Tod eines Handlungsreisenden von Arthur Miller im D Haus

Tod eines Handlungsreisenden von Arthur Miller oder die tödliche Wiederkehr des Verleugnens

Von Jo Achim Geschke |

Tod eines Handlungsreisenden

„Tod eines Handlungsreisenden“ mit Ensemble auf dem Sofa/ Foto (C) David Baltzer D Haus

Wie aus einem Bild von Grant Wood („American Gothic“ 1930) sitzt ein riesiges Sofa quer über der gesamten Bühne, etwas speckig schon. Aus diesem sehr amerikanischen Sofa, das etwas ärmlich nach dem mittleren Westen, Trumps Land, aussieht, kommen die Schauspieler:innen aus den Ritzen zwischen den Polstern. Eine Tragödie beginnt, die Arthur Miller 1949 schrieb und die doch ach so aktuell geblieben ist.

Die Übersetzung stammt von Volker Schlöndorf, der 1985 den Stoff mit Dustin Hoff und John Malkovich verfilmte, Kamera der unvergleichliche Michael Ballhaus. „Tod eines Handlungsreisenden“ ist längst zum modernen Klassiker geworden. Der Name der Titelperson Willy Lowman soll laut Arthur Miller aus dem Film von Fritz Lang stammen „Das Testament des Dr. Mabuse“ (1933 und sofort von den Nazis verboten) und nicht von „low man“ – niedriger Mann, Unterschicht etc.

Arthur Miller beschreibt in seinem Text im (wie immer sehr empfehlenswerten) Programmheft, wie nach der Uraufführung 1949 der Chef einer Kaufhauskette noch im Zuschauerraum befahl, dass niemand seiner Angestellten wegen des Alters gekündigt werden dürfe.

Der Fehlglaube vom Erfolg-haben-müssen

Das umreißt die Aktualität des Stücks: Es ist neben der tragödienhaften Auseinandersetzung der Söhne mit dem Vater das Stück über die Illusion, es aus eigener Kraft ganz nach oben schaffen zu können. Und dem Fehlglauben,  dem Willy, der immer erfolglosere Handelsreisende, erliegt: Es ohne die Hilfe anderer schaffen zu können, ja zu müssen, den Erfolg als einzigen Maßstab zu sehen, und ganz allein für den Misserfolg verantwortlich zu sein. Eine Fehleinschätzung, eine Ideologie, die Willy dazu führt, die Realitäten zu verleugnen. Heute wissen Aufgeklärte, das neben der „richtigen“ Herkunft schon in der Schule auch die aufgestiegenen Mentoren im “Business“ nötig sind, um Erfolg haben zu können.

Sohn Biff, der angeblich gescheiterte, ist der einzige, der einen Ansatz zu realistischer Einschätzung und Erkenntnis hat:

„In diesem Haus haben wir nie auch nur zehn Minuten die Wahrheit gesagt“, so Biff einmal.

Es ist auch ein Stück, dass schon 1949 beschreibt, was heute so aktuell ist wie selten seitdem: Dass es des Miteinander-Redens bedarf,  dass wir „Zuhören lernen“, wie es Cornelia Emcke am Samstag in der „Süddeutschen Zeitung“ zu einer „demokratischen Verständigung“ beschrieb. Dass ohne Verständnis und Mitmenschlichkeit zudem ein viel umfassenderes, globales Scheitern droht.

Aber hier hört Vater Willy seinem Sohn Biff nicht zu, die Mutter Linda sagt Willy nicht klar die Wahrheit, es ist ein Schönreden der finanziell desaströsen Situation bis zum Schluss.

Und es ist die Folge der Verleugnung, dass die schließlich ausgesprochene Wahrheit dann zum Schluss zur Katastrophe führt, das kein Ausweg mehr aufscheint.

Hervorragende Schauspieler:innen

Regisseur Robert Gerloff  kann in seiner gelungenen Inszenierung auf hervorragende Schauspieler:innen bauen: Friederike Wagner ist als  Ehefrau Linda ganz die fürsorgliche, Probleme schönredende Mutter, Thomas Wittmann wechselt als Willy Lowman immer wieder von Träumereien ansatzlos in den lospolternden autoritären Vater. Jonas Friedrich Leonhardi als Sohn Happy ist mild hyperaktiv und täuscht den agilen Frauenheld vor – und ist doch der „Assistent vom Assistenten“, so Bruder Biff. Den zeichnet Sebastian Tessenow mit aller gebotenen Dramatik. Wunderbar in all den wechselnden kleinen Rollen ist Tabea mal als Verführerin mal als Kind mal als Kellnerin.  Und ebenso glänzt Thimo Schwarz als Chef oder als Charly im treffsicheren Bühnenbild von Maximilian Lindner.

Langer, langer Beifall zur Premiere im ausverkauften Haus.

Besetzung

Willy Loman-  Thomas Wittmann

Linda - Friederike Wagner

Biff - Sebastian Tessenow

Happy - Jonas Friedrich Leonhardi

Bernard / Die Frau / Kellner - Tabea Bettin

Ben / Charley / Howard Wagner / Kellner - Thiemo Schwarz

Regie  Robert Gerloff

Bühne und Video Maximilian Lindner

Kostüm Cátia Palminha

Musik Cornelius Borgolte

Licht Christian Schmidt

Dramaturgie Robert Koall

Weitere Aufführungen:

So, 26.11. / 18:00 - 20:00

Vorstellungsänderung

Mo, 04.12. / 20:00 - 22:00

Vorstellungsänderung: Aus dispositionellen Gründen zeigen wir am 4.12. statt der geplanten Vorstellung von »My Private Jesus« eine Vorstellung von »Tod eines Handlungsreisenden«. Gekauften Karten behalten ihre Gültigkeit. Ticket-Käufer:innen werden von uns per Mail über die Umtausch- und Rückerstattungsmöglichkeiten informiert.

So, 10.12. / 18:00 - 20:00

Di, 12.12. / 20:00 - 22:00

Di, 26.12. / 18:00 - 20:00

So, 07.01. / 16:00 - 18:00

Fr, 12.01. / 20:00 - 22:00

Schauspielhaus — Kleines Haus

www.dhaus.de