Des „Pudels Kern“ erscheint bei Goethes „Faust“ als das Böse an sich. Für ein Theaterstück ist es essenziell, dass jede Figur ihren Kern offenbart, denn warum sonst sollte sie auftreten? Figuren klassischer Stücke sind meist eindeutig in ihrer Botschaft, in modernen Texten sind die Intentionen oft chiffriert. „Die Spieler müssen genau wissen, was sie dem Publikum durch ihre Figur mitgeben wollen“, erläutert Schauspiellehrer Wolfgang Keuter. „Nur so können sie ihre Botschaft vermitteln. Die Zuschauer sollen hören, vor allem aber miterleben.“
Die Spieler schlüpfen in der kommenden Matinee-Vorstellung in die Rolle von Schauspielern, die sich auf eine selbst erfundene Rolle für ein Casting vorbereiten. Hierbei ergründen sie, welche Motive, Klischees und Ausdrucksweisen hinter dem jeweils anderen Geschlecht stehen. Worin liegt der Unterschied, bei einem Mann, der Frauenkleider trägt, um zur Frau zu werden –und einem, der trotz Frauenkleider ein Mann bleiben will? Warum spielt eine zarte Frau einen Automechaniker?
Die Zuschauer überprüfen, ob sie von den Botschaften der Spieler, durch „beredtes Spiel“, er-reicht werden. Das experimentelle Format „Szenen im neuen Blickwinkel“ begeistert Theaterfreunde seit vielen Jahren.