Brechts Galilei in der Kurzfassung: Der Wissenschaftler entdeckt mit Hilfe des Fernrohrs Beweise für die Kopernikanische These, dass sich die Erde um die Sonne dreht und ein Planet unter vielen ist. Mit dem Fernrohr aus Holland, dass Galilei als seine Erfindung an den Rat von Venedig verkauft, gewinnt er mehr Geld für sich und seine Forschung. Heute würde man das an der Uni Drittmittel-Einwerbung nennen. Und nun beginnt die Auseinandersetzung zwischen Vernunft, den Fakten und dem Glauben oder den Fake-News. „Die alte Zeit ist um.“ Und „Der Himmel wird abgeschafft“ – Sätze, die die katholische Kirche in Rom und ihre Inquisition nicht gerne hören. Und so taucht die Inquisition (unauffällig gut Tabea Bettin) mit weißen Haaren immer wieder auf, im Hintergrund oder als argumentierender Inquisitor. Es wird genügen, Galilei die Instrumente zu zeigen, meinen Papst und Inquisitor.
Es stehen Fakten – durch Beobachtung gewonnen – gegen Glauben und Leugnung des Sichtbaren. Insoweit also ein sehr aktuelles Stück über Wissenschaft und dem Beharren auf dem vermeintlich Althergebrachten, oder auch Auseinandersetzung zwischen Fakten der Wissenschaft und den Leugnern des Klimawandels. „Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen. Der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein.“, heißt es bei Brecht / Galilei. „Wer etwas weiß und das leugnet, ist ein Verbrecher“, sagt zudem Klaußner/ Galilei. Burghart Klaußner spielt den Galilei als alltäglichen Bewohner mit Geldproblemen mit angenehmer Zurückhaltung. Um ihn herum die Tochter Virginia, die Cennet Rüya Voß bis in kleinste Bewegungen als nette, disco-interessierte gibt, oder Schüler Andrea Sarti, wobei Lea Ruckpaul völlig vergessen etwa in einer Szene mit einem Finger der Bewegung der Erde nachgeht … oder Thomas Wittmann für seinen im Tütü röhrenden Balladensänger ebenfalls Szenenapplaus verdient hätte.
Die Entscheidung, die Musik von Hanns Eisler nur mit einem Cello (Matthias Herrmann) darzubieten, gewinnt der Musik ein neues Hören ab. Dazu tragen auch die brechtisch vorgetragenen Songs bei. Rose Enskat etwa als Frau Sarti, Mutter des Schülers Andrea, füllt ganz selbstbewusst das Brechtsche Theater aus. Enskat studierte ja auch an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin.
Nachdem Galilei vor der Macht und den Instrumenten der Inquisition einknickt und seine Beweise für das Kopernikanische Weltbild nicht aufrecht hält, wendet sich sein Schüler Andrea ab. Und doch:
(Jahre später) hat Galilei „eine Abschrift gemacht, hinter meinem Rücken sozusagen“, berichtet er seinem nun älteren Schüler Andrea, der die Abschrift erhält. Und so kommen in dieser Inszenierung die „Discorsi“, die Erkenntnisse der Wissenschaft, doch noch in die Welt.
Dieser „Galilei“ endet mit einem Satz, der in der heutigen Debatte mit dem Wegschauen und Verleugnen etwa des Klimawandels oder den politischen Fake-news umso wichtiger ist: „Man soll seine Meinung den Fakten unterwerfen.“
Sehr langer, begeisterter Applaus vom Premierenpublikum.
Zuvor war in einem Festakt mit Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), OB Thomas Geisel (SPD) und vielen Prominenten – darunter auch vielen prominenten Spendern für die Sanierung – der 50. Geburtstag des Schauspielhauses gewürdigt worden. Im Foyer gab es dazu eine offene kleine Feier für alle Gäste und Besucher. Was den Unterschied zur Promi-Eröffnung im Jahr 1970 deutlich machte.
(Autor Jo Achim Geschke)
Weitere Aufführungen und Karten unter www.dhaus.de