7.000 Teilnehmer bei der zweiten pro-palästinensischen Demo in Düsseldorf

Pro Palästina-Demo in Düsseldorf: die Forderungen der Demonstranten und Kommentar

Von Iman Uysal, Stefan Scholz |

Videobericht: Iman Uysal

In Düsseldorf haben am Samstag 7.000 Menschen an der zweiten Pro-Palästina-Demo innerhalb einer Woche teilgenommen. Angemeldet waren 2.000 Personen. Die Demo startete am Konrad-Adenauer-Platz und zog sich durch die Innenstadt bis zum Landtag. Das Motto der Demo war laut den Veranstaltern „Verurteilung der Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung in Gaza“. Die Demonstration verlief friedlich und nachvollziehbar emotional. Ein von der Polizei beauftragter Dolmetscher hörte sich die Reden und Rufe auf Arabisch an. Es wurden laut Polizei zwei Strafanzeigen gestellt, eine wegen Volksverhetzung und eine wegen Beamtenbeleidigung.

Es wurden Parolen gerufen wie: „Stoppt den Krieg in Gaza“, „Gaza ist in Not, hat kein Wasser und kein Brot“, „1.000 Kinder sind schon tot“, „Wir brauchen Frieden und Gerechtigkeit“, „Wir wollen Frieden, keine neuen Krisen“, „Kindermörder Israel“.

Die Demonstranten beschuldigten Israel, Kriegsverbrechen zu begehen. Dabei stützten sie sich auch auf teilweise noch ungesicherte Angaben der UN und Human Rights Watch. Laut Ravina Shamdasani, Sprecherin des UN-Hochkommissars für Menschenrechte, gebe es täglich Hinweise auf Verstöße gegen das Kriegsrecht und internationale Menschenrechte. Die Bombardierung von Gesundheitseinrichtungen würden zudem gegen das humanitäre Volk verstoßen. Die israelische Armee dürfe keine Flächenbombardements oder wahllose und unverhältnismäßige Angriffe im abgeriegelten Gazastreifen ausführen, so die UN. Das UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) meldet seit dem Beginn der Luftangriffe im Gazastreifen über 1.000 tote Kinder. Alle 15 Minuten sterbe dort ein Kind. 

Human Rights Watch habe nach eigenen Angaben festgestellt, dass „die israelischen Streitkräfte am 10. und 11. Oktober 2023 bei Militäroperationen im Libanon und im Gazastreifen weißen Phosphor eingesetzt haben“, hieß es in der Mitteilung der Organisation.

Israel hatte zuvor die Vorwürfe über den Einsatz von weißem Phosphor klar abgewiesen. Doch was sagen die Organisatoren zu der Terrororganisation Hamas?

„Wir verurteilen, damit wir hier klare Verhältnisse schaffen, das Töten von Zivilisten auf beiden Seiten“, heißt es vom Veranstalter.

Auf unsere Frage, was das Ziel der Demonstration sei, wird geantwortet: „Eine Reaktion der deutschen Politiker und eine zwei-Staaten-Lösung in Nahost“.

Bei der zwei-Staaten-Lösung wird ein unabhängiger Staat Palästina neben dem Staat Israel westlich des Jordan angestrebt. Die Demo endete mit einer Schweigeminute, gefolgt von einem Applaus für die anwesenden Polizistinnen und Polizisten.

Am vergangenen Mittwoch hatten sich 600 Menschen vor der Düsseldorfer Synagoge versammelt, um für Frieden in Israel zu beten. Mindestens 1.200 Israelis sind bei dem Großangriff der Hamasterroristen getötet worden. Über 200 Menschen befinden sich seit knapp zwei Wochen in der Gefangenschaft der Terrororganisation. Nur zwei der Geiseln wurden bisher freigelassen. Bodentruppen der israelischen Armee sind in der vergangenen Nacht in den Gazastreifen einmarschiert, um nach den Geiseln zu suchen.

Angesichts des Konflikts im Nahen Osten nimmt laut dem UN-Büro für Menschenrechte antisemitische und anti-islamische Hetze weltweit zu. Seit dem 7. Oktober wurden in Deutschland 202 antisemitische Vorfälle registriert. Bundespräsident Steinmeier hat am Sonntag in Berlin am Brandenburger Tor zu Solidarität und Mitgefühl mit Israel ausgerufen:

"Ja, seit dem 7. Oktober ist nichts mehr wie es war. Noch nie seit dem Ende der Shoah wurden so viele Jüdinnen und Juden ermordet. Israel hat das Recht, sich gegen diesen Terror zu verteidigen. Und Deutschland steht dabei fest an Israels Seite. Der Terror der Hamas richtet sich gegen Jüdinnen und Juden in Israel. Aber der Terror trifft auch Menschen im Gazastreifen, deren Interessen die Hamas nur vorgibt zu vertreten. Es sind die Terroristen, die Gaza in einen zerstörerischen, militärischen Krieg geführt haben. Einen Krieg, von dem wir alle fürchten, dass er zum regionalen Flächenbrand werden könnte. Alles muss versucht werden, um das zu verhindern."

US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Kanadas Ministerpräsident Justin Trudeau, der britische Premierminister Rishi Sunak sowie Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni haben Israel in einer gemeinsamen Erklärung zur Einhaltung des humanitären Völkerrechts aufgerufen. Gleichzeitig untermauern sie in der Erklärung, dass Israel das Recht habe sich gegen Terrorismus zu verteidigen.

Kommentar

Von: Stefan Scholz

Der Staat Israel wurde am Samstag, den 7. Oktober von der Hamas brutal angegriffen. Es gibt keinen Zweifel daran, wer diesen verbrecherischen Krieg angefangen hat und wer die Verantwortung für das Leid trägt, das dieser Krieg noch verursachen wird.

Was wir sehen, ist ein Krieg, kein "Terror-Anschlag". Der verbrecherische Angriff der Hamas auf Israel sollte nicht mit 9/11 verglichen werden, die USA waren dadurch nie in Ihrer Existenz bedroht. Israel ist durch den Angriffskrieg der Hamas und der denkbaren Eskalation durchaus existenziell bedroht.

Die Hamas strebt seit Ihrer Gründung 1988 die militärische Vernichtung Israels und des jüdischen Lebens dort an. Im Jahr 2006 errang die Hamas bei den Wahlen in den palästinensischen Autonomiegebieten die Mehrheit der Stimmen. Man darf davon ausgehen, die Wähler wussten, welche Ziele die Hamas verfolgt. Man darf auch davon ausgehen, dass sich an dieser Einstellung seitdem wenig geändert hat.

Vor diesem Hintergrund habe ich kein gutes Gefühl, wenn in Düsseldorf 7.000 Menschen auf die Straße gehen, die palästinensische Flagge schwenken und den Staat Israel als Kindermörder bezeichnen - nur kurz nachdem die Hamas Hunderte unschuldige Zivilisten in Israel entführt, grausam vergewaltigt, bestialisch abgeschlachtet und die Leichen bespuckt und geschändet hat.

Bei allem Verständnis und Mitgefühl für das große Leid der Zivilbevölkerung in Gaza und für die vielen Todesopfer, bei allem Respekt vor dem meiner Ansicht nach berechtigten Wunsch der Palästinenser nach einem eigenen Staat, ich empfinde das als pietätlos. Ein kleiner Lichtblick war ein Plakat, auf dem gefordert wurde, die Hamas aus Gaza zu vertreiben.

Damit wir uns klar verstehen, die Menschen, die am Samstag auf die Straße gegangen sind, hatten jedes Recht dazu, ihrer Trauer und ihrem Protest gegen den Krieg  Ausdruck zu geben. Was mich akut stört, sind die Schuldzuweisungen gegenüber Israel. Israel hat Gaza nicht angegriffen. Israel verteidigt sich und hat jedes Recht dazu. So lange die Menschen in Gaza die Hamas nicht aus ihrer Gesellschaft vertreibt, wird es schwierig sein, Freund und Feind zu unterscheiden.

Der Angriff der Hamas war eine menschenverachtende Kriegserklärung gegenüber dem Staat Israel. Die Vergeltung für diesen Angriff wird nicht mit Samthandschuhen ausgeführt werden und sie wird auch nicht in jeder Hinsicht den sogenannten "Regeln des Krieges" folgen können. Das war und ist allen Akteuren bewusst. Wer auch immer den Angriff geplant hat, hat die Todesopfer in Gaza mit einkalkuliert. Die Schuld an den mittlerweile mehr als 5.000 Toten in Gaza, darunter unverhältnismäßig viele Kinder, trägt die Hamas. In diesem Krieg wird es keine Gewinner geben, nur Menschen auf beiden Seiten, die eine schreckliche Schuld auf sich laden.

Israel wird bereits von den USA und der UN  zur Mäßigung und Deeskalation gedrängt und es ist auch nicht anzunehmen, dass Israel ein ernsthaftes Interesse an einem Massaker in Gaza hat. Es gibt sicherlich viele valide Kritikpunkte, was die Politik Israels gegenüber den Palästinensern angeht, jetzt ist jedoch nicht der Zeitpunkt, diese auf der Straße nach vorne zu stellen. Aber es ist ein erneuter Anlass für die Politik, intensiv nach Lösungen zu suchen, damit die Palästinenser und Israelis nicht noch mehr unnötiges Leid ertragen müssen. Auf die Straße müssen Menschen mit weißen Fahnen und mit Trauerfahnen, die gemeinsam für den Frieden demonstrieren, nicht für eine Nation oder eine Religion, sondern für die unschuldigen und wehrlosen Opfer dieses unnötigen und brutalen Krieges.

Der Angriff der Hamas folgt einem schmutzigen Kalkül: Wenn Israel zurückschlägt, dann kann die Hamas das resultierende Leid der Zivilbevölkerung und die Opfer im Gaza-Streifen instrumentalisieren, um einen Flächenbrand zu entfachen. Auch die Bemühungen Israels um weitere Friedensabkommen z.B. mit Saudi-Arabien enden vorerst mit dem Angriffskrieg der Hamas. Auch das war wohl Teil des perfiden Plans. Die Hamas opfert die eigene Bevölkerung um einen Pyrrhussieg zu erlangen.

Es macht mich traurig und wütend zugleich, dass in Deutschland, einem Land, in dem alle Betroffenen die Möglichkeit haben, friedlich und gemeinsam gegen den Krieg und Kriegsverbrechen zu demonstrieren, nun dieselben Fronten gebildet werden, wie in Gaza und Israel, anstatt zusammen zu demonstrieren. Gegen die Hamas, gegen den Krieg, für den Frieden. Gegen den Terror und die vielen Opfer in der Zivilbevölkerung, die in einem Krieg trotz aller Konventionen immer unausweichlich sind. Es gibt keinen Krieg ohne „Collateral Damage“. Es gibt keinen Krieg ohne unendliches Leid auf beiden Seiten.

Es ist furchtbar entmutigend, dass die Interessengemeinschaften, Organisationen und Verbände in Deutschland es nicht schaffen, solidarisch zusammenzurücken und gemeinsam zu agieren. Und es ist ein Armutszeugnis, dass dieser für die gesamte Welt gefährliche Angriffskrieg der Hamas nicht auf der ganzen Welt  eindeutig und scharf verurteilt wird, sondern im Gegenteil z.B. von Russland für Desinformationskampagnen instrumentalisiert wird.

Es ist natürlich komplett naiv, aber ich hätte mir eine viel größere Friedensdemonstration mit 100.000 Menschen gewünscht, gemeinsam organisiert von allen politischen Parteien und den jüdischen, muslimischen und christlichen Gemeinden und Interessengemeinschaften in Düsseldorf.