Analyse nach Stadtteilen der OB Stichwahl

Analyse nach Stadtteilen der OB Stichwahl– in manchen Grünen-Hochburgen bekam Geisel die Stimmen, Häuslebauer und Autolobby gewannen

Von Jo Achim Geschke |

Thomas Geisel und Ehefrau mit dem Noch-Vorsitzenden der SPD Andreas Rimkus

Thomas Geisel und Ehefrau mit dem Noch-Vorsitzenden der SPD Andreas Rimkus MdB / Foto © Jo Achim Geschke

Woran liegt es, dass in Düsseldorf ein (mit der Ampel zusammen) erfolgreicher Oberbürgermeister so wenig Stimmen bekam? Die Grünen hatten zwar keine Wahlempfehlung abgegeben. Aber wo Grüne hohe Prozentzahlen bei der Ratswahl holten, wurde z. T. auch Geisel mehrheitlich gewählt. So in Derendorf, Flingern Süd und Flingern Nord und Friedrichstadt. Ebenso in Unterbilk, Bilk und Oberbilk. Es kann also vermutet werden, dass Grün-Wähler*innen auch mehrheitlich Geisel und nicht Keller gewählt haben. Aber die Einzel-Interessen der Autofreundlichen Lobby hat in Düsseldorf wohl die Mehrheit, dazu kommt, dass nur knapp die Hälfte der Düsseldorfer überhaupt gewählt hat. In Stadtteilen wie Hamm, Niederkassel oder auch Wittlaer und Angermund, wo Menschen mit gutem bis hohem Einkommen und oft auch Eigenheimen wohnen, erhielt Keller CDU teils über 70 % der Stimmen. Häuslebauer mit Car-Ports oder Garagen sind nicht gerade die Klientel für klimagerechte Verkehrswende und beharren eher auf ihren engen Eigen-Interessen. Aber wenn bis 2035 die Stadt klimaneutral werden soll – was eh schon zu spät ist – dann geht es nicht mehr mit SUV und 3 km Fahrten.

Thomas Geisel hat nun erklärt, dass er kein Ratsmandat antritt, für ihn wird der junge Thomas Peußer (31), Vorstandsmitglied der SPD, in den Rat kommen. Im Rat wird es schwierig mit den Mehrheiten (siehe Link). Keller muss sich zudem klar machen, dass er mit der Hälfte der Hälfte der Wahlberechtigten Düsseldorfer gewählt wurde. Eine wacklige Legitimation, um etwa die Verkehrswende auszubremsen, die in allen europäischen Großstädten eingeleitet wurde – aus Einsicht. Interessant sind zudem die Stimmenanteile in den Stadtteilen. In Pempelfort, wo die Grünen mit wenigen Stimmen der CDU unterlagen, hatte Geisel nur 0,6 % weniger Stimmen als der  CDU-Kandidat.  In Lierenfeld, wo die SPD für den Rat die Mehrheit holte, blieb die Entscheidung für Keller knapp mit lediglich 15 Stimmen / 0,6 % Vorsprung für Keller. Und auch die wirtschaftliche Situation ist schwierig für Keller und eine Ratsmehrheit, denn durch die Corona-Pandemie fehlen der Stadt rund 400 Millionen Euro. Ein Grund für die Konservativen, klimawichtige Investitionen zurück zu halten oder zu streichen ?

Geisel selbst war sehr viel auf der Straße und „vor Ort“, wie es abgegriffen heißt. Der „elektronische“ Wahlkampf war zunächst erfolgreich, auch wenn nicht alle SPD Gremien in den Netzen mitgezogen haben. Allerdings haben viele Wahlkampf-Postings nur die eigenen Leute erreicht, als „Fleißkärtchen“ für die Aktivitäten. Das gilt für alle Parteien. Ausnahmen waren ideenreiche Aktionen wie etwa die Fahrradrikscha am Bilker Bahnhof von der jungen Sabrina Proschmann, SPD (liebe Kinder, bitte nicht nachmachen – die war Leistungssportlerin ). 

Die Grünen haben in hohem Maße von der „Fridays for Future“ -Bewegung profitiert. Wenn die Realität der täglichen Kommunalpolitik und die Langsamkeit der Bürokratie die Schaffung von klimafreundlichen Radwegen und ÖPNV-Verbindungen arg verlangsamt, wird die Begeisterung für die grünen Politikversprechen wohl auch nachlassen. Überdenke ich die Gespräche und die Statements der jungen Teilnehmer von „Friday for Future“ (einer ist jetzt Ratsmitglied bei den Grünen), dann scheint es, dass die SPD auch wörtlich „Klima …“ (Klimawandel, Verkehrswende, klimaschonend ) plakativ hätte obenan schreiben müssen. Die SPD hat wohl ein wenig versäumt, ihre und Geisels durchaus sehenswerten Erfolge für den Klimaschutz auch unter dem Wort Klimaschutz und Klimawandel darzustellen. Geisels Wahlkampf war andererseits geprägt durch sehr viel Präsenz und viele Videos/ Fotos im Netz.

Aber die Gut- und bestens -Situierten in Wittlaer, Hubbelrath oder Niederkassel ( CDU Keller mit teils mehr als 70 %) sind noch nicht bereit für eine international längst gängige Verkehrswende zur Rettung des Klima – und der sauberen Luft in Düsseldorf.

Die massiven Bemühungen der Konservativen bis Rechten, eine von der CDU-Landesministerin und der CDU-geführten Bezirksregierung eingesetzte Umweltspur als Teufelswerk für Autofahrer darzustellen, hat wohl beim konservativen Klientel gewirkt, obwohl Kellers prognostizierte Abschaffung der „Umweltspur“ eindeutig zu den fakes gehört. Die wurde ja zur Verhinderung eines Dieselfahrverbots mit CDU-Landeshilfe geschaffen und fusst auf einem Ratsbeschluss.

Kellers Behauptung auf den Plakaten „staufreie Stadt“ ist rational gesehen gelogen :  Da hätte die SPD ruhig mal deutlich werden können und sagen, dass so ein Slogan verlogen ist. Düsseldorf ist Durchgangsstation für LKW und Lieferungen, die Güterverkehre von den Seehäfen kommen eben nicht per Bahn, weil das Land da auch Entwicklungen verzögert hat. Und die CDU-Wohnungspolitik hat jahrelang sehenden Auges verhindert, dass bezahlbare Wohnungen für Polizisten, Krankenschwestern und Krankenpfleger, Erzieherinnen etc. gebaut werden konnten, die jetzt teils von außerhalb mit dem Auto in die Stadt pendeln, weil auch beim ÖPNV früher von der CDU/ FDP eher gespart als investiert wurde, das ist erst unter Geisel und der Ampel geschehen. Staufrei wird Düsseldorf erst, wenn 1. der ÖPNV gute Alternativen (schneller Takt, moderne Bahnen, gute Verbindungen ins Umland) anbieten kann – was Investitionen verlangt, und 2. die Menschen aufs Auto verzichten, die die Fahrtwege auch ohne Auto erledigen könnten. Dann bleiben nur Handwerker mit Autos und zentrale Lieferfirmen auf der Straße.

Rational gesehen, waren Kellers Plakat-Sprüche zu „staufrei“ und „Gigabit“ reine fakes, aber Konservative hat das wohl nicht gestört, wobei ja auch FDP-Wähler*innen zu den Konservativen gehören.  Außerdem hat die FDP überhaupt nicht mitgezogen, obwohl die Ampel mit Geisel gute Arbeit gemacht hat und es eigentlich eine effektive Zusammenarbeit war. Vereinzelte Alleingänge können da eigentlich nicht zählen. Wieweit Teile der Verwaltung, wie es einige darstellen, nicht bei einer Politik der Verkehrswende mitgezogen haben, bleibt wohl im Dunkeln.

Die Politik der Ampel und von OB Thomas Geisel war ein großer Schritt nach vorne und hat die Stadt verbessert und geprägt. Geisels unermüdlicher Dialog mit den Bürgern in den Stadtteilen und die demokratische Bürgerbeteiligung bei der Stadtplanung wird fehlen. Hoffen wir, dass die Zeloten in der Stadt und die Rückwärtsgewandten nicht die künftige Entwicklung bestimmen können.

(Autor Jo Achim Geschke)

Der neue OB Keller tritt sein Amt am 1. November an, der Rat tagt noch einmal am 8. Oktober in alter Besetzung.

Ausdrücklich vor den ersten Auszählungen der Stichwahl hatte Andreas Rimkus MdB erklärt, dass er nicht für einen weiteren SPD-Vorsitz kandidieren werde.

Link zu den Ergebnissen der Wahlen 2020

https://wep.itk-rheinland.de/vm/prod/kw_2020/05111000/html5/index.html