Die Übersetzung stammt von Volker Schlöndorf, der 1985 den Stoff mit Dustin Hoff und John Malkovich verfilmte, Kamera der unvergleichliche Michael Ballhaus. „Tod eines Handlungsreisenden“ ist längst zum modernen Klassiker geworden. Der Name der Titelperson Willy Lowman soll laut Arthur Miller aus dem Film von Fritz Lang stammen „Das Testament des Dr. Mabuse“ (1933 und sofort von den Nazis verboten) und nicht von „low man“ – niedriger Mann, Unterschicht etc.
Arthur Miller beschreibt in seinem Text im (wie immer sehr empfehlenswerten) Programmheft, wie nach der Uraufführung 1949 der Chef einer Kaufhauskette noch im Zuschauerraum befahl, dass niemand seiner Angestellten wegen des Alters gekündigt werden dürfe.
Der Fehlglaube vom Erfolg-haben-müssen
Das umreißt die Aktualität des Stücks: Es ist neben der tragödienhaften Auseinandersetzung der Söhne mit dem Vater das Stück über die Illusion, es aus eigener Kraft ganz nach oben schaffen zu können. Und dem Fehlglauben, dem Willy, der immer erfolglosere Handelsreisende, erliegt: Es ohne die Hilfe anderer schaffen zu können, ja zu müssen, den Erfolg als einzigen Maßstab zu sehen, und ganz allein für den Misserfolg verantwortlich zu sein. Eine Fehleinschätzung, eine Ideologie, die Willy dazu führt, die Realitäten zu verleugnen. Heute wissen Aufgeklärte, das neben der „richtigen“ Herkunft schon in der Schule auch die aufgestiegenen Mentoren im “Business“ nötig sind, um Erfolg haben zu können.
Sohn Biff, der angeblich gescheiterte, ist der einzige, der einen Ansatz zu realistischer Einschätzung und Erkenntnis hat:
„In diesem Haus haben wir nie auch nur zehn Minuten die Wahrheit gesagt“, so Biff einmal.
Es ist auch ein Stück, dass schon 1949 beschreibt, was heute so aktuell ist wie selten seitdem: Dass es des Miteinander-Redens bedarf, dass wir „Zuhören lernen“, wie es Cornelia Emcke am Samstag in der „Süddeutschen Zeitung“ zu einer „demokratischen Verständigung“ beschrieb. Dass ohne Verständnis und Mitmenschlichkeit zudem ein viel umfassenderes, globales Scheitern droht.
Aber hier hört Vater Willy seinem Sohn Biff nicht zu, die Mutter Linda sagt Willy nicht klar die Wahrheit, es ist ein Schönreden der finanziell desaströsen Situation bis zum Schluss.
Und es ist die Folge der Verleugnung, dass die schließlich ausgesprochene Wahrheit dann zum Schluss zur Katastrophe führt, das kein Ausweg mehr aufscheint.
Hervorragende Schauspieler:innen
Regisseur Robert Gerloff kann in seiner gelungenen Inszenierung auf hervorragende Schauspieler:innen bauen: Friederike Wagner ist als Ehefrau Linda ganz die fürsorgliche, Probleme schönredende Mutter, Thomas Wittmann wechselt als Willy Lowman immer wieder von Träumereien ansatzlos in den lospolternden autoritären Vater. Jonas Friedrich Leonhardi als Sohn Happy ist mild hyperaktiv und täuscht den agilen Frauenheld vor – und ist doch der „Assistent vom Assistenten“, so Bruder Biff. Den zeichnet Sebastian Tessenow mit aller gebotenen Dramatik. Wunderbar in all den wechselnden kleinen Rollen ist Tabea mal als Verführerin mal als Kind mal als Kellnerin. Und ebenso glänzt Thimo Schwarz als Chef oder als Charly im treffsicheren Bühnenbild von Maximilian Lindner.
Langer, langer Beifall zur Premiere im ausverkauften Haus.
Besetzung
Willy Loman- Thomas Wittmann
Linda - Friederike Wagner
Biff - Sebastian Tessenow
Happy - Jonas Friedrich Leonhardi
Bernard / Die Frau / Kellner - Tabea Bettin
Ben / Charley / Howard Wagner / Kellner - Thiemo Schwarz
Regie Robert Gerloff
Bühne und Video Maximilian Lindner
Kostüm Cátia Palminha
Musik Cornelius Borgolte
Licht Christian Schmidt
Dramaturgie Robert Koall
Weitere Aufführungen:
So, 26.11. / 18:00 - 20:00
Vorstellungsänderung
Mo, 04.12. / 20:00 - 22:00
Vorstellungsänderung: Aus dispositionellen Gründen zeigen wir am 4.12. statt der geplanten Vorstellung von »My Private Jesus« eine Vorstellung von »Tod eines Handlungsreisenden«. Gekauften Karten behalten ihre Gültigkeit. Ticket-Käufer:innen werden von uns per Mail über die Umtausch- und Rückerstattungsmöglichkeiten informiert.
So, 10.12. / 18:00 - 20:00
Di, 12.12. / 20:00 - 22:00
Di, 26.12. / 18:00 - 20:00
So, 07.01. / 16:00 - 18:00
Fr, 12.01. / 20:00 - 22:00
Schauspielhaus — Kleines Haus