Die Frage, ob der 8. Mai in Deutschland ein Feiertag sein sollte, beschäftigt die Politik seitdem immer wieder und spätestens seit 1970 ist die Debatte ernst zu nehmen. Anlässlich des 25. Jahrestages gab die sozial-liberale Koalition unter Willy Brandt als erste Bundesregierung eine offizielle Regierungserklärung im Deutschen Bundestag ab. Vertreter der CDU/CSU-Opposition versuchten dies zu verhindern und erklärten „Niederlagen feiert man nicht“ und „Schande und Schuld verdienen keine Würdigung“. Beide Argumente sind schwer zu verdauen, letzteres geht so gerade noch durch, für die Einordnung des ersten Argumentes fehlen uns die passenden Worte.
Vom „Tag der Niederlage und Schande und Schuld“ zum „Tag der Befreiung“, ein weiter Weg. Aber auch der richtige Weg?
Am 40. Jahrestag, dem 8. Mai 1985 wurde das Datum schliesslich zum ersten Mal von einer ebenso umfangreichen wie kontroversen Debatte begleitet, der Deutsche Bundestag veranstaltete auf hohem protokollarischem Niveau eine Gedenkstunde.
Der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker bezeichnete in seiner Rede den 8. Mai als „Tag der Befreiung […] von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“.
Auch der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder äußerte sich am 8. Mai 2000 ähnlich: „Niemand bestreitet heute mehr ernsthaft, dass der 8. Mai 1945 ein Tag der Befreiung gewesen ist – der Befreiung von nationalsozialistischer Herrschaft, von Völkermord und dem Grauen des Krieges.“
Anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz forderte auch die Vorsitzende des Auschwitz-Komitees in der Bundesrepublik Deutschland, Esther Bejarano, den 8. Mai zu einem Feiertag zu erklären.
Vor diesem Hintergrund ergibt sich jedoch die Frage, ob es legitim ist, auch in Deutschland den 8. Mai als „Tag der Befreiung“ zu feiern? Es gibt tatsächlich gute Argumente dagegen und „Niederlagen feiert man nicht“ ist selbstverständlich keines davon.
Zunächst stellt sich wohl die Frage, wer denn überhaupt befreit wurde. „Das deutsche Volk“, das den Führer in seinem Wahn bis zum Ende aktiv und passiv unterstützte und sich in übergroßer Mehrheit nicht gegen das Nazi-Regime zu Wehr setzte? Wohl kaum.
Eine Bevölkerung, die noch vom Endsieg träumte, während die industrielle Vernichtung von Menschenleben in den Konzentrationslagern weiter beschleunigt wurde und viele Städte bereits in Schutt und Asche lagen, hat sicher kein legitimes Recht auf einen „Tag der Befreiung“. Hatte kein Recht, muss man wohl heute sagen, denn wer 1945 25 Jahre alt war, der wäre heute 97 Jahre alt.
Dürfen sich also die nach 1945 geborenen Deutschen glücklich schätzen über das Ende des Nazi-Regimes und des Krieges? Ja, ganz sicher. Dennoch sollte der 8. Mai für die Deutschen ein Tag des Gedenkens an die kollektive Schuld der eigenen Vorfahren bleiben. Und das ist nichts, was man feiert. Daher ist das Wort „Feiertag“ in diesem Kontext mindestens irreführend oder einfach falsch. Das gilt womöglich auch für weitere "Feiertage", für den 8 Mai jedoch im Besonderen.
Seit dem 8. März 2002 ist der 8. Mai im Land Mecklenburg-Vorpommern staatlicher Gedenktag als „Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus und der Beendigung des 2. Weltkrieges“.
Gedenktag ist zunächst das richtige Wort. Der Zusatz „Befreiung“ klingt jedoch ironisch oder sogar zynisch vor dem Hintergrund, dass die NSDAP 1933 z.B. in Mecklenburg-Schwerin 48,5% und die nationalkonservative DNVP 16,8% der Stimmen gewannen. Man wählte den Nationalsozialismus und den damit einhergehenden Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus im ganzen Land und fühlt sich heute davon „befreit“? Auch das klingt im historischen Zusammenhang „verkehrt“.
Den Tag des Gedenkens an die Opfer des deutschen Nationalsozialismus gibt es bereits, das ist der 27. Januar, der Tag an dem Auschwitz von sowjetischen Truppen befreit wurde.
Was soll man also nun machen mit dem 08. Mai?
Feiertag klingt falsch und eine Befreiung dürfen an sich nur die feiern, die vorher gefangen waren. Es ist schwierig. Da mag es eine Idee sein, die Befreiten und die Befreier den Tag feiern zu lassen und im stillen Gedenken an die Opfer des Nazi-Regimes dankbar zu sein, dass andere den Mut und die Kraft hatten, den Irrsinn in Deutschland zu stoppen. Denn die Deutschen hatten diesen Mut nicht. Das zumindest darf auf keinen Fall vergessen werden.
Was heute am 8. Mai wirklich wichtig ist, ist die Liste der Befreiung (Auszug):
- 23. Juli 1944: KZ Majdanek, Polen; befreit durch sowjetische Truppen
- 13. Oktober 1944: KZ Riga-Kaiserwald, Lettland; befreit durch sowjetische Truppen
- 27. Oktober 1944: KZ Herzogenbusch, Niederlande; befreit durch kanadische Truppen
- 23. November 1944: KZ Natzweiler-Struthof, Frankreich; befreit durch US-Truppen
- 27. Januar 1945: KZ Auschwitz, Polen; befreit durch sowjetische Truppen
- 13. Februar 1945: KZ Groß-Rosen, Polen; befreit durch sowjetische Truppen
- 7. April 1945: KZ-Außenlager Vaihingen; befreit durch französische Truppen
- 11. April 1945: KZ Buchenwald, Deutschland; befreit durch US-Truppen
- 11. April 1945: KZ Mittelbau-Dora, Deutschland; befreit durch US-Truppen
- 15. April 1945: KZ Bergen-Belsen, Deutschland; befreit durch britische Truppen
- 22. April 1945: KZ Sachsenhausen, Deutschland; befreit durch sowjetische und polnische Truppen
- 23. April 1945: KZ Flossenbürg, Deutschland; befreit durch US-Truppen
- 29. April 1945: KZ Dachau (Hauptartikel: Befreiung des Konzentrationslagers Dachau), Deutschland; befreit durch US-Truppen
- 30. April 1945: KZ Ravensbrück, Deutschland; befreit durch sowjetische Truppen
- 2. Mai 1945: KZ Neuengamme, Deutschland; befreit durch britische Truppen
- 5. Mai 1945: KZ Mauthausen, Österreich; befreit durch US-Truppen
- 9. Mai 1945: KZ Stutthof, Polen: befreit durch sowjetische Truppen