Ein König Lear in „Tatort“-Länge von einer Stunde 45Minuten. Großartig das Bühnenbild (Etienne Pluss): Auf der Drehbühne erhebt sich meterhoch majestätisch der Thron und die mittelalterlich bis barock anmutende Sitzreihe des Chorgestühls. Dreht sich die Bühne, erscheint eine angedeutete Szenerie außerhalb einer Burg oder einem Schloss, und die Heide ist eine vermüllte Szenerie. Dabei kippt das Bild und verbindet alte und Jetzt-Zeit, denn in der vermüllten Ecke stehen nicht Holzkübel, sondern blecherne Mülltonnen und ein Kinderfahrrad.
Zwei Töchter des Lear tragen schwarze Reifrock-Kostüme, nur die dritte, Cordelia, trägt weiß – zunächst. Ihre Heirat mit dem französischen König und ihre Rückkehr wird hier nicht ausgespielt.
Weil er alt wird, und die Macht abgeben will, teilt Lear teilt sein Reich in Drittel, jedes für eine Tochter vorgesehen, wenn sie denn ihm ihre Liebe zeigen. Doch nachdem zwei der Töchter ihm geschmeichelt haben, fehlen Cordelia (ausgezeichnet Jule Schuck ) die richtigen Worte. Sie, die ihn wirklich liebt, argumentiert eher rational. Lear aber stößt sie den Thron herunter und verbannt sie.
Beeindruckende Cordelia
Die Töchter verbünden sich gegen den alten König, weil sie ihm misstrauen und ihnen ihre Macht näher ist als ihre Reifröcke. Sie verbünden sich mit Edmund (Valentin Stückl mit Sixpack), der sich als äußerst egoistischer Opportunist zeigt.
Cordelia taucht in Armut und Müll wieder auf. Jule Schuck spielt beeindruckend die zitternde Wahnsinnige vor dem abgedankten König, der jetzt in einfachem Hemd und Hose dasteht.
Die Töchter bringen sich in diesem Drama letztlich gegenseitig um, und der intrigante Edmund tötet Cordelia und kann sich Hoffnung auf das Königreich machen.
Burghart Klaußner souverän
Burghart Klaußner spielt diesen König, diesen alternden Mann im Verlust der Macht, gewohnt souverän. Mal reflexionslos herrisch, mal orientierungslos. Klaußner schreitet hahnenstolz einher oder trippelt wie ein betagter Mann durch den Müll. Kritisiert wird dieser Lear nur vom Narren - hier mitreißend und Klaußner / Lear ebenbürtig gespielt von Anne Müller, die man gerne öfter sehen würde in Düsseldorf.
Dieser Lear ist durchaus ein gescheiterter Machtmensch. Aber am Ende setzt sich bei ihm doch eine idealisierte Liebe durch. Ein hoffnungsvoller Ansatz in Zeiten von Krieg und grausamer Politik. Aber dass Lear letztlich in Liebe zu seiner Tochter endet, die ja ihn geleibt hat – ist wohl eine Hoffnung die wohl in zeiten wachsender Wehretats und menschenverachtender Politik nicht wirkt. Lear lobt die Liebe, obwohl er sie mit Cordelia verbannt hatte, aber alle die in diesem Stück lieben, die enden allein.
King Lear ist schon zum Mythos geworden, gilt überhöht als die Meisterklasse für Schauspieler, was Titov und Klaußner im Interview (Programmheft) deutlich relativieren. Dieser König als entmythologisierter Lear ist eine Interessante Uminterpretation des so oft gespielten Lear, die aber am Ende nicht restlos begeistern kann. Obwohl die Schauspieler*innen großartig aufspielen, und vor allem Anne Müller als Narr und die junge Jule Schuck als Cordelia.
Langer Beifall.
Besetzung
König Lear Burghart Klaußner
Goneril Jenny Schily
Regan Friederike Wagner
Cordelia Jule Schuck
Kent Manuela Alphons
Edmund Valentin Stückl
Narr Anne Müller
Regie Evgeny Titov
Bühne Etienne Pluss
Kostüm Esther Bialas
Musik Moritz Wallmüller
Licht Konstantin Sonneson
Dramaturgie Janine Ortiz
Dauer 1 Stunde 45 Minuten — keine Pause
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