Charlie Hebdo Jahrestag

1 Jahr Charlie Hebdo – Überlegungen zu Toleranz und Integration

Von Jo Achim Geschke |

Demonstration am 12. Januar in Düsseldorf / Foto Archiv Jo Achim Geschke

Charlie Hebdo – der terroristische Überfall auf die Redaktion des Satire-Magazins Charlie Hebdo in Paris ist heute genau ein Jahr her. Am 12. Januar vorigen Jahres demonstrierten etwa 5000 Düsseldorfer für „Humanität, Respekt, Vielfalt“ und mit Schildern „Je suis Charlie“ vor dem DGB-Haus. Im vergangenen November haben Terroristen in Paris wieder brutal 130 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt. Anlass, über Meinungsfreiheit und Demokratie nachzudenken, allemal.

Meinungsfreiheit und Demokratie : Der Satz „Je suis Charlie“, Ich bin Charlie, ist vor einem Jahr zurecht vielen leicht gefallen. Auch heute noch? Tolerieren wir heute noch abweichende Meinungen, auch wenn sie in einer harten Karikatur daher kommen? Wenn sie in einer überspitzten Formulierung auftauchen ?  Leben wir eine tolerante Vielfalt – alle ?

Meinungsfreiheit :  Haben wir die ? Angesichts einer zunehmend konzentrierten Presselandschaft ? Können Ratsmitglieder abweichende Meinungen äußern, ohne von der Opposition mit Formulierungen belegt zu werden, die nicht politisch motiviert, sondern herabsetzende und verletzend gemeint sind?

Wie hoch hängt das Schild der  Meinungsfreiheit bei uns?  Auf der Demo am 12. Januar bekam OB Thomas Geisel die Nachricht vom obersten Verwaltungsgericht, dass er durchaus die Lichter am Rathaus ausschalten dürfe, auch als OB – das hatte ihm das Verwaltungsgericht Düsseldorf zuvor untersagt.

Dürfen Demonstranten gegen Rechtsextreme „spontan“ eine Sitzblockade abhalten als „zivilen Ungehorsam“ und Bürgerprotest? Viele sind deshalb angezeigt worden. Dürfen Demonstranten mit ihren Fahrrädern auf der Graf-Adolf-Straße den Aufmarsch  der Rechtsextremen blockieren?

Seit dem Terror in Paris gegen Charlie Hebdo haben wir massenweise Demos erlebt von einem Häuflein rechtsextremer Dügidas, die aber weniger als 1000  Gegendemonstranten in Düsseldorf auf die Straße brachten.  Ein Prozent der Düsseldorfer Erwachsenen wären weit mehr als 30.000 .....

 Vielfalt – ein häufig benutztes Wort in Düsseldorf.  Akzeptieren wir Düsseldorfer wirklich Vielfalt ? Nicht hat nur am  Gallberg gab es etliche Bürger, die sehr deutlich gegen eine Erstaufnahme für Flüchtlinge in der Bergischen Kaserne waren: Wir wollen hier keine Flüchtlinge, war die klare Aussage. In der Hilfe für Flüchtlinge engagieren sich aktiv geschätzt etwa 10.000 Düsseldorfer.

Aber haben wir in der Vergangenheit es denn wirklich geschafft, Türken, Marokaner, und andere „Ausländer“ erfolgreich zu integrieren? Wie viel Integration haben wir denn realisiert in den vergangenen Jahren? Die Chancen von Jugendlichen mit „Migrationshintergrund“ sind vielfach immer noch viel geringer, eine gute Ausbildung zu erhalten, als die von weißen Mittelstandkindern. Und wenn beispielsweise Marokaner oder Türken unter sich bleiben – was ist da schief gelaufen in der Vergangenheit mit der Integration? Und was müssen wir tun, um diese Fehler jetzt, mit rund 6000 Flüchtlingen in der Stadt, nicht zu wiederholen. Das ist keine Frage, das ist, wie so viele Fragezeichen in diesem Artikel, eine Aufforderung.

Ist uns wirklich allen klar, was es heißt, Humanität zu zeigen? Auch angesichts der Straftaten in Köln, die zumeist von „Nordafrikanischen“ Männern begangen sein sollen? Kamen die aus Libyen, aus Algerien, aus Marokko oder aus Tunesien? Und sind dunkelhäutige vielleicht nicht doch aus Südfrankreich? Viele Menschen differenzieren längst nicht mehr, sie nehmen nur die Formulierung „nordafrikanischer Herkunft“ wahr und ver-urteilen danach.

Sascha Lobo hat es im Spiegel online gestern  formuliert: „Zivilisiert zu sein bedeutet, nacheinander neun Schwarzhaarigen zu begegnen, die sich alle als Arschlöcher erweisen, und trotzdem dem zehnten Schwarzhaarigen nicht deshalb in die Fresse zu hauen. Es gibt nicht den einen Auslöser, nach dem Rassismus plötzlich okay ist. Wer angesichts der Kölner Attacken überlegt, ob rassistische Verallgemeinerungen vielleicht doch okay sind, war schon vorher Rassist und hat sich bloß nicht getraut, das zu kommunizieren.“

(www.spiegel.de/netzwelt/web/koeln-silvester-mob-und-gegenmob-kolumne-a-1070724.html )

(Text Jo Achim Geschke)