Prima Facie, Drama von Suzie Miller, im Schauspielhaus Düsseldorf

„Prima Facie“ mit hervorragender Lou Strenger oder Die Verletzungen der Frauen vor Gericht

Von Jo Achim Geschke |

Prime Facie Lou Strenger

Prima Facie mit Lou Strenger / Foto © Sandra Then D Haus

„Irgendwas muss sich ändern“, heißt es am Ende des aufrührenden Stückes. Diese Erkenntnis bezieht sich nicht nur auf die juristische Frage, die im 2022 erschienenen Werk „Prima Facie“ von Suzie Miller behandelt ist. Lou Strenger macht in der Inszenierung von Philipp Rosendahl den – auch für die Zuschauer:innen – schmerzhaften Prozess erfahrbar, der einer Frau vor Gericht als Klägerin bei Vergewaltigung droht.

Die Scheinwerfer der Bühne beleuchten den Saal, als Tessa Ensler (Lou Strenger) aufritt, von Beginn an ist klar: Die Zuschauer sind Teilnehmende, sind jene, die den ersten Anschein beurteilen werden. Auch wenn auf der Bühne eine Reihe von Kino- oder Theater-Sesseln eine abstrakte, allgemeine Menge Zuschauer:innen andeuten. Lou Strenger schafft in diesem Ein-Personen-Drama, das von der Schauspielerin immens viel fordert, die Wandlung der erfolgreichen Juristin zur verletzten, verunsicherten Frau vor Gericht und dem Rechtssystem schlüssig darzustellen.

Anscheinbeweis - prima Facie

Juristisch ist ein Anscheinbeweis einer, der nach Lebenserfahrung einen typischen Geschehensablauf als richtig annehmen lässt. Die Prozessgegner können allerdings dagegen halten, dass es sich nicht um einen typischen Ablauf im fraglichen Geschehen handelt.

Es ist also eine ethisch moralische Frage, eine von den gesellschaftlichen Verhältnissen geprägten Urteils-Meinung. Egal, ob im angelsächsischen Rechtssystem oder im Deutschen.  

Lou Strenger, am D Haus schon bekannt aus „Cabaret“ und „Dreigroschenoper“, spielt die Tessa Ensler zunächst mit überbordender Agilität: Sie hat sich aus einer Vorstadt im Jura-Studium gegen reichere Söhne und Töchter auf einer Eliteuni durchgesetzt und berichtet nun, wie sie – „Bang“ –in einem Prozess die Angeklagte verunsichert hat, den Gegenbeweis antritt und – Bang – gewinnt.  Es ging und geht in ihren Prozessen um sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen.

Rechtsanwältin Ensler / Strenger schildert auch, wie sie mit dem Arbeitskollegen in ihrem Büro flirtet, den sie attraktiv findet, wie sie mit ihm schläft und schließlich in seiner Wohnung, vom Wein betrunken,  nicht mit ihm schlafen will, aber von ihm vergewaltigt wird.

Zwei  Jahre warten

Die selbstsichere Rechtsanwältin Ensler / Strenger steht plötzlich buchstäblich im Regen da, und bar jeder Selbstsicherheit muss sie sich fragen: Kann sie gegen den Mann, der einen reichen Vater und teuren Anwalt hat, schlüssig die Vergewaltigung beweisen – prima facie.

Lou Strenger schafft es auf der Bühne mit den Kino-Sesseln, diese plötzliche Unsicherheit der ehemals erfolgreichen Frau sichtbar zu machen.

Sie muss mehr als zwei Jahre auf den Prozess warten, die quälende Wartezeit erscheint auf der Bühne als der Ablauf der Zahlen bis mehr als 730: Auch das eine Anklage an das Rechtssystem.

Suzie Miller hinterfragt in Prima Facie dem ersten Anschein nach (juristisch prima facie)  durchaus ihren eigenen früheren Beruf als Juristin. Aber es ist eben mehr:

Die Frage nach Gerechtigkeit, und die Frage warum Frauen in Prozessen wegen sexueller Übergriffe und Vergewaltigung benachteiligt sind: „Staatsanwalt, Richter, - alles Männer“ sagt Ensler / Strenger einmal. Selbst wenn dort Frauen sitzen: Die Klägerin muss schlüssig beweisen, dass die Vergewaltigung stattfand.

Es reicht eben nicht, dass die Frau „Nein“ sagt.

Das Stück von Suzie Miller fordert die Schauspielerin, die eineinhalb Stunden alleine auf der Bühne agiert, Höchstleitung ein. Aber das Stück ist auch eine Frage, eine Aufforderung, auch nach der Metoo-Debatte und den bereits vorhandenen Veränderungen im Strafrecht erneut über die diesen teil des Rechtssystems nachzudenken.

Jubel und Standing Ovations vom Premierenpublikum für die hervorragende Lou Strenger und die Inszenierung.

Weitere Termine und Kartenbestellung unter

www.dhaus.de

Über Suzie Miller:

https://www.kiepenheuer-medien.de/autorinnen/de/showA?aid=864

Besetzung

Tessa Ensler Lou Strenger

Regie Philipp Rosendahl

Bühne und Kostüm Esther Bialas

Komposition Marco Mlynek

Sounddesign Heiko Schnurpel

Video Tim Deckers

Licht Jean-Mario Bessière

Dramaturgie Janine Ortiz

Weitere Termine :

Do, 07.12. / 19:30 - 21:00

Schauspielhaus — Großes Haus

Sa, 23.12. / 19:30 - 21:00

Sonderpreis 2

Schauspielhaus — Großes Haus

Mo, 08.01. / 19:30 - 21:00

Abo Mo

Schauspielhaus — Großes Haus

So, 21.01. / 16:00 - 17:30

Schauspielhaus — Großes Haus

Fr, 08.03. / 19:30 - 21:00

Frühbucher, Abo Fr

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