In diesen Zeiten von Ukraine-Krieg und dem Krieg in Israel, mit der Gefahr einen Flächenbrandes, sehnen sich viele Menschen wohl danach, dass alles einfach ist, dass die Unsicherheit aufhört, das „,man“ sich nicht mehr der Mühen des Begriffs und des Denkens begeben musss, dass es einfache Wahrheiten gibt. Die gibt es nicht, aber Pseudoreligionen, Verschwörungsmythen und Manipulateure, ja politische Manipulateurinnen bieten jenseits der Fakten etwas an unter dem Titel „keine Sorgen“ – wenn die Gläubigen nur an diesen ihren Glaubenssätzen festhalten.
Die symbolische, keineswegs abstrakte Kirche
In einer strahlend weißen christlichen Kirche (Bühne Jana Wassong) ordnet sich der Chor – alle mit einer symbolischen Maske vor dem Gesicht – zwischen großen Schubfächer in der Wand ein. Die Choräle Ben Roesslers lassen an große Requiems denken.
Auftritt der vier Priester und Priesterinnen , in Lila-schwarzen Gewändern und mit Bischofshut (Die Priesterin der Anmut Caroline Cousin) oder Symbolen auf dem Kopf.
Das Ei
In der Kirche wird ein riesiges Ei auf den Boden herabgelassen, die Priester:innen umringen es und nehmen Brocken der Wand zu sich, wie eine Oblate.
Aus dem Ei heraus kommt: Ein Kind. Es ist „Das Wunder“ (hervorragend Lioba Kippe), das die wunderbare Entwicklung des Menschen aufzeigt, bis zu „Ich bin jetzt fertig“ als Erwachsene. Lioba Kippe (21) hat bereits bei zwei Produktionen von Bonn Park mitgespielt, unter anderem in der Weltraumoper „Rückkehr zu den Sternen“.
„Alles soll einfach sein, so wie früher“, intonieren Preister:innen und Chor, und : „Ich werde es glauben: Ich werde nicht widersprechen. Ich werde so werden wie ihr es mir gezeigt habt“, so das Kind/ der Mensch/ das Wunder.
Ikea-Altar
Die liturgische Anti-Sorgen-Kritik an der gnadenlosen Konsum-Ideologie zeigt sich bei weiteren Auftritten von „Wunder“ Lioba Kippe:
Große Kartons werden in der Kirche angeliefert, und nach und Nach wird ein Altar daraus. Die „Priesterin des Unkomplizierten“ Minna Wündrich hat alsbald eine graue Anleitung für den Zusammenbau des „Altaar“ in der Hand, und mit gemessenen Bewegungen wird der große, allseits bekannte Inbus von den Priester:innen herumgereicht, an allen vier Ecken wird der Altar zusammen geschraubt.
Auch die Religion wird vorurteilsfrei von außen betrachtet, „Er baute ein Schiff und dann kam keine Flut“ heißt es einmal.
Auch Anspielungen an die katholischen Sünden gibt’s: „ Ich bin jetzt groß“, sagt das Wunder, ich bin Wollust, Völlerei und Faulheit“.
Ich habe keine Ahnung“, sagt „Der Priester der Ahnungslosigkeit (Jürgen Sarkiss). Und „Der Priester der Demut“ (Kilian Ponert) zerstört die Anmutung seines Namens mit einer Tirade, während er am weißen Waschtisch mit modernen Mitteln eine rituelle Reinigung vornimmt.
„Das Wunder“ / der Mensch mussschließlich gehen, stirbt. Aber es kommt auch wieder gegen Ende, „Ich habe die neue Welt dabei“ sagt sie.
Im Interview zeigt Autor und Regisseur Bonne Park ebenso wie im Stück, den völlig rationalen Blick auf Riten und Kernsätze vor allem der christlichen Religionen: Im Netz werden Triggerwarnungen vor womöglich grausamen Bildern veröffentlicht, aber wir muten schon Kindern zu, einen grausam Gekreuzigten anzuschauen. Bonne Park will in „Keine Sorge“ aber auch eine Religion suchen und vielleicht finden die zu uns passt, zu jedem einzelnen.
Was an diesem Premieren-Abend bleibt, ist ein hervorragend in die Zeit passendes Stück als großartige Einheit von geradezu göttlicher Musik, einem großartigen Chor, von Schauspielkunst und äußerst gelungener Inszenierung - die Hoffnung auf rationale Diskussionen.
Langer verdienter Jubel im Schauspielhaus.
Weitere Termine
Di, 24.10. / 19:30 - 21:00
Schauspielhaus — Großes Haus
So, 05.11. / 16:00 - 17:30
Sa, 18.11. / 19:30 - 21:00
Schauspielhaus — Großes Haus
Besetzung
Die Priesterin des Unkomplizierten Minna Wündrich
Der Priester der Ahnungslosigkeit Jürgen Sarkiss
Die Priesterin der Anmut Caroline Cousin
Der Priester der Demut Kilian Ponert
Das Wunder Lioba Kippe
In Kooperation mit der Robert-Schumann-Hochschule und dem Jungen Kammerchor Düsseldorf
Chor
Sopran Hannah Arnst, Melina Dederichs, Cynthia Fedler, Silva Fedler, Valerie Grzandziel, Diana Hartwig, Julia Krumm, Alicia Nsukami, Lena Ruzicka
Alt Lara Elmenhorst, Camilla Grzandziel, Elisa Henzel, Franziska Niermeyer, Marita Ritter, Franziska Schepers, Carina Wagner
Tenor Thomas Brähler, Tom Eichhorn, Lukas Heiwolt, Hendrik Lieser, Matthias J. Lutterbeck, Klaus Müller
Bass Ulrich Bender, Jakob Ertl, Claudio Krott, Michael Mansion, Jakob Rhode-Brähler, Jannis Verhoeven
Live-Musik und Korrepetition Hajo Wiesemann / Matts Johan Leenders
Regie und Text Bonn Park
Komposition Ben Roessler
Musikalische Leitung Hajo Wiesemann
Chordirigat Jean-Philippe Apel / Hyoeun Kirn / Haena Yun
Bühne Jana Wassong
Kostüm Julia Nussbaumer, Ragna Hemmersbach
Licht Jean-Mario Bessière
Dramaturgie Janine Ortiz
Autor und Regisseur:
Bonne Park, 36, geboren in Berlin, Bonn Park studierte Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Seine Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Friedrich-Luft-Preis, dem Anna Seghers-Preis und beim Stückemarkt des Berliner Theatertreffens. Er inszeniert und schreibt für Theater in Belgrad, Seoul, München und Hamburg. Mit dem Komponisten Ben Roessler, der große symphonische Arrangements schafft, verbindet ihn eine kontinuierliche Zusammenarbeit.
. Am Jungen Schauspiel des Düsseldorfer Schauspielhauses inszenierte er »Bambi & Die Themen« (Text und Regie: Bonn Park). Zudem brachte er am D’haus »Rückkehr zu den Sternen (Weltraumoper)« als Zusammenarbeit mit dem Komponisten Ben Roessler zur Uraufführung. In der Spielzeit 2023/24 inszeniert Bonn Park »Keine Sorge (Religion)« ebenfalls mit Musik von Ben Roessler im Großen Haus.
Bonn Park bei Wikipedia: