The Gender Games im Stadt:Kollektiv Club / D Haus

„The Gender Games“ oder: Gendern und was ändern

Von Jo Achim Geschke |

Gender Games

The Gender Games, Ensemble / Foto Melanie Zanin, D Haus

Gendern – das rote Tuch für die Konservative aus fast allen Ecken und Parteien. Warum eigentlich, fragen die jungen Darsteller:innen im Club des „Stadt:kollektiv“, wo junge begeisterte Laien-Darsteller:innen unter Mithilfe von Theaterpädagog:innen und professionellen Schauspieler:innen Themen finden und Theater spielen. Mit „Gender Games“ kam jetzt ein gelungenes Ergebnisdes „Clubs“ mit elf Darsteller:innen auf die junge Bühne in der Münsterstraße 446.

„Nicht nur gendern sondern ändern“ Oder auch : „Ich möchte, dass auch der verbale Müll sortiert wird.“ Zitate aus „Gender Games“. Das Publikum aus der Gruppe U 30 war bereit zum Mitmachen. Denn die Macher:innen forderten Stellungnahme, Haltung, Teilnahme.

Zugewiesen– wie Geschlechterrollen.

Schon vor Beginn im Foyer  werden die Zuschauer:innen nach ihrem Sternzeichen gefragt und eingeteilt in Feuer (z.B. Schütze) , Wasser  (z.B. Krebs, Fische), Erde und Luft.

Im Saal, ebenerdig die Stühle, werden die Einzelnen je nach vorher verabreichtem Zeichen (Erde, Wasser, Luft, Feuer) auf die Stühle eingewiesen.

Dann beginnen die „Games“ mit einem Kerl, der testosteronmäßig hereinläuft, der Liegestütze vorführt, oder einer, der symbolisch Gewichte stemmt, aber auch ein junger Mann im Tütü. Dazu läuft „Männer“ von Herbert Grönemeyer (1984). Dann kommen die jungen Frauen à la Klischee herein, hüpfend wie die Mädchen, die Kinder, dazu läuft der Schlager „Weil ich ein Mädchen bin“ von Lucyelectric von 1994.

Die Klischees werden aufgerollt. Männer ohne Kosmetik, Frauen ja, beim Boxtraining einer Frau gibt’s „Mansplaining“ (männliche Besserwisserei von oben herab, Rebecca Solnit 2008), nach dem bekannten Motto: Du machst da was falsch…. .

Dann muss sich das Publikum entscheiden: Pflegeprodukte männlich, weiblich oder neutral ? Und : „Beim Begriff „Genie“ denken sie an einen Mann, eine Frau,  oder eine nicht binäre Person? Die Zuschauer:innen können sich je nach ihrer Antwort  in ein rot umrandetes Feld (z.B. für nein) oder ein grünes (ja) oder blaues oder gelbes Feld stellen.

Es geht aber nicht nur um das angeblich typische für Mann/ Frau, es geht auch um die Tricks der Werbung und des Verkaufens, etwa im Drogeriemarkt, wo Waren je nach Zielgruppe Frau oder Mann platziert werden, und dass Parfüm für Frauen wesentlich mehr kostet als das für Männer, obwohl die Inhaltsstoffe fast gleich sind….

Wozu denn gendern? Um Sprache zu vereinfachen, sagen die elf inmitten der Bühne, und: Damit Frauen endlich sichtbarer werden, denn „das generische Maskulinum ist nicht generisch!“

Das Rollenklischee geht ja ganz real bis in Lebensentwürfe: Der Mann verdient das Geld,  baut ein Haus und bekommt den Herzinfarkt …

Wer aus der Rolle fällt, bleibt eben liegen, Ordnung ist das halbe Leben, Ordnung muss sein , Ordnung ist Einordnung,

…auch bei Geschlechterrollen?

Die elf, die da auf Augen-, pardon: Bühnenhöhe mit dem Publikum agieren, thematisieren die Kleidung, zitieren Judith Butler und Michel Foucault, und thematisieren Trans-Personen - die sehr häufig Opfer von Verbrechen auf Grund von Homophobie und Hass auf anderssein werden, die auch häufig Suicid begehen … Da der Satz  „Nicht gendern, ändern“  eine viel klarere Forderung, und mit Blick auf die noch immer weitverbreitete Homophobie auch der Satz

„Ich wünsche mir, dass auch der Wortmüll sortiert wird.“

Dreimal muss das (zumeist junge) Publikum aufstehen und Stellung beziehen, dann wird aus den je nach Farbfeldern ersichtlichen Mehrheiten ein „Pamphlet“ formuliert – und alle im Publikum bekommen es.

Und lesen es im Chor vor.  Unter anderem: „Wir haben kein Problem damit, nicht in Geschlechterrollen zu passen“ …

„Ich bin eine Frau, weiche Schale, harter Kern, und Prosecco mag ich nicht ..“ heißt es einmal.

Wie sieht sie aus, die Welt, in der wir leben wollen ? Die jungen Darsteller:innen der „Gender Games“ haben da im Theaterprojekt Antworten gefunden.

Langer Applaus vom jungen Publikum, Begeisterung. Ein gelungener 90-Minuten Abend. Und mit Blick auf das junge Publikum eine Hoffnung, dass sich was ändert beim gendern.

Weitere Projekte:

Es gibt noch weitere Projekte im Stadt:Kollektiv Club, etwa „Achtsam pöbeln, Anleitung zum Widerspruch“, mehr Infos zu den Clubs im Jungen Schauspiel an der Münsterstraße 446 unter

https://www.dhaus.de/stadtkollektiv/clubs/

Besetzung

Feuerzeichen: Charlie Sondermann, Julia Wewior, Benedikt Rothhagen

Wasserzeichen: Diana Dapa, Elias Seidel, Sara Dastja

Luftzeichen: Nemo Hansen, Jan-Lukas Wiebe

Erdzeichen: Isabell Klein, Marika Reichert, Anna-Maria Kluth

SpielleitungThiemo Hackel

Kostüm Anna Maria Kluth