In einem grauen Raum mit Spuren des Verfalls gibt es eine Tür mit Video-Sprechanlage. Es ist Raum für Richard III, für seine Vertraute Hastings (Blanka Winkler). Später hebt sich die Wand, ein Nebenraum in einer Villa wird sichtbar. Hier liegt der alte König im Sterben, hier stehen bald die Särge der Opfer des Richard. Dieser Richard, Duke of Gloster, macht schnell klar, wo sein Ziel liegt.
Verwachsen, fühlt er sich häßlich, „hinkend und so schief gebaut“, heißt es in der gelungenen Übersetzung von Thomas Brasch. Er will um der Macht willen alle aus dem Weg räumen, die seinem Weg zum Thron, zum König von England im Weg stehen.
Kaczmarczyk läuft, hinkt, buckelt, umgarnt die Frauen
André Kaczmarczyk agiert zeitweise fast nackt, mit transparenter Strumpfhose, das Gesicht entstellt mit einem Netz. Kaczmarczyk läuft, hinkt, buckelt, umgarnt die Frauen, die er für seinen Weg zum Thron braucht und missbraucht. Und das alles auf Plateausohlen ohne Absatz – zwei Stunden lang. Ein Beelzebub mit Pferdefuß, ein eiskalter Verführer, oder auch nur als ein Mensch, der alle hasst und für seine Macht benutzt.
Shakespeares „Richard III.“ ist eines der meistgespielten Dramen, so war die Spannung da, wie Regisseur Titov diesen skrupellosen Machtmenschen inszenieren wird. Zunächst kommt Lady Anne (hervorragend Claudia Hübbecker) im Reifrock und Frisur der elisabethanischen Zeit auf die Bühne. Sie sagt schließlich zu, seine Frau zu werden, obwohl er ihre nMann mordete. Auch Königin Elisabeth, Frau König Edwards IV. (Judith Rosmair) hasst und trauert im schwarzen ältlichen Kostüm.
Friederike Wagner als Königin Margaret, Witwe König Henrys VI., donnert ihre Verfluchungen hinreißend dröhnend in einem Kostüm, das dem Globe Theater entsprungen scheint. Und die Prinzen, die bald im Tower ermordet werden sollen, sind ebenso wie die Prinzessin weiß gekleidet im Stil der alten Zeit.
Mit Morden und Drohungen, etwa gegen Elisabeth, oder einer Mischung aus Schmeicheleien und Drohungen bei Lady Anne erreicht Richard sein Ziel, den Thron. Er lässt 15 Särge und das Leid der Frauen hinter sich.
Gnadenlose Überwachung
Und dann dreht Regisseur Titov die Zeit nach vorn, und der gnadenlose Demagoge, der skrupellose gekrönte Diktator mit den Aufträgen zum Mord sitzt schließlich, hinter den 15 Särgen seiner Opfer vor einer Wand mit rund 20 Bildschirmen einer lückenlosen Überwachung. Richard der III. misstraut sogar seiner Vertraute Hastings.
Die Witwen all der Männer, den dieser Machtmensch aus dem Weg geräumt hat, stehen nun im “kleinen Schwarzen“ und schwarzen Kleidern der Jetztzeit vor ihm. Die Mutter schließlich sagt sich von ihrem Sohn los und zückt gar ein Messer.
Während bei Shakespeare Richard auf dem Schachtfeld stirbt – wie historisch verbürgt 1425– stechen hier die Frauen (ähnlich wie bei Shakespeares „Julius Cäsar“ die Männer) auf den Tyrannen ein. Auch seine Vertraute Hastings.
Richard III. sitzt dann im blutgetränkten Hemd vor den grünlichen Überwachungs- Bildschirmen, greift zum Telefon, stöhnt hinein, sagt leise die berühmten Worte , „Ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd…“ und stirbt. (Ein eigentlich überflüssiger Gag, der wohl kathartisch das Publikum erlösen soll.)
Die junge Prinzessin Elisabeth schleicht vorsichtig heran, tippt auf einen Knopf – die Überwachungsbilder erlöschen.
Viel Beifall und Jubel des Premierenpublikums.
Historisches
Übrigens haben britische Archäolog*innen auf Hinweis einer Hobby-Historikerin die Gebeine des Richard III. im Jahr 2012 auf dem Areal eines alten Klosters in Leicester unter einem Parkplatz entdeckt. DNA- Proben haben die Echtheit belegt.
Besetzung
Richard, Herzog von Gloster, Bruder König Edwards IV., später König Richard III. André Kaczmarczyk
Königin Elisabeth, Frau König Edwards IV. Judith Rosmair
Königin Margaret, Witwe König Henrys VI. Friederike Wagner
Herzogin von York, Mutter Edwards IV., Richards III. und Georges, Herzog von Clarence Manuela Alphons
Lady Anne, Schwiegertochter König Henrys VI., Witwe des Kronprinzen Edward von Westminster, später Frau König Richards III. Claudia Hübbecker
Hastings, Vertraute Richards III. Blanka Winkler
Lady Rivers, Schwester Königin Elisabeths Pauline Kästner
und
König Edward IV. Jochen Moser / Hans Meyer-Rosenthal
Kinder der Elisabeth:
Prinzessin Elisabeth Sae Hanajima
Kronprinz Edward Luke Dopheide
Prinz Richard Theodor Taprogge / Rafael Wohlleber
Regie Evgeny Titov
Bühne Etienne Pluss
Kostüm Esther Bialas
Musik und Video Moritz Wallmüller
Licht Konstantin Sonneson
Dramaturgie Janine Ortiz
Weitere Termine :
Do, 07.09. / 19:30 - 21:30
So, 10.09. / 16:00 - 18:00
With English surtitles
So, 01.10. / 18:00 - 20:00
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