Grüner Informationsabend zu Pegida

Angst, auf die Straße zu gehen

Von Jo Achim Geschke |

Grünen-Vorstand und Professor Fabian Virchow / Foto NDOZ

„Ich habe Angst, meinen Sohn montags auf die Straße zu schicken“, sagte eine Mutter, und: „Ich bin Muslim, und meine Ängste sind: Wie wird es weitergehen mit meinen Kindern?“ Diese „erschütternden“ Sätze, so ein Grüner, fielen bei der Mitgliederversammlung der Grünen am Mittwochabend. Professor Fabian Virchow, Politologe von der Fachhochschule (FH), hatte zuvor einen Vortrag über Pegida und Dügida gehalten. Und der Sohn der muslimischen Mutter geht zur Realschule Luisenstraße, nur wenige Meter von der Graf-Adolf-Straße entfernt, der Aufmarschroute der Dügida an jedem Montag.

„Ich finde es erschütternd, dass Düsseldorfer Bürger jetzt Angst haben, hier zu leben, und sogar überlegen, von hier fortzugehen“, kommentierte ein Grüner die Sätze der Mutter, deren Sohn die deutschen Pass hat, der aber „anders aussieht“, beschrieb die Mutter ihre Ängste,   „und das geht vielen so“, vielen Müttern, Vätern, Familien islamischen Glaubens, sagte die Mutter in den völlig stillen Saal.

Professor Virchow hatte zuvor die mit wissenschaftlicher Nüchternheit die Entwicklung der Pegida von 350 Demonstranten im November 2014 bis zu 10.000 am 8. Dezember vorigen Jahres und mehr als 17.000 im gerade vergangenen Januar  geschildert. Es sei die am schnellsten wachsende Protestbewegung in Deutschland bisher. Laut mehreren Studien zählen sich weit mehr als die Hälfte der Mitmarschierer zur politischen „Mitte“ – auch wenn die Aufmärsche eindeutig von Rechtsextremen begonnen und weiterhin organisiert werden. In Leipzig etwa beruft sich die „Legida“ auf eine „deutsche Leitkultur“,

Ein Dialog mit den Pegida-Anhängern halte er für kaum sinnvoll, die meisten seien Argumenten nicht zugänglich, lebten mit einem „hermetisch abgeschlossenen Weltbild“. Dort, wo es eine tägliche Kommunikation mit fremden Kulturen und Nationen komme, gebe es allerdings wenig Fremdenfeindlichkeit.  

Demonstrationsfreiheit

Dügida unter der Führung von Melanie Dittmer ist ein Sonderfall, machten Vortrag und Diskussion deutlich. Dittmer ist seit rund 15 Jahren aktiv in der extrem rechten Szene.  Und die Demonstrationen, die stundenlang den Verkehr lahmlegen, verbieten ? „Ist das gerecht, dass dann alles abgesperrt wird?“, fragte der junge Realschüler.

Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut. „Es ist wichtig, dass jeder hier demonstrieren darf, dass muss eine Demokratie aushalten“, betonte die Grüne Clara Deilmann. Aber klar wurde auch, dass Einschränkungen des Demonstrationswegs an der hohen Hürde der gesetzlich geregelten Demonstrationsfreiheit scheitern. Melanie Dittmer bringe zu allen Vorgesprächen bei der Polizei einen Anwalt mit – und das letzte Wort hatten bereits die Richter, die ein Verkürzung des Wegs bereits abgelehnt hatten.

Der Höhepunkt der Pegida / Dügida Bewegung sei überschritten – „aber das ist noch kein Grund für Entwarnung“, betonte der Professor. Ach wenn die Demonstrationen aufhörten, bleibe in der Mitte der Gesellschaft die Angst vor dem Fremden, die  Furcht vor Veränderung einer scheinbar heilen Welt.

Dittmer hat bereits eine Veränderung der Demonstrationsstrategie angekündigt, will, wie berichtet, auch an rechtsextreme Anhänger am Rosenmontag  im Mohammed-Kostüm und als Salafisten mit „Spenggürtel“ verkleidet auf die Straße schicken.

„Etwas mager, was wir hier in Düsseldorf dagegen bieten“

Pegida sei kein ostdeutsches Phänomen. Es zeig eine Tendenz in der Bevölkerung, die moderne  Gesellschaft mit ihrer Toleranz und Offenheit abzulehnen, „und es ist unsere Aufgab, dagegen zu halten“, resümierte Mona Neubaur, Grünen-Sprecherin Düsseldorfs und Landes-Vorsitzende.

„Aber wir sollten Präsenz zeigen als Stadt, zeigen, das wir gegen Dügida da sind. Ich finde es etwas mager, was wir hier in der Stadt zeigen“, monierte ein Grüner die wenigen  Gegendemonstranten an den letzten Montagen.

Ein Dialog, so Professor Virchow, könne nicht bei den Pegida-Demonstranten  ansetzen – er halte mehr davon, wenn es rund um Flüchtlingsheime zu einem Dialog mit den Anwohnern und der Bevölkerung komme.

Der türkischstämmigen Mutter des Realschülers blieb ein Schlusswort : „Ich wünsche mir mehr Aufklärung, auch über den Islam, damit Menschen nicht aus Angst bei Pegida mitmarschieren.“

Die Grüne Gruppe der Medienarbeit wird am Montag den Autofahrern ein originelles Geschenk machen: eine nachgemachte Medikamentenpackung, „Pegidatox“, von der Firma „Mündig & Klüger“, ein „bewährtes Präparat zur Behandlung chronischer Fremdenfeindlichkeit und unerklärlicher Angst vor gesellschaftlicher Vielfalt.“