Regisseur Jan Philipp Gloger hat mit sechs herausragenden Schauspielerinnen (und einem 10-jährigen Mädchen) einen Text von Elfriede Jelinek zu einer Inszenierung gebracht, die Theatergeschichte schreiben dürfte. Nicht nur, weil sie nur zwei Stunden dauert. Jelineks assoziativen, sprunghaften Text voller philosophischer Anspielungen so unterhaltsam, teils witzig und mit Leichtigkeit zu inszenieren und vorzustellen, kann als bestens gelungen bezeichnet werden.
Sechs Frauen stellen verschiedene Frauenbilder in unterschiedlichen Lebensabschnitten dar, erläuterte Dramaturgin Felicitas Zürcher in der Einführung vor der Uraufführung, sechs Frauen, die Sein und Schein darstellen, den Körper, die Verhüllung, die Selbstdarstellung und die Vergänglichkeit. Und das gelingt Manuela Alphons, Tabea Bettin, Judith Bohle, Claudia Hübbecker, Karin Pfammatter, und Lou Strenger in wundervoll eingängiger und bei aller Philosophie leicht erscheinenden Art.
Und in einer Szene erscheinen alle sogar mit den sechs Frisuren von Elfriede Jelinek, die von dem Strubbelkopf bis zur Faßbinder-artigen Frisuer aus älteren Veröffentlichungen bekannt sind.
Sie wollte immer Plüschtiere, „am liebsten ließe ich nur Schauspielerinnen und Schauspieler als Plüschtiere auftreten, aber nir werde ich das bekommen!“ sagt die Figur der Autorin zu Beginn – die treten also doch auf: Da sagen sich Fuchs und Bär, und später ein Hase guten Tag. Sie stapfen durch das Natursurrogat des hervorragenden Bühnenbilds von Marie Roth, mit Tannen, Büschen und kaputtem Rasen. Das wächst vor einem weißen Bungalow mit Blick in zwei Zimmer inklusive Designerlampe wie aus „Schöner Wohnen“. Doch der Blick in die Innenwelt wird von den Schauspielerinnen mit leichten Vorhängen immer wieder verhüllt und enthüllt wie das Wechseln von Kleidern.
Egal sind sie, die Plüschtiere oder das über der Bühne aufscheinende Foto vom hingegossenen millionenschweren Model Gisele Bündchen, ein Foto für den Schaukasten, dem Kasten mit dem Licht : „Im Strand-Ensemble von H& M werden Sie nie so aussehen wie auf den Fotos aus der Karibik“. „Sie sind immer ein Auch“ - wenn sechs Frauen darüber hadern, das alle den gleichen Faltenrock, die gleiche Bluse tragen, wird der Satz sehr deutlich. „ Die Mode gilt nie,weil sie sich immer selbst überholt und das Gegenteil von gültig sein wird.Was immer Sie tun, wo immer Sie auch sind, Sie sind immer ein Auch!“ „Sie glauben, dies Jacke könnte aus Ihnen eine andere machen? Nein!“
Ach ja, und die Natur, die wird nur noch definiert im Wechsel des Marktdiktats: Man weiß ja gar nicht mehr, welche Jahreszeit ist, „ein Ausverkauf geht in den anderen über“, klagt die Frau im Pelzmantel auf der Terrasse des schnieken Bungalows.
Es ist nicht nur ein Mode Stück, es ist ein kurzweiliger, tiefgründiger Aufruf, mal nachzudenken was wir so mit unseren Klamotten anrichten. In Bangladesh, im Nahen Osten, in den Fabriken und einem globalisierten, entfesselten freien Markt. Die Näherinnen im nahen Osten, in Bangladesch, die sterben in den einfallenden Fabriken, die für einen Hungerlohn nähen, auch sie sind Thema, ihr Leiden, für ein „T-shirt, das durchschnittlich 1,4 Mal getragen wird“, macht die Frau im Pelz deutlich.
Aber es es bleibt nicht bei der Kritik an der Ausbeutung, am Mode-Markt, in dem einT-Shirt für 1 Euro eingekauft und für 10 Euro wieder verkauft wird.
„Naja und Heidegger muss natürlich auch sein, ...“ heißt es im Text von Jelinek, Heidegger oder wie hier gehört: „Hi, Degger“ sagt Kant, Heidegger ist immer wieder ironisch und persiflierend im Stück anwesend… „der Denker mit seinem Primuskocher, wie er grad Wasser vom Brunnen holt, auch er sagt mir hier leider nichts, weil er alles sagen kann, wenn auch nicht mir. Mir sagt er nichts.“ Verhüllen , enthüllen, entbergen, das ist das verschwurbelte Heidegger Vokabular, hier ironisch angeführt. Heidegger in seinem Loden und dem Trachtenjanker – das passt nur ironisch zu Mode. (Zu Heidegger und seiner Begeisterung für die Nazis gibt es genug Publikationen, am 18. Januar gibt es einen Vortrag darüber im Philosophischen Salon.) Und Hi-Degger (Tabea Bettin) trifft auf Kant, unverkennbar in seinem Kostüm, „Hi Immanuel“, sagt Hi-Degger. Und Kant (Claudia Hübbecker) trägt die Kritik der reinen Vernunft unterm Arm, zuweilen auch eine der Frauen ….
„Überall muss man warten, nur hier nicht, hier komme ich sofort rein“, macht die Schauspielerin auch den Online-Handel deutlich, der ja angeblich zum Schreien glücklich machen soll, aber „es ist eine Maschine, die antwortet“ … und wie schön, „ich kann es einfach wieder zurück schicken“.
Und zum Schluss, nach einem beeindruckenden Monolog der jetzt 70-jährigen Nobelpreisträgerin in Gestalt von Manuela Alphons über Vergänglichkeit, die Mode, das Alter und den Tod, vor einem immer größer werdenden Text, endet dieser im weißen Blitz eines einzigen Buchstabens. „Der Tod findet einen immer, auch wenn man sich neu eingekleidet hat“, sagt sie.
Und dann macht die 10-jährige Tanja Vasiliadou, klar, wozu das Licht im Schaukasten verführen soll, dieses Bild von Bikinis, die einem nicht passen werden, oder Schuhen: „…. und jetzt können Sie es sich in den kleinen Lichtkästen zeigen, die Sie immer bei sich tragen, und dort können Sie auch bestellen und los, in den Warenkorb“.
Lange anhaltender Beifall für Manuela Alphons, Tabea Bettin, Judith Bohle, Claudia Hübbecker, Karin Pfammatter, Lou Strenger, Schülerin Tanja Vasiliadou, und Regisseur Jan Philipp Gloger und sein Team!
Karten und weitere Vorstellungen unter www.dhaus.de
(Autor Jo Achim Geschke)