Moby Dick von Regisseur Robert Wilson, Musik Anna Calvi, im Düsseldorfer Schauspielhaus

Moby Dick als Sieg des Wals in Robert Wilsons durchkomponierten Bildern

Von Jo Achim Geschke |

Moby Dick im D Haus

Moby Dick von Robert Wilson im Düsseldorfer Schauspielhaus, im Bild Christopher Nell, Rosa Enskat / Foto © Lucie Jansch, D Haus.

Nur zu Beginn zeigt sich ein Bild eines springenden Wals auf dem Vorhang, später erscheint kurz ein Koloss mit rotem Auge in weiß. Die Inszenierung aber greift in gewaltiger Bildsprache eher auf die philosophische Ebene der großen Erzählung Moby Dick zurück, auf die Gegensätze von Mensch und Natur. Geprägt wird diese grandiose Inszenierung von der ausgefeilten Lichtregie und den Bildern des Regisseurs Robert Wilson (der schon den „Dorian“ inszenierte) und einem außergewöhnlichen Ensemble.

Bühnenfüllende Schwarz-Weiß-Fotos und kurze historische Filmaufnahmen bilden den Hintergrund für hin und her wogenden Darsteller:innen in perfekter Choreografie. Mal sind es Aufnahmen alter Rahsegler im uralten Walfänger-Hafen von Nantucket, sie stammen aus dem dortigen Archiv. Oder kurze historische Filmaufnahmen von Matrosen, die die Wanten aufentern. Auch das Haus, das mehrmals als Bühnenbild herabschwebt, ist dem historischen Haus aus Nantucket nachgebildet. Aus den Gesichtern von alten und jungen Frauen spricht die tiefe Sorge über die Männer auf der gefährlichen See.

Aber die See ist nicht brutal, die Natur ist gleichgültig gegenüber dem Menschen, es ist egal, ob wir mitten im Sturm sind - oder inmitten der von Menschen gemachten Klimakatastrophe.

Ismael (hervorragend Kilian Ponert) oder Starbuck (Heiko Raulin) agieren ebenso wie die Crew des Walfängers vor den alten Fotos und Aufnahmen von Brandungswellen, deren Geräusch vielfach verstärkt über die Lautsprecher schallt.

Christopher Nell, der rothaarige „The Boy“, tanzt marionettenhaft über die Bühne und gibt einem shakespeareschen Narren ähnlich die Kommentare mal vorn, mal hochoben von der Seite ab. Seine und andere Bewegungen erinnern an Automatenmenschen, die die Hybris des getriebenen Menschen gegenüber der Natur andeuten.

Lichtregie

Die Mannschaft des Walfängers ist zuweilen sogar nur als helle Gesichter im Dunklen zu sehen. Alle tragen schwarz. Bis das dumpfe Poch-Poch des Holzbeins laut die Ankunft von Kapitän Ahab ankündigt – Auftritt in Weiß mit schwarzem „Holzbein“ der ausgezeichneten Rosa Enskat.  

Die unnachahmliche Musik von Anna Calvi

Die Inszenierung wird angetrieben von den Bildern des Regisseurs Wilson, dessen Vorstellungen auch als Scribbles, als schnelle Zeichnungen im Programmheft skizziert sind, vorwärtsgetrieben von der Musik Anna Calvis.

Das Drohende der See, wie es viele empfinden, wird dabei oft aufgelöst von countryartigen Klängen. Wenngleich Calvi auch einen Hang zu metallica lauten Untermalungen zu haben scheint, die einen Schockmoment kreieren. Die Musiker setzen die Musik der britischen Musikerin, mit der Wilson immer wieder zusammenarbeitet, mit großer Spielfreude ein.

Der Sieg des Wals, der Untergang des Schiffes und Ahabs letzter Versuch, den Wal mit bloßen Händen zu besiegen, wird nur im Text als Erzählung deutlich. Gegen Ende tritt das singende Ensemble ganz in Weiß an die Rampe. Die Bühnenfassung von „Moby Dick“ stammt von Chefdramaturg Robert Koall.

Langer frenetischer Applaus und Jubel, Standing Ovations für Ensemble und Inszenierung. Regisseur Robert Wilson, im Oktober 83, kommt mit auf die Bühne, schiebt beim Applaus Rosa Enskat nach vorne, ebenso Christopher Nell, oder auch die ja wirklich grandiosen Musiker:innen.

Weitere Termine

https://www.dhaus.de/programm/a-z/moby-dick-2024/

Moby Dick von Herman Melvill in einer Übersetzung von Matthias Jendis — Regie, Bühne und Licht: Robert Wilson — mit Songs von Anna Calvi — Additional Music von Chris Wheeler und Dom Bouffard — in einer Bühnenfassung von Robert Koall.

Mit freundlicher Unterstützung von Dance Reflections by Van Cleef & Arpels sowie der Freunde des Düsseldorfer Schauspielhauses (fds).

Besetzung

Kapitän Ahab Rosa Enskat

Starbuck, Offizier Heiko Raulin

Flask, Offizier/Father Mapple Jürgen Sarkiss

Ismael, Seemann Kilian Ponert

The Boy Christopher Nell

Queequeg, Harpunier Yaroslav Ros

Tashtego, Harpunier Moritz Klaus

Fedallah, Harpunier Roman Wieland

Perth, Seemann Jonas Friedrich Leon­hardi

Manxman, Seemann/Kirchgängerin Belendjwa Peter

Bulkington, Seemann/Kirchgängerin Michael Fünfschilling

 

 

Violine Maurice Maurer / Vargas Amezcua Maria del Mar

Schlagzeug, Gesang Tim Dudek / Ralf Gessler

Cello, Gesang Tobias Sykora / Emanuel Wehse

Klarinette, Bassklarinette, Gesang Sandra Klinkhammer

Vibraphon, Percussion Salome Amend / Bruna Gonçalves Cabral

Bass, SynthPiano, Gitarre Kriton Klingler-Ioannides

Violine, Viola Christoph König / Cristina Ardelean Montelongo

Gitarre, Musikalische Leitung Dom Bouffard

Regie, Bühne und Licht Robert Wilson

Songs und Lyrics Anna Calvi

Kostüm Julia von Leliwa

Co-Regie Ann-Christin Rommen

Co-Bühnenbild Serge von Arx

Co-Lichtdesign Marcello Lumaca

Video Tomasz Jeziorski

Make-Up-Design Manu Halligan

Music Supervisor und Arrangements Chris Wheeler

Musikalische Leitung Dom Bouffard

Orchester-Arrangements Chris Wheeler

Sounddesign Torben Kärst

Dramaturgie Robert Koall

Dramaturgische Mitarbeit Eli Troen