Ausflippen und überreagieren einiger weniger Jugendlicher in Neuss wird von Zeitungen hetzerisch als Versuch einer „Sharia“ tituliert, was Rechtsextreme und naiv-dumme Bürger gleich als Gefahr fürs Abendland hochpuschen. Die Kommentatoren unter Artikeln im Netz muss man nur mal nachverfolgen: Da gibt es dann beispielsweise zwei Zitate aus der Bildzeitung und ein Foto, aber keine Hinweise auf den Mann dahinter, der doch anonym bleibt. Viele Kleingeister, die Verschwörungsmythen in die Welt setzen, oder auch wüste Beschimpfungen und Hetze verbreiten, bleiben so anonym. Die Ursachen ?
Mir fallen da die maroden Brücken und die „Schuldenbremse“ ein: Jahrzehntelang haben CDU und FDP und teils auch die SPD die Autobahn, Bahn- und Straßen-Brücken preisgünstig geflickt. Und dann kam plötzlich die Nachricht, dass viele Brücken „kaputtgespart“ sind, dass die Speditionen große Umwege fahren müssen, was Geld kostet, dass die Wirtschaft leidet. Unternehmen überlegen, in ein anderes Land zu gehen oder erst gar nicht hier zu investieren, weil die Straßenverbindungen fehlen (gespart), weil das schnelle Internet fehlt (auch gespart), weil Fachkräfte fehlen (weil das vernünftige Einwanderungsgesetz fehlt), weil Baugenehmigungen in der Bürokratie hängen bleiben (da wurde auch gespart, etwa an der Digitalisierung).
In Deutschland wurde seit Jahrzehnten gespart am Bildungssystem.
Schon der oft zitierte Satz „Kinder sind unsere Zukunft“ zeigt die falsche Einstellung: Kinder sind Gegenwart, in Familien, bei allein Erziehenden, in Schulen aller Art. Nein, nicht aller Art – die zunehmend gut besuchten Privatschulen haben nicht gespart.
Bildungs-Ausgaben
In Deutschland, beispielsweise in Düsseldorf, macht die Elite genau das, was ihr vorgeworfen wird: Das Gutbürgerliche will aufstreben und den Adel nachahmen, und dafür 500 Millionen bis 1 Milliarde Euro ausgeben für eine glanzvolle Oper. (Ich habe nichts gegen Oper als Kunstform.) Kultur für potentiell alle gibt es in Kultureinrichtungen, die sich zur Stadtbevölkerung öffnen.
Krass ausgedrückt: Das ausgegebene Geld für die Arien fehlt dann auch bei der Bildung.
Und an den allgemeinbildenden Schulen fehlt oft das schnelle Internet – für mehrere Klassen gleichzeitig, wohlgemerkt, oder auch nur für eine Klasse. Mal abgesehen von den monatelangen Diskussionen etwa 2014 ff., ob man Geld ausgeben und dafür Schulden machen darf für den Neubau von Schulen.
Die Bildungsausgaben in Deutschland lassen sich nicht vergleichen mit den Skandinavischen Ländern oder mit Frankreich: Deutschland 4,5 %, Schweden 7,1 %, Frankreich 5,5 %, Finnland 6,8 %, Lettland 5,3 %, Belgien 6,4 % vom BIP (Brutto Inlands Produkt).
(Quelle Bundeszentrale für politische Bildung : https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/europa/135809/oeffentliche-bildungsausgaben/
Erwachsenen -Bildung
Aber es sind ja nicht nur die jugendlichen Schüler, die vielmals unter den prekären Situationen in der Bildung leiden.
Im Netz und auf der Straße machen vor allem Erwachsene Probleme und versenden üble Kommentare oder offenbaren ein ausfallendes Missverhältnis zwischen Fakten, Tatsachen und ihrer kruden Meinung.
Die rechtsextremen Efflationen („Bäuerchen“) beanspruchen ja für sich, die Mehrheit zu repräsentieren. Doch genau gegen diese offenen Diskriminierungen und Antisemitismus ist ja jetzt die wahre Mehrheit auf die Straße gegangen, viele waren aus Protest erstmals bei einer Demo dabei.
Leugnung der Wissenschaftlichen Erkenntnisse und Verdrängung von Fakten
Veröffentlicht jemand einen Artikel zur Klimakrise, kommen garantiert sehr viele wilde Kommentare darunter bis hin zu dem Unsinn, dass es die Klimakrise gar nicht gibt. Das ist das Problem : Fakten und von der Mehrheit der Wissenschaftler anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse werden a) nicht verstanden und b) einfach ignoriert, weil sie das eigene kleine Weltbild gefährden.
Das Menschen vor den Krisen in der Welt, ja der Bedrohung Angst bekommen – verständlich. Aber so können wir nicht miteinander reden. Diskussionen brauchen einige Prämissen, die alle Seiten anerkennen. Erwachsene müssen sich gefallen lassen, dass sie nicht ernst genommen werden, wenn sie Fakten nicht anerkennen.
Als die NDOZ 2014 gegründet wurde, war dies ein Versuch, die einstige journalistische Vielfalt aufrecht zu erhalten und Hintergründiges zu thematisieren.
Denn deutschlandweit ist die journalistische Ethik ist der hirnlosen Jagd nach Klicks und etwas mehr Auflage unterlegen. Das Nachdenken, die Anstrengung des Begriffs, der Formulierung, ist bei vielen keine Tugend mehr. Und der Hass der Kleingeistigen, die Hetze gegen alles, was ihnen nicht in ihren Vorgarten passt, was ihnen fremd ist, hat rasant zugenommen.
Rechtsextreme Kommentare haben in Deutschland kein Recht auf Veröffentlichung
Menschen, die offen rechtsextreme Thesen verbreiten, oder die rassistische, offen menschenfeindliche Kommentare absondern, können nicht Teil einer journalistischen Öffentlichkeit sein – nicht in Deutschland. Toleranz hat da die Grenze, wo die Toleranz abgeschafft werden soll. Toleranz hat da die Grenze, wo Demokratie bekämpft werden soll. Und Toleranz hat da die Grenze, wo die Grundlage unseres Daseins, die Erkenntnisse vieler vieler Wissenschaftler, aus Ideologie nicht anerkannt wird.
(Der vorletzte Absatz im Artikel wurde vom Autor inzwischen redigiert.)
Artikel zu Erfahrungen und Ängsten