Die Menge saß auf weißen Stühlen, einige Familien durften sich auf Decken im Gras niederlassen, Paare auf Doppelplätzen. Die Sonne schien bei der ersten der drei 90-minütigen Vorstellung, und manche verspürten gar die Stimmung des Theaterfestivals in Avignon. (Das letzte Mal in Avignon waren allerdings 42 Grad, wir dachten an die engen wenn auch schönen Gassen … und fuhren ans Meer). Hier blieb die Stimmung im Ehrenhof. Co-Moderator Stefan Fischer-Fels freute sich sichtbar beim Ankündigen der Nummern, „wir haben Sie vermisst“, meinte er unter Beifall.
Aber auch wenn das Publikum zur Bühne drängte – die Karten für die 3 mal 90 Minuten am Samstag waren nach wenigen Stunden ausverkauft, auch die zweite Darstellung für Sonntag ebenso. Aber das sich 6 Bühnen aus der Landeshauptstadt im Corona-Lockdown nicht nur als Konkurrenten empfinden, sondern sich zusammenraufen und einen Theater-Tag/ Abend auf die Bretter stellen – das ist außergewöhnlich.
Den Start machte das tanzhaus nrw und präsentiert 20 Minuten Paul Davis Newgate mit einem Tanz zu Masken. Sehr dynamisch, sehr akrobatisch mit Elementen des Rap-Dance.
Welch großartige Talente das Junge Schauspiel an der Münsterstraße zu bieten hat, zeigten am Nachmittag Selin Dörtkardes, Marie Jensen, Paul Jumin Hoffmann und Natalie Hanslik sowie Eduard Lind, begleitet von Akkordeon-Künstler Alexander Pankov: Sie brachten Lieder aus dem Familienstück „Auf Klassenfahrt“ und „Das doppelte Lottchen“.
Heinersdorf machte seinem Ruf alle Ehre: Das Boulevard-Theater, die „Boulevardiers“, die „Akrobaten auf dem schmalen Seil der Banalität“, die jedes Klischeee ausreizen, bis es nicht mehr verwendbar ist, zeigte sein besseres Ich. Von vielen Älteren offensichtlich mit Freuden erwartet wurden Jochen Busse und Hugo Egon Balder, mit Marianne Rogée die Stars des Boulevards vom Theater an der Kö. Die Boulevardiers brachten zunächst einen Text Heinersdorf mit den üblichen Klischees: Spielt in Frankreich mit einem Lord und der Lady, dazu ein Arzt als Liebhaber … doch, ja, Hugo Egon Balder machte den Liebhaber. Es war dann kein 3-minütiger Schwank, da schwankte keiner, es war eine Klischee-Probe,( „was schon wieder ein Witz?“). Die dann Corona-tauglich (Heinersdorf) umgeändert wurde: Der Arzt … wurde Steuerberater, die Annäherung an die Lady wurde unterbrochen („setz deine Mund- und Nasenbedeckung auf“), die „Bar Negresco“ war ja geschlossen, also Tete-a-Tete im Hofgarten … aber, so die Darsteller unisono: „Wir können das nicht spielen, wir sind Risikogruppe“.
Dem Versuch, dem Ernsten etwas Heiteres abzugewinnen, folgte eine wundervolle Arie und ein Duett aus Rossinis „Il Barbiere di Siviglia“ präsentieren. Es sangen Valerie Eickhoff und Jorge Espino, Ville Enckelmann begleitete sie am Piano, und da wurde klar: Große Oper kommt auch mit Keeyboard auf kleiner Openair-Bühne.
Kay Lorenz stand vor der Bühne, auf der das Ensemble des berühmten „Kom(m)ödchens“ eigens für diesen Auftritt verfasste Szenen und Texte aus dem Programm »Quickies. Schnelle Nummern zur Lage der Nation“ und zum Rassismus in Deutschland vorbrachte. Der Polizist, der bei der Pressekonferenz seinen Polizeihund neben dem Kollegen von der Demo nicht immer so festhält wie gewünscht, brachte etwas nachdenkliche Lacher: Wenn der Kollege „Linke“, „Antifa“ oder gar „Multikulti“ sagte, konnte der Polizist seinen Hund nun mal nicht so richtig an der Leine halten … Viel Applaus für Maike Kühl, Martin Meier-Bode, Heiko Seidel, und Daniel Graf.
Für manche Ältere klang es vielleicht wie das damalige „Jazz in der Kirche“: Für das FFT (Forum Freies Theater) brachte das Performance-Kollektiv „subbotnik“ durchaus gelungene „Schnipsel zur jüngste Zeit“: Rhythmus mit Papierseiten, Musik mit Tuba, Bass und Keyboard, dazu engagierte Texte und Anklänge an Irish Songs.
Den Abschluss machte das äußerst beliebte Quartett des Schauspielhaus mit leider viel zu kurzen Ausschnitten aus dem Liederabend „I build my Time“., André Kaczmarczyk röhrte und flüstert bei Beatles-Songse, und dazu die mitreißenden Hanna Werth und Lou Strenger, die endlich wieder mal zeigen konnte, dass sie nicht nur swingen können, ob „Time after Time“ oder „The Beat goes on“ - klar, das mit disen Stimmen eigentlich alles klingen kann.
Riesiger Applaus, endlich wieder life.
Und dann doch die Bitte, zügig zu gehen.
Denn das Open Air Theater musst ja Corona-mäßig sauber gemacht werden für die nächste Runde der insgesamt drei, jeweils 90-minütigen Vorstellungen, Auf der Inselstraße vor dem Ehrenhof wartete bereits die lange lange Schlange der nächsten Theater-Begeisterten zum „Theater! Open! Air!“, dem sommerlichen Lebenszeichen in Corona-Zeiten. (Fortsetzung am heutigen Sonntag.)
(Autor Jo Achim Geschke)
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