„Es gibt keine unschuldigen Parkanlagen“, stellt der Gartendenkmalpfleger Claus Lange fest.

Nordpark: „DIE FÜHRUNG“ mit Morgan Nardi und Kathrin Spaniol. Audio-Performance-Walk vom 1. bis 5. Juni 2022

Morgan Nardi und Kathrin Spaniol © Melanie Zanin

Morgan Nardi und Kathrin Spaniol © Melanie Zanin

GOLZHEIM. Wasserspiele, weitläufige Rasenflächen, ein alter Baumbestand und seit den 1970er Jahren auch ein japanischer Garten – der Düsseldorfer Nordpark ist vielfältig und bunt. Die aktuelle Stadtgesellschaft Düsseldorfs nutzt die Grünanlage zu Erholungs- und Freizeitzwecken und genießt den rund 37 Hektar großen Park heute zu jeder Jahreszeit. Und doch: „Es gibt keine unschuldigen Parkanlagen“, stellt der Gartendenkmalpfleger Claus Lange fest. Und so wurde auch der Nordpark nach nur rund eineinhalb Jahren Vorbereitungs- und Bauzeit 1937 als nationalsozialistische Propagandaschau „Reichsausstellung Schaffendes Volk“ freigegeben.

Damals strömten über sechs Millionen Menschen aus dem In- und Ausland an den Rhein, um hier das „neue deutsche Wohnen“, das „neue deutsche Arbeiten“ und die „neue deutsche Kunst“ zu sehen. Von dem realisierten Konzept sind bis heute die Parkanlage des Nordparks, die anschließenden Mustersiedlungen – die Wilhelm-Gustloff-Siedlung, heute Nordparksiedlung in Stockum, und die Siedlung „Schaffendes Volk“, ab 1937 Schlageterstadt, heute Golzheimer Siedlung, im südlichen Teil - sowie ein breit ausgebauter Abschnitt der Kaiserswerther Straße erhalten. Bis in die Gegenwart zeugt der Park von faschistischen Visionen, Überschreibungen, Umgestaltungen und Missverständnissen: von der Politik des Gartenbaus und der Stadtplanung.

Mit ihrem Performance-Walk „Die Führung“ laden nun die Düsseldorfer Choreograf*innen Kathrin Spaniol und Morgan Nardi zu einem Gang durch die Geschichte, Gegenwart und Zukunft ein: Mit allen Sinnen geht es vorbei an den Skulpturen der 1930er Jahre und den Blumenanlagen der 1960er. Ausgestattet mit Kopfhörern, MP3-Playern und dem eigenen Smartphone laden die Kunstschaffenden die Besuchenden dazu ein, den Park vollkommen neu zu entdecken, Geschichten zu hören, Geschichte zu erleben und virtuelle Realitäten der Zukunft zu sehen. Immer wieder tauchen bei ihrem Walk Irritationen im Park auf, Reflexionen aus der Vergangenheit, kunstvolle Kreationen zeitlicher Echos. „So“, versprechen die Künstler Kathrin Spaniol und Morgan Nardi, „wird der Blick frei für die Landschaft, den inszenierten Raum und den Zufall. Wir schärfen die Wahrnehmung aller Teilnehmenden, zu denen schließlich der Park selber spricht.“

Insbesondere die Kollision der Zeitebenen führt dabei zu einer außergewöhnlichen Wahrnehmung der mitunter gewohnten Umgebung, dann, wenn sich die Teilnehmenden des Audio-Performance-Walks audiovisuell bei der rund einstündigen Veranstaltung einerseits mit dem Ort, andererseits mit den unterschiedlichen Zeitebenen – historisch, gegenwärtig und fiktional – auseinander setzen. Dabei ist der Performance-Walk – insbesondere auch vor dem Krieg in der Ukraine – hoch aktuell. So stellen die Choreograf*innen bei der Performance doch auch die Frage nach der eigenen Verantwortung vor der Fragilität des bekannten Wertesystems: Wie hätte – und mindestens ebenso spannend – wie würde ich mich im zeitlichen und politischen Kontext von Propaganda und deren Wirkungsebenen verhalten? Die Teilnehmenden des Performance-Walks können sich so mit den insgesamt rund 15 beteiligten Künstlerinnen und Künstlern auf Spurensuche begeben, den Nordpark als einzigartigen Ort und gleichsam als Protagonisten und die Performance-Kunst als Bewusstsein-schaffende Kraft erleben.

Termine

Mittwoch, 1. Juni 2022, 19 Uhr
Donnerstag, 2. Juni 2022, 19 Uhr
Freitag, 3. Juni 2022, 19 Uhr
Samstag, 4. Juni 2022, 18 Uhr
Sonntag, 5. Juni 2022, 18 Uhr

Treffpunkt

jeweils Eingang Nordpark, Kaiserswerther Straße 380, Düsseldorf,
U-Bahnhaltestelle U78 / U79 Nordpark/Aquazo

Anmeldung

ab sofort möglich unter https://www.fft-duesseldorf.de/spielplan/die-fuehrung;
der Eintritt ist frei, eine barrierefreie Teilnahme ist möglich. Die Gruppengröße ist auf 20 Teilnehmende pro Veranstaltung limitiert.

 

Kathrin Spaniol

Tänzerin, Choreografin, Dozentin

Nach einer Ausbildung zur Werbekauffrau und einem Studium der Soziologie, Sport- und Medienwissenschaften studierte Kathrin Spaniol Tanz am European Dance Development Center (EDDC) in Arnheim/NL. Als Tänzerin arbeitete sie mit verschiedenen Choreografen wie Carlos Cortizo, Rui Horta sowie an den Städtischen Bühnen Münster. 2001 gewann sie zusammen mit Morgan Nardi den 1.Preis „Tendances“ in Luxemburg. Sie nahm am „Laboratoire Dance Link CH &NRW“ in Lausanne sowie am Artist Labor des festivals kairobeirut teil. Von 2007 bis 2015 entwickelte sie koproduziert vom tanzhaus nrw eigene Choreografien, die auf zahlreichen nationalen und internationalen Festivals große Beachtung fanden, u.a. in Mailand und Taipeh. Ein wiederkehrender Ansatz ihrer Arbeit ist die humorvolle und poetische Untersuchung des individuellen und kollektiven menschlichen Scheiterns. Zusammen mit Morgan Nardi kreierte sie in den letzten 5 Jahren die Stücke „Flop“ (2016), „Deluxe“ (2017) im Düsseldorfer Kunstraum sowie „Das geheime Projekt“ (2019) und „Laudatio“ (2020), koproduziert vom FFT in den FFT Kammerspielen. Kathrin Spaniol ist außerdem Dozentin für modernen und zeitgenössischen Tanz.

Morgan Nardi

Performer, Choreograph, Mentor

Morgan Nardi studierte Tanz und Theater in Italien, Frankreich und Deutschland und war u.a. Ensemblemitglied bei NEUER TANZ in Düsseldorf. Seit 2001 ist er als Choreograf und Regisseur im Bereich Tanz und Performing Arts in Nordrhein-Westfalen und im Ausland tätig. Morgan Nardi entwickelte seit 2010 eine Reihe von Projekten in Zusammenarbeit mit Performern, Musikern und bildenden Künstlern aus verschiedenen Ländern. In seinen Arbeiten interessieren ihn Fragen nach Geschlecht und Macht.
Düsseldorf ist zur Basis seiner Tätigkeit geworden, die allerdings immer auch überregional ausgerichtet ist. Zum Fundament seiner interdisziplinären Arbeit gehört neben den lokalen Partnern auch ein beständiges Netzwerk zu internationalen Veranstaltern und Künstlern aus unterschiedlichen Bereichen.
Als Koproduktionspartner der letzen Jahre sind z.B. das tanzhaus nrw, das FFT in Düsseldorf, PACT Zollverein in Essen, Mousonturm in Frankfurt, La Ferme de Buisson, Paris und das Danceforum Nairobi, Kenya aufgetreten.
Morgan Nardi nutzt Stilmittel des Physical Theatre und der Performing Arts, da er Theater als eine lebendige Erfahrung begreift, die sich über authentische Körper und Bewegungen manifestiert. Seine Performances sind immer interdisziplinär, vom Mut zur Grenzerfahrung geprägt sowie von einer tiefgründigen Poesie, vorgetragen mit der Leichtigkeit einer großen Spielfreude. Gleichzeitig nutzt er auch Elemente aus der Subkultur. Seine Stücke kreisen um die Frage, ob sein künstlerisches Schaffen etwas in der alltäglichen gesellschaftlichen Realität verändern kann. Aus diesem Grund ist es ihm ein Anliegen, die Ohnmacht der durch die Gesellschaftsordnung Unterdrückten durch intensive Recherche zu ergründen und auf die Bühne zu bringen. Die Bühne ist für ihn ein Ort, um diejenigen Potenziale auszuloten, die durch die Kunsterfahrung einen Diskurs beim Publikum anstoßen und damit einen unmittelbaren Weg in die Gesellschaft finden. Sein Ziel ist es, einen Ort des Austauschs von unterschiedlichen Kulturen und Künstlern zu schaffen.