Bühnenfüllende Schwarz-Weiß-Fotos und kurze historische Filmaufnahmen bilden den Hintergrund für hin und her wogenden Darsteller:innen in perfekter Choreografie. Mal sind es Aufnahmen alter Rahsegler im uralten Walfänger-Hafen von Nantucket, sie stammen aus dem dortigen Archiv. Oder kurze historische Filmaufnahmen von Matrosen, die die Wanten aufentern. Auch das Haus, das mehrmals als Bühnenbild herabschwebt, ist dem historischen Haus aus Nantucket nachgebildet. Aus den Gesichtern von alten und jungen Frauen spricht die tiefe Sorge über die Männer auf der gefährlichen See.
Aber die See ist nicht brutal, die Natur ist gleichgültig gegenüber dem Menschen, es ist egal, ob wir mitten im Sturm sind - oder inmitten der von Menschen gemachten Klimakatastrophe.
Ismael (hervorragend Kilian Ponert) oder Starbuck (Heiko Raulin) agieren ebenso wie die Crew des Walfängers vor den alten Fotos und Aufnahmen von Brandungswellen, deren Geräusch vielfach verstärkt über die Lautsprecher schallt.
Christopher Nell, der rothaarige „The Boy“, tanzt marionettenhaft über die Bühne und gibt einem shakespeareschen Narren ähnlich die Kommentare mal vorn, mal hochoben von der Seite ab. Seine und andere Bewegungen erinnern an Automatenmenschen, die die Hybris des getriebenen Menschen gegenüber der Natur andeuten.
Lichtregie
Die Mannschaft des Walfängers ist zuweilen sogar nur als helle Gesichter im Dunklen zu sehen. Alle tragen schwarz. Bis das dumpfe Poch-Poch des Holzbeins laut die Ankunft von Kapitän Ahab ankündigt – Auftritt in Weiß mit schwarzem „Holzbein“ der ausgezeichneten Rosa Enskat.
Die unnachahmliche Musik von Anna Calvi
Die Inszenierung wird angetrieben von den Bildern des Regisseurs Wilson, dessen Vorstellungen auch als Scribbles, als schnelle Zeichnungen im Programmheft skizziert sind, vorwärtsgetrieben von der Musik Anna Calvis.
Das Drohende der See, wie es viele empfinden, wird dabei oft aufgelöst von countryartigen Klängen. Wenngleich Calvi auch einen Hang zu metallica lauten Untermalungen zu haben scheint, die einen Schockmoment kreieren. Die Musiker setzen die Musik der britischen Musikerin, mit der Wilson immer wieder zusammenarbeitet, mit großer Spielfreude ein.
Der Sieg des Wals, der Untergang des Schiffes und Ahabs letzter Versuch, den Wal mit bloßen Händen zu besiegen, wird nur im Text als Erzählung deutlich. Gegen Ende tritt das singende Ensemble ganz in Weiß an die Rampe. Die Bühnenfassung von „Moby Dick“ stammt von Chefdramaturg Robert Koall.
Langer frenetischer Applaus und Jubel, Standing Ovations für Ensemble und Inszenierung. Regisseur Robert Wilson, im Oktober 83, kommt mit auf die Bühne, schiebt beim Applaus Rosa Enskat nach vorne, ebenso Christopher Nell, oder auch die ja wirklich grandiosen Musiker:innen.
Weitere Termine
https://www.dhaus.de/programm/a-z/moby-dick-2024/
Moby Dick von Herman Melvill in einer Übersetzung von Matthias Jendis — Regie, Bühne und Licht: Robert Wilson — mit Songs von Anna Calvi — Additional Music von Chris Wheeler und Dom Bouffard — in einer Bühnenfassung von Robert Koall.
Mit freundlicher Unterstützung von Dance Reflections by Van Cleef & Arpels sowie der Freunde des Düsseldorfer Schauspielhauses (fds).
Besetzung
Kapitän Ahab Rosa Enskat
Starbuck, Offizier Heiko Raulin
Flask, Offizier/Father Mapple Jürgen Sarkiss
Ismael, Seemann Kilian Ponert
The Boy Christopher Nell
Queequeg, Harpunier Yaroslav Ros
Tashtego, Harpunier Moritz Klaus
Fedallah, Harpunier Roman Wieland
Perth, Seemann Jonas Friedrich Leonhardi
Manxman, Seemann/Kirchgängerin Belendjwa Peter
Bulkington, Seemann/Kirchgängerin Michael Fünfschilling
Violine Maurice Maurer / Vargas Amezcua Maria del Mar
Schlagzeug, Gesang Tim Dudek / Ralf Gessler
Cello, Gesang Tobias Sykora / Emanuel Wehse
Klarinette, Bassklarinette, Gesang Sandra Klinkhammer
Vibraphon, Percussion Salome Amend / Bruna Gonçalves Cabral
Bass, SynthPiano, Gitarre Kriton Klingler-Ioannides
Violine, Viola Christoph König / Cristina Ardelean Montelongo
Gitarre, Musikalische Leitung Dom Bouffard
Regie, Bühne und Licht Robert Wilson
Songs und Lyrics Anna Calvi
Kostüm Julia von Leliwa
Co-Regie Ann-Christin Rommen
Co-Bühnenbild Serge von Arx
Co-Lichtdesign Marcello Lumaca
Video Tomasz Jeziorski
Make-Up-Design Manu Halligan
Music Supervisor und Arrangements Chris Wheeler
Musikalische Leitung Dom Bouffard
Orchester-Arrangements Chris Wheeler
Sounddesign Torben Kärst
Dramaturgie Robert Koall
Dramaturgische Mitarbeit Eli Troen