Protest gegen die Finanzierung

5,8 Millionen Euro aus der Stadtkasse für den evangelischen Kirchentag?

Von Victor Scholz, Maike Hinzen |

Kunstaktion #NichtMeinKirchentag, Ricarda Hinz vor überlebensgroßem Moses / Foto © Victor Scholz
Kunstaktion #NichtMeinKirchentag

Kunstaktion #NichtMeinKirchentag, Ricarda Hinz vor überlebensgroßem Moses / Foto © Victor Scholz

Geht es nach der von der Verwaltung erstellten Beschlussvorlage, dann soll die Stadt Düsseldorf mindestens 5,8 Mio. Euro ausgeben, um den Evangelischen Kirchentag im Jahr 2027 in die Landeshauptstadt zu holen. Es sieht nun danach aus, dass der Rat der Stadt Düsseldorf die Millionensumme im Eilverfahren und ohne öffentliche Debatte durchwinken will. Am Donnerstag, den 23.6.2022 soll die Entscheidung fallen. Noch ist Protest möglich.

Nur rund 15% der Düsseldorfer sind zumindest auf dem Papier evangelischen Glaubens und 2027 werden es voraussichtlich nur noch 10% sein. Jedenfalls wenn das Amtsgericht Düsseldorf es bis dahin schafft, die Bürger nicht weiterhin wochenlang auf den Kirchenaustritt warten zu lassen. 

Die Düsseldorfer Bürger und Unternehmen sollen mit 5,8 Steuermillionen ein Event finanzieren, das nur einen kleinen Bruchteil der Menschen überhaupt anspricht? Der Düsseldorfer Aufklärungsdienst e.V. macht mit einer Protestaktion vor dem Rathaus seit einigen Tagen darauf aufmerksam.

„Das Problem sei nicht der Kirchentag als solcher, sondern der Fakt, dass ihn Bürger bezahlen müssen, welche dieser Religion gar nicht angehören.“

Über die von der Verwaltung erstellte Beschlussvorlage, an der die Parteien nicht beteiligt wurden, soll am 23.06.2022 im Rat entschieden werden. Es bleibt also wenig Zeit, um überhaupt auf dieses Thema aufmerksam zu machen.

Prozentual nimmt die Religionszugehörigkeit immer weiter ab, also lässt sich annehmen, dass es nun noch weniger Menschen sind, welche ehrliches Interesse an dem evangelischen Kirchentag haben könnten, geschweige denn Interesse daran, ihn finanziell unterstützen zu müssen. Aus diesem Grund hat der Düsseldorfer Aufklärungsdienst (DA!) mit der Kunstaktion „Das 11.Gebot: Du sollst Deinen Kirchentag selbst bezahlen!“ vier Tage lang vor dem Düsseldorfer Rathaus auf das Thema aufmerksam gemacht.

Noch bis Donnerstag, 23. Juni steht auf dem Marktplatz neben Jan Wellem ein überlebensgroßer Moses und neben ihm das in Stein gemeißelte „11. Gebot“: „Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!“

Die Initiatoren der der Aktion, der Düsseldorfer Aufklärungsdienst DA!, hat ein Formschreiben aufgesetzt, mit dem Bürger ihre Ablehnung de der FInanzierung beim Rat zum Ausdruck bringen können. Wir haben das Formschreiben hier verlinkt:

Jetzt protestieren

Klare Positionierung der Linken, Schweigen der anderen.

Nur eine Ratsfraktion hat bisher professionell auf den von uns versendeten Formbrief reagiert und innerhalb von 2 Stunden wie folgt Stellung bezogen:

"DIE LINKE Ratsfraktion teilt Ihre Auffassung und die des Düsseldorfer Aufklärungsdiensts (DA!) zur Finanzierung des evangelischen Kirchentags 2027. Auch DIE LINKE tritt für die strikte Trennung von Staat und Kirche ein. Das ist mit der Förderung eines Kirchentags aus städtischen Mitteln nicht vereinbar.

Unsere Ratsfraktion kritisiert, dass in Düsseldorf auf der einen Seite Zuschüsse für Sozialprojekte gekürzt werden, aber auf der anderen Seite genug Geld für eine kirchliche Großveranstaltung da sein soll. Die Stadt sollte bei den prestigeträchtigen, teuren Großveranstaltungen und Großprojekten sparen, statt Leistungen für ihre Einwohner:innen zu kürzen.

Deshalb stellt DIE LINKE zur Sitzung des Stadtrats am 23. Juni den Antrag, dass es keinerlei finanzielle Förderung, personelle Unterstützung oder kostenlose Leistungen durch die Stadt Düsseldorf oder ihre Beteiligungsgesellschaften für den Kirchentag geben soll."

 

Über den Düsseldorfer Aufklärungsdienst, DA!

Der Düsseldorfer Aufklärungsdienst – kurz: DA! – will dem Prinzip wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Aufklärung dienlich sein. Seit 2010 befeuert DA! sie mittels Zweifel, Kritik und Fakten die konstruktive Streitkultur in diversen Veranstaltungsformaten. Dabei vertritt der DA! eine ebenso naturalistische wie humanistische Position. Der DA! e.V. ist eine von deutschlandweit über sechzig Regional- und Hochschulgruppen der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), einer Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung.

 

Bericht über den Besuch der Protestaktion

Von Maike Hinzen & Victor Scholz (Schülerpraktikant*innen in der Redaktion)

Am Dienstag, dem 21. Juni um 11 Uhr fand bezüglich der Kunstaktion #NichtMeinKirchentag eine Pressekonferenz vor dem Düsseldorfer Rathaus statt, an der NDOZ teilnahm. Die Organisatoren der „gbs“ empfingen uns äußerst freundlich und verwickelten uns direkt in ein Gespräch. 

Wir beschrieben unser Interesse für das Thema den DA!. Daraufhin konkretisierte einer der Organisatoren, was die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) genau ist und weshalb die Kunstaktion hier in Düsseldorf stattfindet. Danach stellte er die anderen Akteure vor, darunter auch Ricarda Hinz, Eva Witten und David Farago und beschrieb ihr starkes Engagement.

Wir sprachen in einer nachdenklich-entspannten Atmosphäre mit einem Veranstalter über Religionsfreiheit, welche Macht die Kirchen in Deutschland haben, das eigene Strafrecht der Kirche, Säkularismus, die Kirchen als größte Arbeitgeber nach dem Staat und ihr eigenes Arbeitsrecht. 

Unser Ansprechpartner sagte uns, dass der Humanismus aus den allgemeinen Menschenrechten hervorgeht und gab uns daraufhin einen Prospekt der gbs zu den Menschenrechten und deren Entstehung.

Ricarda Hinz hielt eine Einstiegsrede und beschrieb ihre Aktion. Ein weiterer Mitstreiter versorgte uns mit einem T-Shirt mit Aufdruck der Moses-Figur, satirischen Stickern, einem Flyer und der neuesten Ausgabe des Jahresmagazins „bruno“ der gbs.  Nachdem Ricarda Hinz die Gespräche mit weiteren Pressevertreter beendet hatte, ging sie auf uns zu, stellte sich vor und begann mit vollem Elan sofort ein Gespräch.

Ricarda Hinz ist fasziniert von der Evolutionsgeschichte und den Naturwissenschaften was unvereinbar mit dem Glauben zu sein scheint – für sie ist alles Evolution.

Wir fragten sie, ob es eine Ethik für alle Kulturen geben sollte, was sie bejahte.

Sie argumentierte, dass die Menschenrechte für allgemeines Wohl in der universellen Gesellschaft stehen und etwas sind, im Gegenteil zu den verschiedenen religiösen Ansichten, was Einheit bringt. Alle Personen sollten nach den moralischen Werten und Normen der Menschenrechte leben. Außerdem beschrieb sie, wie autoritäre Regime wie Saudi-Arabien die Scharia oder Putin und die Russische Orthodoxe sich über die Menschenrechte stellen. 

Wir haben die Gegenfrage gestellt, weshalb die Idee des Kulturrelativismus für Ricarda Hinz bzw. den DA! anscheinend nicht in Frage kommt, da wir als westliche Gesellschaft ja unsere eigenen Wertevorstellungen haben und es prinzipiell anmaßend sein könnte, diese als einzig wahre Ethik hinzustellen und andere Kulturen aufgrund von uns fremden Werten zu kritisieren. 

Gemeinsam sind wir in diesem „philosophischen“ Gespräch zum Schluss gekommen, dass es natürlich auch Mängel an den westlichen Wertevorstellungen gibt.

Wir als Vertreter der Menschenrechte müssen aber hinter diesen stehen. Als Menschenrechtler lassen wir auch Kritik an diesen zu, erlauben es uns aber auch, nicht menschenrechtskonforme Wertevorstellungen zu missbilligen. Auch die Moralvorstellungen erleben durchgehend eine Evolution durch Anpassung und Erweiterung.

Nach dem Gespräch bot Frau Hinz uns Kuchen und Getränke an. Wir nahmen gerne eine rote DA! Stofftasche und die Ausgabe aus 2019 des Jahresmagazins der gds an. Beim „DA! -Van“ kamen wir dann mit Eva Witten und Dr. Gottfried Panhaus ins Gespräch.

Gottfried Panhaus stellte sich vor und beschrieb, als einziges Ratsmitglied der pro-europäischen Partei Volt, das Ideal von Grenzen übergreifenden, europäischen politischen Parteien. 

Ferner sprachen wir mit einem weiteren Teilnehmer der Aktion über Missbrauchsfälle in der Kirche und inwiefern diese verschleiert und ohne rechtliche Konsequenzen intern in der Kirche geregelt werden. Insgesamt sprachen wir fast 2 Stunden mit den einzelnen Teilnehmern über die Veranstaltung. Wir wurden herzlich eingeladen uns bei Interesse zu melden und wiederzukommen.

Ein paar Fakten zur Religionszugehörigkeit

Die Anzahl der Konfessionslosen in Deutschland steigt und immer mehr Menschen treten auch in Düsseldorf aus der Kirche aus. Tatsächlich gibt es in NRW keine Stadt mit mehr Atheist*innen als Düsseldorf. 
In den 80er Jahren gehörten noch 80% der Düsseldorfer*innen einer organisierten Religionsgemeinschaft an. Um die Jahrtausendwende waren es 60% und heute sind es 42%. Während die Anzahl der Christ*innen sinkt, steigt die Zahl der Muslim*innen in Düsseldorf und liegt aktuell bei ca. 5,5%.
2020 waren 27,22% römisch-katholisch, 16,06% evangelisch und 51% konfessionslos. Die absolute Mehrheit der Düsseldorfer*innen ist also konfessionslos, dennoch hat die Stadt Düsseldorf vor, ohne jede parlamentarische Debatte 5,8 Millionen Euro für eine Evangelische Kirchenwoche im Jahre 2027 auszugeben. Das gibt uns zu denken.
opendata.duesseldorf.de/dataset

Finanzierung der Kirche

Man muss sich die Frage stellen, ob die Evangelische Kirche die Unterstützung der Stadt Düsseldorf überhaupt nötig hat. Laut „EKD“ hat die evangelische Kirche 2020 durch die Kirchensteuer 5,4 Milliarden Euro eingenommen. 
Dazu erhält die Kirche Kirchgeld, öffentliche Fördermittel und Zuschüsse, Entgelte für die Nutzung von Einrichtungen, Mieten, Pachtzinsen, Erträge aus angelegten Geldern oder Verkäufen von Grundstücken und Gebäuden.

ekd.de/statistik-finanzen

Investitionen der Stadt

Warum muss also der Kirchentag von der Stadt und ihren Bürgern und Unternehmen „gesponsert“ werden, obwohl die große Mehrheit der Bürger kein Interesse an einem Kirchentag haben wird. Was verspricht sich die Stadt davon? Mehr Steuereinnahmen durch mehr Umsatz in der Gastronomie und im Tourismusgeschäft? Die Rechnung dürfte nicht aufgehen. 
Zwar fließen die höchsten Investitionen 2022 in Schulen, Verkehrsflächen, Radwege und ÖPNV, Kitas und Hochwasserschutzmaßnahmen und das dürfte im Sinne der meisten Bürger, sein. Daher sind fast 6 Millionen für die finanziell gut ausgestattete evangelische Kirche aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt.