“, etwas ist faul im Staate Dänemark.
Hamlet rast, klettert in die Zuschauerreihen, steht auf den Sitzen in Reihe 8 über einer Zuschauerin und knallt in seiner Parforcetour die Texte raus.
Nach dem Spiel im Spiel vom Brudermord (die Mausefalle) wird Hamlet (er ist „ungebührlich“) zur Mutter zitiert, die er verachtet. Und wähnt dort hinter dem Vorhang den Dänenkönig, den er ersticht – doch es ist Pollonius, den er tötet.
Ophelia wird nach dem Tod ihres Vaters wahnsinnig, wird kindlich, reißt sich die Kleider vom Leib, ihr Sprung aus der Logen wird aber von Bruder Laertes (Florian Lange) aufgefangen. Doch Ophelia, von Cennet Rüya Voß intensiv, aber nie überzogen gespielt, wird sich ertränken.
Das Duell mit Laertes spielt Hamlet als Szenische Pantomime, während Ophelia und Pollonius tot auf der Bühne liegen. Wie vorhergesehen, versucht der König, Hamlet beim Duell mit einem Trank zu vergiften, doch es endet in Elisabethanischer Tragödie: Mutter trinkt den vergifteten Kelch, der König stirbt ebenso, Laertes wird tödlich verwundet, und auch Hamlet ist von einem vergifteten Degen getroffen. „Der Rest ist Schweigen.“ Hamlet sterbend ab.
Regisseur Roger Vontobel antwortet auf die klassischen Inszenierungen mit (Selbst-)Ironie: Da gibt das Akkordeon einem norddeutschen Shanty-Gesang die falsche Idylle vor („Dänemark, so schön gelegen am Ostseestrand…“). Und Hamlet spricht den berühmten Monolog „Sein oder Nicht Sein...“ geradezu lässig nachdenklich – später erst sitzt er da mit dem klassischen Totenschädel, sagt „Sein … (Pause) Schädel ...“ und grinst ins Publikum. Es ist das Zwischenspiel mit der Totengräberin, nach dem er dann eine Puppenspielnummer mit dem Schädel abzieht, der ihm mit klappendem Unterkiefer antwortet. Ganz im Sinne Shakespeares, der ja seine Stücke mit den Interludes, den komödiantischen Einlagen, auflockerte.
Das alles ist stimmig: Wer einen klassischen Hamlet in historischen Kostümen sehen möchte, kann ja besser das Stück lesen. Aber vielleicht hat dieser Hamlet mit Rockmusik vom Premierenpublikum mit viel politischer Prominenz (die Namen sparen wir uns) ja nicht alle mitgerissen.
Minutenlanger Jubel und Standing Ovations.
(Autor Jo Achim Geschke)
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