Gotthold Ephraim Lessing schrieb das Stück 1776 / 77, nach dem Siebenjährigen Krieg, an dem neben Preußen und Sachsen noch sehr viele Länder beteiligt waren. Der preußische Major von Tellheim kommt mit einem gelähmten Arm aus dem Krieg und ist pleite. Versuche seines Dieners Justus (Jonas Friedrich Leonhardi ) und seines ehemaligen Wachtmeisters (Florian Lange), ihm mit Tricks Geld zuzustecken, scheitern, Tellheim will kein Geld. Er zeigt sich auch als moralisch integrer Vorgesetzter.
Minna von Barnhelm ist mit ihrem „Mädchen“ und Vertrauter Franciska von Sachsen aus nach Berlin gereist, um ihren Verlobten Tellheim zu suchen. Sie nächtigen im Rasthof, dessen Wirt ( mit Stock und heraushängender Krawatte unter der Strickweste Thomas Wittmann) gerade Tellheim aus dem Zimmer warf, in dem nun Minna und Franciska übernachten, ohne davon zu wissen.
Tellheim hat seinen kostbaren Verlobungsring beim Wirt versetzt. Als der – preußisch langsam überkorrekt – die Namen der beiden Frauen für die Polizei aufschreibt, kommt er auch auf den Ring zu sprechen. Und Minna erkennt ihn. Damit beginnt die Auseinandersetzung mit Tellheim, die Minna mit Vernunft – und List – für sich entscheidet.
Wie Minna Wündrich diesen Wechsel von der sehnsüchtig liebenden zur klug und vernünftig argumentierenden Frau vollzieht, ist großartig. Ohnehin ist es von Wündrich und immer wieder von Lea Ruckpaul/ Franciska großartige Schauspielkunst, das Komödiantische immer an dieser Grenze herauszuspielen, ohne in den platten Klamauk abzudriften.
Gleichberechtigung und Lob der Streitkultur
Tellheim hat mit einer großen Geste im Krieg die Bevölkerung vor dem Hungern bewahrt, wird deswegen aber entlassen und fühlt sich entehrt. Er fühlt sich Minnas nicht wert und will sie deshalb nicht mehr heiraten. Aber Minna führt ihn mit Vernunft zurück. Beide sind, das ist das Erstaunliche auch für Regisseur Andreas Kriegenburg, für ein Stück von Lessing erstaunlich gleichberechtigt.
„Gleichheit ist allein das glückliche Band der Liebe“, sagt Minna einmal zu Tellheim.
Für Kriegenburg ist das einer der Werte der Lessingschen Komödie, wie im Programmheft nachzulesen: Diese Gleichberechtigung, dazu die Pflege der Streitkultur, das Hochhalten von Werten, die unsere Demokratie pflegen statt spalten könnten. Und in der das Triviale, das Dumme und Populistische, nicht die Oberhand gewinnt.
Dabei bringt Lea Ruckpaul ihr bemerkenswert überzeugendes komödiantisches Können bis in die Zehenspitzen auf die Bühne. Bis hin zur Schlussszene, wenn sie ihrem „Wachtmeisterchen“ einen Antrag macht. Und wenn zuvor ihre Franciska mit ihrer großen Klappe und rasend schnell den alten Spieler Ricaud abkanzelt, bekommt sie den verdienten Szenenapplaus.
Ricaud ist der Düsseldorfer Wolfgang Reinbacher, eine Theaterlegende – Reinbacher stand schon 1970 bei der Eröffnungsvorstellung des neuen Schauspielhauses auf der Bühne und ist inzwischen 83 Jahre alt.
Das alles spielt sich auf einer Drehbühne ab, die mit einem Berg von chaotisch gestapelten Stühlen die Idee von Ruinen wiedergibt, und in deren Nischen die Szenen etwa im Gasthof, mit einem alten Stahlrohr-Bett, oder auf einem extra Rund spielen. Regisseur Kriegenburg schuf auch dieses Bühnenbild.
Langer langer und sehr verdienter Jubel zum Schluss für Schausspieler_innen und Inszenierung.
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