Hinsichtlich der Versammlung in Duisburg hat die Kammer in der mündlichen Urteilsbegründung ausgeführt: Die Prognoseentscheidung des Polizeipräsidiums Duisburg war tragfähig. Denn es war hinreichend wahrscheinlich, dass die Parole bei der Versammlung am 10. April 2024 verwendet wird und diese Verwendung jedenfalls einen vereinsrechtlichen Straftatbestand verwirklicht. Zwar ist die Parole nach Auffassung der Kammer nicht per se antisemitisch.
Die Parole „From the river to the sea – Palestine will be free“ stellt aber ein Kennzeichen sowohl der seit dem 2. November 2023 vollziehbar durch das Bundesinnenministerium verbotenen Vereinigung Samidoun Deutschland (Samidoun) als auch der Terrororganisation HAMAS dar.
Beide Vereinigungen haben sich die Parole durch ständige Übung zu eigen gemacht. Damit ist deren Verwendung grundsätzlich verboten. Die Verwendung war im zu entscheidenden Einzelfall auch nicht ausnahmsweise erlaubt. Zwar kann die Verwendung eines verbotenen Kennzeichens ausnahmsweise zulässig sein, wenn sein Gebrauch der effektiven Durchsetzung des Vereinsverbots eindeutig nicht zuwiderläuft. Diese Feststellung konnte für die hier angemeldete Versammlung und der in ihrem Kontext zu erwartenden Verwendung der Parole jedoch nicht getroffen werden. Bei der insoweit vorzunehmenden rechtlichen Bewertung hat die Kammer auch auf eigene Erkenntnisse aus den sozialen Medien zurückgegriffen. Danach lag hier eine ausnahmsweise zulässige Verwendung der Parole fern. Denn die Anmelderin war Mitglied der seit dem 16. Mai 2024 vollziehbar verbotenen Vereinigung Palästina Solidarität Duisburg (PSDU). PSDU stand ihrerseits sowohl in ihren Ansichten als auch personell Samidoun nahe und hat diese Vereinigung – und zwar auch noch nach ihrem Verbot am 2. November 2023 – sowohl in den sozialen Medien als auch durch gemeinsame Veranstaltungen und Versammlungen aktiv unterstützt. Die Anmelderin hat sich auch nicht nach außen erkennbar von Samidoun distanziert.
Anerkannt hat das Polizeipräsidium Duisburg dagegen, dass die Untersagung der Verwendung der Parolen „Yalla Intifada“ und „Kindermörder Israel“ rechtswidrig war.
Hinsichtlich der Versammlung in Düsseldorf hat die Kammer in der mündlichen Urteilsbegründung ausgeführt: Der Hinweis auf eine Strafbarkeit der Parole „From the river to the sea – Palestine will be free“ war rechtmäßig. Auch insofern war weder eindeutig noch offenkundig, dass die Parole bei der Demonstration am 2. Dezember 2023 nicht im Sinne des mit dem Kennzeichen verbundenen Aussagegehalts der verbotenen Vereinigung HAMAS verwendet werden würde. Für diese Annahme sprachen nach den Gesamtumständen des Einzelfalles insbesondere der erwartete Teilnehmerkreis, das Versammlungsthema, die geplante Durchführung in Form einer Kundgebung in der Landeshauptstadt Düsseldorf und vor allem der zeitliche Zusammenhang mit dem Terrorangriff der HAMAS am 7. Oktober 2023 sowie der Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums vom 2. November 2023.
Anerkannt hat das Polizeipräsidium Düsseldorf dagegen, dass die Untersagung der Verwendung der Parolen „Israelische Verbrechen gegen den Gaza-Streifen“ und „Stoppt den Genozid / Völkermord“ sowie der Begriffe „Genozid / Völkermord“ rechtswidrig war.
Gegen die Urteile kann jeweils ein Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt werden, über den das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entscheidet.
In unseren früheren Berichten zur pro-palästinensischen Bewegung in Düsseldorf (siehe Artikel vom hier klicken und hier klicken) haben wir die Hintergründe und Forderungen der Demonstranten detailliert dargestellt. In beiden Artikeln ging es um die Forderungen nach Freiheit für Palästina und die umstrittenen Parolen, die in diesem Zusammenhang skandiert wurden.
Das Verbot ähnlicher Parolen bei den Demonstrationen in Düsseldorf, wie wir bereits in unseren Artikeln berichteten, ist Teil einer größeren Debatte über die Grenzen der Meinungsfreiheit und die Verantwortung der Teilnehmer solcher Versammlungen. Während einige Slogans weiterhin erlaubt sind, verdeutlicht dieses Urteil, dass der Staat klare Grenzen zieht, um extremistisches Gedankengut zu unterbinden.