Leonce und Lena mit Jugendlichen im Schauspielhaus

Leonce und Lena oder wie ist sie denn, die Generation Z ?

Von Jo Achim Geschke |

Leonce und Lena D Haus

Leonce und Lena, Schauspielhaus, Stadt:kollektiv, Ensemble /Foto (C) Th. Rabsch D Haus

Sie singen, sie tanzen Ballett, sie schreien, sind mal melancholisch und dann wieder heftig drauf, und zeigen dabei ein beeindruckend großartiges Talent für die Bühne: 15 Jugendliche beherrschen mit einem mitreißenden Wechsel von Frustschrei und leisen Tönen die Bühne bei einer Adaption von Georg Büchners „Leonce und Lena“ vom „Stadt:Kollektiv“ im Düsseldorfer Schauspielhaus.

Mal spielt ein Jugendlicher mit Counter-Tenor-Stimme den Leonce, mal ein Mädchen, es könnte aber auch Lena sein, denn die Rollen wechseln zwischen den jungen Darsteller:innen. Schon wenn sie die Bühne aus dem Saal heraus betreten oder zwischen den ersten Sitzreihen entlang tanzen, wird der gesamte Raum eingenommen. Und immer wieder verlassen die Darsteller:innen den Büchnerschen Text und kommentieren aus ihrer eigenen Erfahrung.

Büchner schrieb das Stück als Lustspiel 1836, aufgeführt erst 1895, aber es ist ein echter Büchner und hat auch sehr kritische, satirische Töne etwa zur Kleinstaaterei im damaligen Preußen / Deutschland, und auch die Beschränktheit der Fürsten hat ihre Szene.

In der Besetzungsliste stehen alle Namen gleichwertig, niemand ist als Lena oder Leonce angegeben, außer dem alten König (Hartmut Misgeld ). In  ihrer Inszenierung stellt Regisseurin Nora Schlocker  mit den jugendlichen Laien den Frust der Jugendlichen nach vorn, den Frust, der sich in heftigen Schreien artikuliert, die Unsicherheit und die Befreiung von den Zwängen der Erwachsenen. Die Reifröcke und Halskrausen, die noch zu Beginn die Kostüme beherrschten, werden alsbald abgelegt.

„Warum kann ich mir nicht wichtig werden?“, sagt eine der Darstellerinnen.

Wenn eine der jungen Frauen sich Schritt für mühsamen Schritt aus einem lilafarbenen Leichentuch heraus schält, kann die Entwicklung kaum besser dargestellt werden.

Und als der Mond langsam auf die Bühne herabschwebt und schließlich einen der Jugendlichen fast hinabdrückt, fallen einem sofort die vielen Darstellungen vom antiken Sisyphos und seinem Kugelfelsen ein: Die Absurdität des Immer wieder den Berg hoch …. Oder auch: Für was soll ich im Hamsterrad Karriere machen?

„Frau Leben Freiheit“

Bedrückend die Szene, in der ein mitspielender Iraner sein Gedicht über den Mond rezitiert, das von der Gewalt gegen Menschen, vor allem Frauen im Iran handelt, und das mit dem Ruf der Iranerinnen „Frau Leben Freiheit“ endet.

Allerdings: Wenn Schulklassen die Aufführung des „Stadt:Kollektivs“ (ehemals Bürgerbühne) besuchen – und das sei ausdrücklich empfohlen – dann sollten sie das Stück kennen.

Von Langeweile bis Automatenmensch

Leonce ist gelangweilt, geradezu deprimiert, auch der alte König vom Reich Popo will der Langweile entfliehen und will daher eine Hochzeit mit der Prinzessin Lena vom Reich Pipi arrangieren. Weder leonce noch Lena wollen da mitmachen und flüchten. Dabei treffen sie sich auf dem Weeg nach Italien. Und verlieben sich ineinander.

Der Diener von Leonce arrangiert daraufhin einen vermeintlichen Trick: Leonce und Lena werden als Automatenmenschen vorgestellt.

Und die heiraten tatsächlich, als Automaten, vermeintlich „in effigie“, also stellvertretend als Bild für die eigentlichen Menschen. Wenn sie mal nach La Rochelle kommen, gehen Sie unbedingt in das Automatenmuseum dort mit seinen Automatenmenschen !).

Und schließlich feiern alle und sind froh.

Und was macht so Sinn?

Aber sie stellen schon die Fragen, mit der auch die „Generation Z“ verbunden wird: Danach, ob das alles an Lebens-Sinn ist, dieses sich kaputt arbeiten für eine Karriere, für noch mehr Gehalt und Boni, für Häuschen und Auto und Urlaub – auf den Inseln, die bald im steigenden Meer versunken sind?

Und während es im Original am Ende heißt: „… dann legen wir uns in den Schatten und bitten Gott um Makkaroni, Melonen und Feigen, um musikalische Kehlen, klassische Leiber und eine kommode Religion!“ sprechen die Jugendlichen von leckerem Döner und Musik auf Spotify.

Langer Jubel und Applaus vor allem für die jungen wirklich  talentierten Darstellerinnen.

Weitere Termine unter

www.dhaus.de

Besetzung

Leonce, Lena, Rosetta, Valerio, ein Diener und sie selbst:

Raphael Abilgaard, Lucie von Chamier, Adrian Geulen, Fynn Gregorius, Lotte Greiffenhagen, Sharjil Khawaja, Maxim Kirsa-Straubel, Robert Meyer Garcia, Julian Müller-Landsvik, Timuçin Ökmen, Maja Pindek Rabrenovic, Yeva Portnova, Elias Salman Dast Mozeh, Helena Schön, Amelie Wilkens

König Peter vom Reiche Popo Hartmut Misgeld / Barbara Tepe

Regie Nora Schlocker

Bühne und Kostüm Jana Findeklee und Joki Tewes

Mitarbeit Kostüm Maria Lucía Otálora Cebalos

Musik Marco Girardin

Choreografie Sabina Perry

Dramaturgie Birgit Lengers

Dauer

1 Stunde 15 Minuten — keine Pause

Nächste Vorstellung  vor Weihnachten, Di, 19.12. / 20:00 - 21:15

sowie im Januar

Schauspielhaus — Kleines Haus