Bonn Park-Uraufführung im D Haus „Keine Sorge (Religion)“

„Keine Sorge ( Religion)“ oder die großen Manipulateure, Bonn Park-Uraufführung im D Haus

Von Jo Achim Geschke |

Keine Sorge (Religion)

Keine Sorge (Religion) mit Lioba Kippe (vorn), Minna Wündrich, Carolin Cousin, Jürgen Sarkiss, Kilian Ponert und Jungen Kammerchor Düsseldorf / Foto © Thomas Rabsch, D Haus

Es ist ein begeisterndes Theaterstück auch über die alltäglichen Verführer und Manipulateure, die Verschwörungsmystiker, die ihre Ideologie wie eine Religion an Mann und Frau und Jugendliche bringen. „Wehe du sorgst dich“, so der liturgische Singsang der Priester und Priesterinnen, die Namen tragen wie „Priesterin des Unkomplizierten“ (Minna Wündrich) oder der „Ahnungslosigkeit“. Und die Schlagworte der Religion und der Verführer werden aufgenommen von einem hinreißenden „Jungen Kammerchor Düsseldorf“, der Choräle und liturgische Gesänge (Komposition Ben Roessler) meisterlich intoniert.

In diesen Zeiten von Ukraine-Krieg und dem Krieg in Israel, mit der Gefahr einen Flächenbrandes, sehnen sich viele Menschen wohl danach, dass alles einfach ist, dass die Unsicherheit aufhört, das „,man“ sich nicht mehr der Mühen des Begriffs und des Denkens begeben musss, dass es einfache Wahrheiten gibt. Die gibt es nicht, aber Pseudoreligionen, Verschwörungsmythen und Manipulateure, ja politische Manipulateurinnen bieten jenseits der Fakten etwas an unter dem Titel „keine Sorgen“ – wenn die Gläubigen nur an diesen ihren Glaubenssätzen festhalten.

Die symbolische, keineswegs abstrakte Kirche

In einer strahlend weißen christlichen Kirche (Bühne Jana Wassong) ordnet sich der Chor – alle mit einer symbolischen Maske vor dem Gesicht – zwischen großen Schubfächer in der Wand ein. Die Choräle Ben Roesslers lassen an große Requiems denken.

Auftritt der vier Priester und Priesterinnen , in Lila-schwarzen Gewändern und mit Bischofshut (Die Priesterin der Anmut Caroline Cousin) oder Symbolen auf dem Kopf.

Das Ei

In der Kirche wird ein riesiges Ei auf den Boden herabgelassen, die Priester:innen umringen es und nehmen Brocken der Wand zu sich, wie eine Oblate.

Aus dem Ei heraus kommt: Ein Kind. Es ist „Das Wunder“ (hervorragend Lioba Kippe), das die wunderbare Entwicklung des Menschen aufzeigt, bis zu „Ich bin jetzt fertig“ als Erwachsene. Lioba Kippe (21) hat bereits bei zwei Produktionen von Bonn Park mitgespielt, unter anderem in der Weltraumoper „Rückkehr zu den Sternen“.

„Alles soll einfach sein, so wie früher“, intonieren Preister:innen und Chor, und : „Ich werde es glauben: Ich werde nicht widersprechen. Ich werde so werden wie ihr es mir gezeigt habt“, so das Kind/ der Mensch/ das Wunder.

Ikea-Altar

Die liturgische Anti-Sorgen-Kritik an der gnadenlosen Konsum-Ideologie zeigt sich bei weiteren Auftritten von  „Wunder“ Lioba Kippe:

Große Kartons werden in der Kirche angeliefert, und nach und Nach wird ein Altar daraus. Die „Priesterin des Unkomplizierten“ Minna Wündrich hat alsbald eine graue Anleitung für den Zusammenbau des „Altaar“ in der Hand, und mit gemessenen Bewegungen wird der große, allseits bekannte Inbus von den Priester:innen herumgereicht, an allen vier Ecken wird der Altar zusammen geschraubt.

Auch die Religion wird vorurteilsfrei von außen betrachtet, „Er baute ein Schiff und dann kam keine Flut“ heißt es einmal.

Auch Anspielungen an die katholischen Sünden gibt’s: „ Ich bin jetzt groß“, sagt das Wunder, ich bin Wollust, Völlerei und Faulheit“.

Ich habe keine Ahnung“, sagt „Der Priester der Ahnungslosigkeit (Jürgen Sarkiss). Und „Der Priester der Demut“ (Kilian Ponert) zerstört die Anmutung seines Namens mit einer Tirade, während er am weißen Waschtisch  mit modernen Mitteln eine rituelle Reinigung vornimmt.

„Das Wunder“ / der Mensch mussschließlich gehen, stirbt. Aber es kommt auch wieder gegen Ende, „Ich habe die neue Welt dabei“ sagt sie.

Im Interview zeigt Autor und Regisseur Bonne Park ebenso wie im Stück, den völlig rationalen Blick auf Riten und Kernsätze vor allem der christlichen Religionen: Im Netz werden Triggerwarnungen vor womöglich grausamen Bildern veröffentlicht, aber wir muten schon Kindern zu, einen grausam Gekreuzigten anzuschauen. Bonne Park will  in „Keine Sorge“ aber auch eine Religion suchen und vielleicht finden die zu uns passt, zu jedem einzelnen.

Was an diesem Premieren-Abend bleibt, ist ein hervorragend in die Zeit passendes Stück als großartige Einheit von geradezu göttlicher Musik, einem großartigen Chor, von Schauspielkunst und äußerst gelungener Inszenierung - die Hoffnung auf rationale Diskussionen.

Langer verdienter Jubel im Schauspielhaus.

Weitere Termine

Di, 24.10. / 19:30 - 21:00

Schauspielhaus — Großes Haus

So, 05.11. / 16:00 - 17:30

Sa, 18.11. / 19:30 - 21:00

Schauspielhaus — Großes Haus

Besetzung

Die Priesterin des Unkomplizierten Minna Wündrich

Der Priester der Ahnungslosigkeit Jürgen Sarkiss

Die Priesterin der Anmut Caroline Cousin

Der Priester der Demut Kilian Ponert

Das Wunder Lioba Kippe

In Kooperation mit der Robert-Schumann-Hochschule und dem Jungen Kammerchor Düsseldorf

Chor

Sopran Hannah Arnst, Melina Dederichs, Cynthia Fedler, Silva Fedler, Valerie Grzandziel, Diana Hartwig, Julia Krumm, Alicia Nsukami, Lena Ruzicka

Alt Lara Elmenhorst, Camilla Grzandziel, Elisa Henzel, Franziska Niermeyer, Marita Ritter, Franziska Schepers, Carina Wagner

Tenor Thomas Brähler, Tom Eichhorn, Lukas Heiwolt, Hendrik Lieser, Matthias J. Lutterbeck, Klaus Müller

Bass Ulrich Bender, Jakob Ertl, Claudio Krott, Michael Mansion, Jakob Rhode-Brähler, Jannis Verhoeven

 

Live-Musik und Korrepetition Hajo Wiesemann / Matts Johan Leenders

Regie und Text Bonn Park

Komposition Ben Roessler

Musikalische Leitung Hajo Wiesemann

Chordirigat Jean-Philippe Apel / Hyoeun Kirn / Haena Yun

Bühne Jana Wassong

Kostüm Julia Nussbaumer, Ragna Hemmersbach

Licht Jean-Mario Bessière

Dramaturgie Janine Ortiz

www.dhaus.de

Autor und Regisseur:

Bonne Park, 36, geboren in Berlin, Bonn Park studierte Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Seine Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Friedrich-Luft-Preis, dem Anna Seghers-Preis und beim Stückemarkt des Berliner Theatertreffens. Er inszeniert und schreibt für Theater in Belgrad, Seoul, München und Hamburg. Mit dem Komponisten Ben Roessler, der große symphonische Arrangements schafft, verbindet ihn eine kontinuierliche Zusammenarbeit.

. Am Jungen Schauspiel des Düsseldorfer Schauspielhauses inszenierte er »Bambi & Die Themen« (Text und Regie: Bonn Park). Zudem brachte er am D’haus »Rückkehr zu den Sternen (Weltraumoper)« als Zusammenarbeit mit dem Komponisten Ben Roessler zur Uraufführung. In der Spielzeit 2023/24 inszeniert Bonn Park »Keine Sorge (Religion)« ebenfalls mit Musik von Ben Roessler im Großen Haus.

Bonn Park bei Wikipedia:

https://de.wikipedia.org/wiki/Bonn_Park