Anmerkungen zu einer kleinen Soziologie des Platzes in Düsseldorf
Platz ist da wo nichts ist. Dieser kleinste gemeinsame Nenner ist unstrittig und diesem Statement wird zunächst jede(r) zustimmen. Doch wann wird in einer Stadt aus einem Ort wo nichts ist ein Platz? Es gibt in Düsseldorf solch einen Ort, den Gustav-Gründgens-Platz. Dieser Ort ist Bestandteil eines städtebaulichen Ensembles, das es heute nicht mehr bis zur Realisierung schaffen würde. Bewusst wurde hier Raum gelassen und gestaltet zwischen und um zwei große Bauwerke, die in einem Antagonismus zueinander stehen – Kommerz und Kultur.
Strenge Formensprache, rational, gradlinig einerseits – Runde Formen, ausladend, die Fantasie fordernd: Das Drei Scheiben Haus und das Schauspielhaus. Dieser freie Raum wurde oft als Beweis dafür genannt, dass Düsseldorf keine Plätze kann. Das ist falsch.
Raum ist notwendig zum Erkennen und Erfassen der Gebäude. Er bietet eine Freifläche, die eine Unzahl von Perspektiven bereithält. Er ermöglicht ein zurücktreten und lässt die, in Wahrheit monumentalen Gebäude, elegant, leicht und dem betrachtenden Menschen zugetan erscheinen. Der einzelne Mensch wird nicht reduziert und erniedrigt, wie es in totalitärer und faschistischer Architektur gerne praktiziert wird.
Dieser Raum um etwas wird zum Ort wenn er begrenzt wird. Raum als solcher ist konturlos, amorph. Er ist da und irgendwo ist er dann nicht mehr, sein Ende ist beliebig, zufällig. Zum Ort wird der Raum indem er begrenzt wird. Dies kann durch Bebauung geschehen sein oder in diesem Fall durch eine Reihe von Mauern, auf deren Rückseite eine ehemalige Tankstelle integriert ist. Diese Mauer grenzt den Raum von der Umgebung ab, verweist die ideenlos hingeworfenen Bürobehausungen in das Jenseits (der Mauer). Erst durch diese Mauern hat der Ort die Chance zu einem Platz zu werden.
Dem Ort als solchen wird gerne zugeschrieben er sei schwierig. Er diente bisher als Zuwegung zu den angeschlossenen Gebäuden und als Deckel der ehedem gebauten Tiefgarage. Die Aufenthaltsqualität war fraglos nicht gegeben. In der Vergangenheit versuchte man halbherzig und lieblos dem Ort Leben zu geben oder was Generationen von Stadtoberen dafür hielten. Die Krönung war, quasi eine Bankrotterklärung des Gestaltungswillens, der Vorschlag die Fläche zu bepflanzen. Nichts wäre es dann mehr gewesen mit einer frei wählbaren Blickposition.
Man versuchte es mit der Erweiterung des Weihnachtsmarktes, mit einer Eisbahn. Der Erfolg war bescheiden, nur wenige fanden den Weg in den Wurmfortsatz des etablierten Weihnachtsmarktes, Baustellen taten ein Übriges dazu die Akzeptanz des Ortes nicht zu steigern.
Also Ende Gelände? Den Raum zubauen? – Nein!
Die Platzwerdung eines Ortes hat stattgefunden und ist geglückt. Es ist ein Platz aus diesem unwirtlichen Ort entstanden. Menschen bevölkern ihn, eignen ihn sich an. Füllen ihn mit Leben, mit Kunst, mit Fantasie, begegnen sich, tauschen sich aus, zeigen was sie können und sind gespannt auf Andere und auf Neues. Angestoßen hat diesen Prozess der Platzwerdung das 40° urban art Festival. Die Mischung aus Musik, Hip-Hop, StreetArt, Kunst und Künstlern zog ein breites Publikum der Zivilgesellschaft an. Es war ein bunter Mix der sich nicht um Alter, Geschlecht, Herkunft, Einkommen, Nation oder anderes scherte. Toleranz und Neugier, Offenheit und Lebenslust waren bestimmend. Keine Ausgrenzung.
Der Platz hat sein Narrativ gefunden. In einem Umfeld das durch Kommerz geprägt ist, kann hier experimentiert werden, den Ideen Freiraum gegeben werden, Neues gewagt werden, etwas angestoßen werden. Es sind in diesem Kontext viele Optionen denkbar, grade mit dem Hintergrund von Drei Scheiben Haus und Schauspielhaus, als Kontrapunkte, als Ausrufezeichen. Ein Bekenntnis zur Zivilgesellschaft, in der nicht nur etablierte Künstler und Kulturschaffende einen Platz finden und ausfüllen sondern auch Citoyens, die gemeinsam diese Gesellschaft gestallten und fortentwickeln werden. Gemeinsam Neues erkunden – das wäre das Thema, das Narrativ.
Künstler - nicht nur der Akademie, freie Theatergruppen, Literaten, Vortagende, Musiker sie alle könnten diesen Platz bevölkern, ihn bespielen. Im Rahmen kleinerer Festivals oder Theatertage könnte hier mehrmals jährlich ein Düsseldorfer Palio stattfinden. Nicht als trennender sondern als vereinender Wettstreit. Der Platz würde zum Platz des Citoyen, dem Staatsbürger in der Tradition der Aufklärung.
Die Möglichkeiten liegen auf der Hand, es kommt darauf an was draus gemacht wird. Wenn dieses Narrativ des Platzes ignoriert, wird dann kann Düsseldorf wirklich keine Plätze und macht wieder einen Kotau vor dem Kommerz.
(Text und Fotos: Klaus-Michael Köhler )
(Anmerkung der Redaktion: Die von Gründgens Namen ursprüngliche Schreibweise ist "Gustav" mit "v". )