Sonderausstellung im Stadtmuseum

Juden in Düsseldorf nach 1945 - Von Augenblick zu Augenblick

Von Jo Achim Geschke |

Zwei Exponate, Erläuterung im Text / Foto Stadtmuseum

Düsseldorf hat sich nach 1945 zu einer der größten Jüdischen Gemeinde in Deutschland mit 7000 Mitgliedern entwickelt. Eine Sonder-Ausstellung im Stadtmuseum unter dem Titel "Von Augenblick zu Augenblick“ zeigt jetzt im Rahmen der Jüdischen Kulturtage mit mehr als 300 Exponaten, wie sich die Gemeinde nach ihrer Wiedergründung 1945 bis heute entwickelte. Sie vermittelt in Texten, Objekten und Zeitzeugeninterviews das Leben und Erleben von Jüdinnen und Juden in Düsseldorf und gibt Einblicke in eine der ältesten monotheistischen Religionen. Die Ausstellung hat gerade im erneuten Aufkommen rechtsextremer, fremdenfeindlicher Gruppen und eines ebenso aufkommenden Antisemitismus eine eher traurige Aktualität .

Am 5. September 1945 gründeten 57 jüdische Männer, Frauen und Kinder – Überlebende der Shoa – die Jüdische Gemeinde in Düsseldorf neu. Stets in den Köpfen blieb die Frage nach dem Bleiben oder Gehen. Dennoch wuchs die Gemeinde – 1946 hatte sie bereits 300 Mitglieder.

Für den Neustart jüdischen Lebens in Deutschland trat unter anderem das Jüdische Gemeindeblatt für die Nord-Rheinprovinz und Westfalen ein, deren erste Ausgabe am 15. April 1946 in Düsseldorf erschien. Im Herbst desselben Jahres wurde Karl Marx Herausgeber und trug, anfangs mit seiner Frau Lilli, die Redaktion und Produktion allein. Bereits wenige Jahre später änderte man den Titel in Allgemeine Wochenzeitung der Juden in Deutschland, für die auch der spätere Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, als Journalist arbeitete. Karl und Lilli Marx wurden nicht nur zu Schlüsselfiguren der Wiederbegründung der jüdischen Presse in Deutschland, sondern haben das deutsche Judentum maßgeblich beeinflusst.

Der Zentralrat zog an den Rhein

Der Umzug des Zentralrats der Juden von Frankfurt nach Düsseldorf im Jahre 1952 und der Bau der Synagoge 1958 waren weitere Meilensteine für den Neubeginn in Düsseldorf. Doch angesichts der Erfahrungen während der NS-Zeit, antisemitischer Stimmungen oder der Gründung Israels 1948 sahen viele Juden Deutschland auch weiterhin bloß als Zwischenstation.

Erst in den 1980er-Jahren begann eine intensive, auch lokalgeschichtliche Aufarbeitung der Shoa. Gedenkstätten entstanden – häufig durch Bürgerinitiativen – wie zum Beispiel die 1987 eröffnete Mahn- und Gedenkstätte in Düsseldorf, die als Lern- und Begegnungsort allen Opfern des Nationalsozialismus gewidmet ist. Doch der Antisemitismus blieb steter Begleiter. Besonders am israelisch-palästinensischen Konflikt entzündet sich die Feindschaft gegen Juden, die mit den jüngsten Terroranschlägen in Belgien, Frankreich und Dänemark einen traurigen neuen Höhepunkt fand.

Ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung gilt den jüdischen Jugendlichen in Düsseldorf. 1962 wurde das Siegfried-Klein-Jugendzentrum gegründet. Die zu einem großen Teil in Düsseldorf entstandene Dokumentation "Junge Juden in der BRD", die das ZDF 1971 ausstrahlte, führte seinerzeit zu Protesten auf jüdischer Seite, weil sie die Sorge vor einem neuen Antisemitismus hervorrief. Denn die interviewten jungen Männer und Frauen gehörten der ersten Generation nach der Shoa an und präsentierten sich als wenig integriert und vor allem an der Auseinandersetzung mit dem Zionismus interessiert. Die gesellschaftliche Situation, in der sich die Jugendlichen befanden, war eine schwer zu Definierende: zwischen antisemitischer Ausgrenzung und philosemitischen Tendenzen auf der einen Seite und zwischen dem Wunsch nach Auswanderung und dem Wunsch, mit den Eltern in der Heimat zu bleiben, auf der anderen Seite. Ausschnitte des Films werden auch in der Ausstellung zu sehen sein. Die Bemühungen um Identitätsstiftung spielten in der Folge eine übergeordnete Rolle und wurden von verschiedenen Institutionen wie dem Sportverein TuS Maccabi Düsseldorf e.V. übernommen – der wie viele weitere auch Nicht-Juden offensteht.

Infrastruktur wird ausgebaut

Die zuvor stark überalterte Gemeindestruktur in Düsseldorf änderte sich mit der Zuwanderung von Juden aus der (ehemaligen) UdSSR ab 1990/91 und brachte neue Herausforderungen: provisorische Unterbringung, Wohnungssuche, die Integration auf dem Arbeitsmarkt oder den Spracherwerb. In der Ausstellung ist unter anderem ein Fremdenpass zu sehen, der 1992 ausgestellt wurde und den vorübergehend Staatenlosen eine Reisemöglichkeit bot. Der Zuzug vieler junger Menschen und Familien förderte die Erweiterung der Gemeindearbeit wie zum Beispiel die Gründung einer eigenen Schule: 1993 wurde die Yitzhak-Rabin-Grundschule eröffnet, die sich dem Vermitteln der jüdischen Religion, Tradition und Kultur verschreibt und bei der das Erlernen der hebräischen Sprache zum Unterrichtskanon gehört. Auch im Kindergarten kommen die Kinder spielerisch mit der jüdischen Tradition in Berührung wie zum Beispiel mit dem Holzdreidel, einem Kreisel, der mit Abbildungen die Geschichte des Chanukka-Festes erzählt. Viele eigene kulturelle Praktiken und Bräuche kamen hinzu und vermischten sich zum Teil mit der hier vermittelten Tradition. Besondere Unterstützung erfuhren die Zuwanderer durch die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit e.V., die sich – 1951 gegründet – gegen Antisemitismus und für religiöse Toleranz und den christlich-jüdischen Dialog einsetzt.

Während sich manche zur Auswanderung entschlossen, entwickelte sich Düsseldorf also gleichzeitig zum Zufluchtsort für Juden aus vielen anderen Staaten. Heute zählt die Jüdische Gemeinde mehr als 7000 Mitglieder aus etwa 40 Herkunftsländern und ist die drittgrößte in Deutschland. Trotzdem müssen ihre Einrichtungen weiterhin geschützt werden, sind die Gefahren nicht gebannt; so kam es beispielsweise im Jahr 2000 zu einem Brandanschlag auf die Synagoge.

Auf eine persönliche Ebene holen den Betrachter die Zeitzeugeninterviews mit den Gemeindemitgliedern. Auch das Fotoprojekt "Angekommen – Spuren ins Jetzt", das von der NRW-Stiftung gefördert wurde, bietet die Möglichkeit, sich über Portraits, raumbezogene Fotografien und Fotomontagen von den im Hier und Jetzt lebenden jüdischen Mitbürgern ein Bild zu machen.

Erläuterungen zu den zwei Fotos oben:


Jacke eines politischen Häftlings des Vernichtungslagers Majdanek
1940er Jahre · Jacke aus gestreifter Reißwolle mit rückseitigem kreisrunden Flicken aus gleichem Material · Stadtmuseum Düsseldorf T 73

Von 1975 bis 1981 fand vor dem Landgericht Düsseldorf der Prozess gegen 16 ehemalige Aufseher des Konzentrationslagers Majdanek statt. Es war das bis zu diesem Zeitpunkt teuerste und längste Verfahren der deutschen Justizgeschichte. 215 ehemalige Insassen des Lagers wurden teils in Düsseldorf teils in ihrer Heimat vor Gericht als Zeugen gehört. Mitglieder der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit organisierten mit großem persönlichem Engagement die Betreuung der traumatisierten und durch die Gerichtsatmosphäre verunsicherten Überlebenden in Düsseldorf. Angesichts der ungeheuerlichen Verbrechen, die zur Sprache kamen, stellte der Prozess für beinahe alle Beteiligten eine ungeheure seelische Last dar. Dies äußerte später mehrfach Dieter Ambach, der mit seinem Kollegen Wolfgang Weber die Staatsanwaltschaft vertrat. Die Urteilsverkündung im Jahr 1981 löste wegen der als zu milde empfundenen Urteile – nur eine lebenslange Haftstrafe wurde verhängt - einen Proteststurm aus. Noch während des Verfahrens hatte das Stadtmuseum 1980 die Ausstellung Majdanek-Häftlinge heute gezeigt. Die Jacke eines ehemaligen polnischen Häftlings wurde dem Stadtmuseum in  diesem Zusammenhang geschenkt. Neben dem Jackenrevers ist ein auf der Spitze stehendes rotes Dreieck mit dem Buchstaben P aufgenäht. Dieses war das Lagerkennzeichen für politische Gefangene aus Polen. In Majdanek waren zwischen 1941 und 1944 ca. 150.000 Menschen inhaftiert. Die Lagerinsassen stammten aus 30 verschiedenen Ländern. Die Hauptgruppe bildeten polnische Juden. Etwa 80.000 Menschen, davon 60.000 Juden, wurden in Majdanek in Gaskammern ermordet oder starben aufgrund von Hunger und Entkräftung.

Der Sederteller ist Bestandteil des rituellen Mahls zu Beginn des Pessachfestes; auf ihm werden symbolische Speisen gereicht, u.a. Mazzen (ungesäuertes Brot), Ei, Bitterkräuter. Zu Beginn des Schabbats wird ein bis zum Rand gefüllter Kidduschbecher von den Anwesenden geleert.

Stadtmuseum, Berger Allee 2, im Rahmen der Jüdischen Kulturtage vom 27. Februar bis 9. August. Kooperationspartner sind die Jüdische Gemeinde Düsseldorf, die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Düsseldorf e.V. und die Mahn- und Gedenkstätte.