Corona-Virus Reflektionen

Corona Virus: Was ist - und was wir sonst noch tun sollten – Nachdenken, was wirklich wichtig ist und wo die Solidarität bleibt

Von Jo Achim Geschke |

Corona-Extra auf TV und ich mit Maske / Fotos, Montage © Jo Achim Geschke

Vor knapp einem halben Jahr haben Herr Spahn als Gesundheitsminister und andere Konservative lautstark darüber nachgedacht, dass es zu viele Kliniken gäbe und Krankenhäuser daher geschlossen werden sollten. Konservative Realitätsferne wie Friedrich Merz wollen weiter privatisieren. Die FDP phantasiert weiterhin von einem freien Markt, den es nachweislich nicht mehr gibt, und lobt wie seit Jahren weiter Leistung, die sich lohnen muss…. Wer in dieser Gesellschaft wirklich Leistung bringt, wer wirklich „unverzichtbar“, „alternativlos“, „systemrelevant“ ist, hat sich in der Corona-Krise deutlich gezeigt: Krankenschwestern, Pfleger, Ärzte, Verkäuferinnen an Supermarkt-Kassen, Frauen und Männer, die sauber machen, Fahrer*innen im ÖPNV, Postbotinnen … Systemrelevante „Leistungsträger*innen“ , was sich aber nicht in ihren Tariflöhnen auszahlt. Krankenschwestern verdienen so wenig, dass sich ihre Leistung nicht für eine ordentliche Wohnung und die Miete auszahlt. Den Wohnberechtigungsschein für Sozialwohnungen (WBS), für den eine geringe Einkommensgrenze gilt, erhalten Krankenschwestern, Polizisten*innen, Krankenpfleger, Kassiererinnen …. Soviel zu systemrelevant. Da hilft kein abendliches Klatschen – da muss man sich für bessere Löhne einsetzen.

Vor Jahren, in den 90ern,  haben in Düsseldorf konservative Politiker der CDU wie die Lehnes und Joachim Erwin dafür gesorgt, dass die Gerresheimer Kliniken teilprivatisiert wurden. Dagegen gab es heftigen Protest beispielsweise von Verdi. Der neoliberale Privatisierungswahn … Wenn ein Krankenhaus, eine Klinik, zu einem privaten Unternehmen wird, dann muss es privatwirtschaftlich denken und handeln und Kosten minimieren, um Gewinne für Anteilseigner etc zu erreichen. Ergebnis:

Betten wurden abgebaut, Personal wurde eingespart, und Schutzanzüge oder Schutzmasken wurden nur noch in minimalem Maße vorgehalten. Ergebnis haben wir jetzt. (Bei den Sana-Kliniken in Gerresheim hat die Stadt übrigens jetzt noch ein Mitspracherecht bei Entscheidungen).

Wie ein Gesundheitssystem versagt, das auf Privatisierung gebaut ist, zeigt  das System in den USA, das sein Versagen gerade mit der Wucht einer griechischen Tragödie vorführt. Es ist der alte neoliberale Mythos: Jeder kann etwas erreichen, aber jeder ist auch selbst verantwortlich für sein Scheitern…. Gesellschaftlich organisierte Daseinsvorsorge, wie es sie – noch – bei uns gibt: Fehlanzeige. Der Markt regelt das … Das dieser „Markt“ längst von wenigen Konzernen beherrscht wird, und die Konzentration weiter erheblich zunimmt, verdrängen Konservative und Markt-Liberale.

Und Politiker, von denen man dachte, sie stehen auf dem Boden des Grundgesetzes, sind ziemlich schnell bereit, bürgerliche freiheitliche Grundrechte einzuschränken und sogar Parlamente einzuschränken.

In Berlin wurde am 5. April eine Demo aufgelöst, die an die Geflüchteten in den unmenschlichen Lagern wie etwa in Lesbos erinnern sollte. Die Demonstrierenden standen im Abstand, fast alle trugen Masken, - aber die Polizei in Berlin löste die Demo auf, wegen Corona. Menschen wurden  von Polizisten (ohne Maske) durchsucht (sic) und Personalien festgestellt. Wie weit ist unsere Demokratie noch funktionstüchtig, wenn Polizeibeamte nicht mal Grundregeln der bürgerlichen Freiheitsrechte verinnerlicht haben?  Werden unsere Freiheitlichen Demokratien (also etwa ohne Ungarn und Polen) aufgegeben, für eine fragwürdige Strategie gegen eine Seuche?

„Kontaktbeschränkungen“ … Worte und Formulierungen schaffen Wirklichkeiten. Erst Recht, wenn im Fernsehen die vermeintliche Wirklichkeit nur noch aus Corona besteht: die neuen Zahlen (die nix aussagen, weil sie nicht in Relation gesetzt werden), die wiederholten Spekulationen zur Entdeckung eines Impfstoffs ( alle Reportagen sagen, es dauert noch), der 25ten  Befragung von Virologen…. Der Erkenntniswert ist winzig, weil Neuigkeiten über Impfstoffe erst später zu erwarten sind.

Es nützt uns nichts, wenn die Angst so unpersönlich  formuliert wird. Wissenschaftlich ausgebildete Journalistinnen wie Mai Thi Nguyen-Kim können faktenreich darlegen, warum der Corona-Virus uns noch monatelang begleiten wird – nützt nichts, weil gleich darauf der Bericht folgt, wie vielversprechend an einem Impfstoff geforscht wird.  (Links:

www.tagesschau.de/multimedia/video/video-685341.html

de.wikipedia.org/wiki/Mai_Thi_Nguyen-Kim  )

Die CDU-Kanzlerin hat  von der Solidarität gesprochen, die die Gesellschaft jetzt braucht . Nicht die Unternehmen, die Gesellschaft. Aber selbst die Kanzlerin deutet deutlich an, dass es noch dauern könnte, bis alles normal läuft, und muss darauf hinweisen, dass es ein wenig schwierig wird mit dem Abstand in den Kitas und Schulen.

Und die Schulen? Ein Desaster! Jetzt wird klar, wie sehr die Politik aller in Parlamenten vertretenen  Parteien die digitale Entwicklung dieses Landes vernachlässigt hat. Sträflich vernachlässigt.

In die Schulklassen gehören seit Jahren Tablets (nicht unbedingt von Apple, sondern mit anderen Systemen kompatible!) für alle Schüler*innen. Es muss ein schnelles, ausgebauten Netz geben, damit nicht das Schulnetz zusammen bricht, wenn drei Klassen mit jeweils 22 Schüler*innen auf daten zugreifen. Die Erfahrungen von Lehrern aus den letzten Wochen sprechen Bände: E Mails sind nur Morgens früh möglich, weil nach 8 Uhr das Netzt schlapp macht. Lehrer*innen haben keine funktionierenden Plattformen, auf denen Unterrichts-Materialien ausgetauscht werden könnten.

Gesamtschulen, Schulzentren wie in Nachbarstaaten …  nada, nix. Ich kann mich erinnern, wie im Schulausschuss die SPD-Forderung nach neuen Gesamtschulen von CDU und FDP ziemlich heftig und sehr lange abgelehnt wurden, die scheinbar Elite-verbundene FDP wollte dann als Ausgleich sofort ein Gymnasium. Gesamtschulen, an denen alle unabhängig von ihrer Herkunft eine Chance auf Abitur haben, waren der CDU ein Graus. Damit das nicht vorankommt mit der Bildung, wurden Schul-Belange in Bauausschuss und Schulausschuss getrennt. Sanierungen kamen in den Bauausschuss … so kann man gut bremsen.

Nur mal als Beispiel – nein, nicht die Finnen – die Situation in einem meiner Lieblingsländer, in Frankreich: Eltern haben, so schildert es mir eine Mutter, jederzeit digitaklen Zugriff darauf, welche Hausaufgaben ihre Kinder haben, welchen Stoff die Schule in welchen Klassen behandelt, alles als App von den Eltern abrufbar. Die Schüler hätten jetzt kein Problem mit Schule von zu Hause.

Anders in Deutschland: Eine Mutter erzählt, ihr Sohn macht die Kommunikation zwischen Schülern und Lehrern an einem Gymnasium per Klassen-App auf dem Smartphone, weil das offizielle Netz zu langsam  ist bzw zusammenbricht unter den Anforderungen von sagen wir 28 Teilnehmern gleichzeitig, einer Klasse eben.

Vielleicht denkt  die Schulministerin (CDU) deshalb darüber nach, die Schulen wieder zu öffnen, zumindest teilweise. Aber wie sollte das gehen? Welcher Politiker will da Klagen von Eltern riskieren, die ihre Kinder einem wahrscheinlich höherem Krankheits-Risiko ausgesetzt sehen? Die Klagen von Eltern wird kein Landes-Politiker/ -Politikerin  riskieren. Und ernsthaft die Lehrer*innen, teils Ende 50, einer Ansteckung aussetzen? Nö, geht gar nicht. Lehrer*innen können ja nicht in Schutzmasken rumlaufen und unterrichten – schon, weil keine da sind am Markt.

Dazu kommt die Frage, wer denn die Schüler*innen zur Schule fährt? Im ÖPNV, mit der Rheinbahn in Düsseldorf ?Wohl kaum.  

 „Der Markt“, damit ist meist der Aktienmarkt und eine Spekulation gemeint, die sich von der realen Wirtschaft abgekoppelt hat.  Die Corona-Krise sorgt für eine weitere Konzentration und in vielen Bereichen  für eine Umverteilung von unten nach oben: Kleine und mittlere Firmen haben schlicht nicht das Geld, um eine längere Krise erfolgreich zu überstehen. Große Konzerne verhandeln auf einer anderen Basis mit den Banken. Kredite sind in dieser Krise schlicht unverzichtbar. Aber das Zahlungsziel muss weit in die Zukunft verlegt werden – und das ist für KMU nicht so einfach auszuhandeln mit den Banken.

Es gewinnt eben nicht nur der Stärkere – es gewinnt meist der Skrupelloseste.

Der Markt regelt das nicht, von Jule Govrin, in Die Zeit ( www.zeit.de/kultur/2020-04/pandemie-coronavirus-kapitalismus-wirtschaft-wachstum-deutschland  )

So langsam erst setzt sich die außerdem die Erkenntnis durch, dass nicht nur die Misere der kleinen Betriebe, sondern auch der freischaffenden Künstler*innen und der kleinen Off-Theater ein Drama ist. Kein Publikum, keine Einnahmen, es droht das wirtschaftliche Desaster. Und einige forrdern das Geld für die Karten zurück.

Am Schauspielhaus, dem D’Haus , haben die Schauspieler*innen und Bühnentechniker wochenlang geschuftet bei den Proben, auf die Premieren hin, etwa bei LULU, die gerade mal eine Aufführung hatte. Andere Stücke sind gar nicht zur Premiere gekommen. (Link Lieke Hoppe über Premieren mit gebrochenem Finger und Reflexionen über „Lulu“: 15 Minuten mit Lieke Hoppe (VIDEO) ) Andere haben kein festes Engagement und müssen Arbeitslosengeld beantragen, manche kleinen Bühnen stehen vor dem Ruin. Dem Schauspielhaus fehlen auch Einnahmen, abwer es geht mit viel Phantasie im Netz weiter. (Link D Haus www.dhaus.de/  )

Und die Politik in Düsseldorf  ? OB Thomas Geisel SPD hat sich in der sogenannten Corona-Krise als hervorragender Krisen-Manager gezeigt. Das weckt Neid, Politiker*innen suchen nach einem Thema, um sein Imgae zu demontieren. Ausgerechnet die Grünen packen in der Virus-Krise die Umweltspuren aus und fahren OB Geisel an die Karre: Weil die Umweltspuren jetzt keine Fahrradspuren geworden sind. Wozu aber? Umweltspuren sidn für bessere Luft geschaffen worden, die haben wir ja seit einiger Zeit. Zurzeit kann jeder hervorragend mit dem Rad durch die Gegend fahren, weil so wenig Autos unterwegs sind. Naja, die Manie dem OB zu schaden bei einigen Grünen, was Solls…

Solidarität

Während ich dies schreibe, sitze ich im Kleingarten auf der Terrasse, bei bestem Sommerwetter, in frischer Luft. Krankheiten, Seuchen, Pandemien – die zeigen auch immer wieder gesellschaftliche Verhältnisse auf. Die allein erziehende Kassiererin oder Krankenschwester, die Postbotin – sie können nicht im Garten sitzen und die frische Luft inklusive gesunder Umgebung nutzen. Sie können auch nicht ständig teureres Fleisch aus Bio-Haltung und ohne Zusatzstoffe auf einen Grill legen. Oder das frische Gemüse vom Regionalmarkt ( kein Händler weiter als 70 km weg) zum Kochen nutzen. Das ist bei unserem „freien Markt“ nämlich teurer. Wobei zurzeit die Erzeuger viel zu niedrige Preise erhalten. Wer Bio-Fleisch und Bodenhaltung will, muss logischer weise auch für höhere Erzeugerpreise eintreten – und daraus folgend  für sehr viel höhere Löhne und Gehälter. Damit wären wir dann bei sogenannten linken Thesen …

Der Markt ist aber nun mal nicht alles. Gesundheit ist eine Grundversorgung für die Bürger einer freien Gesellschaft. Für die Grundversorgung muss der Staat sorgen. Nicht Konzerne, die 20 und mehr Kliniken betreiben und Personal einsparen. Es wäre mal eine interessante Diskussion im Fernsehen: Bringen wir die Kliniken wieder zurück in die (auch finanzielle) Verantwortung der Kommunen.

So sitze ich also und blicke auf blühende Tulpen und wachsende Himbeeren. Vielleicht bekomme ich dieses Virus ab. Wenn ich noch eine gute Konstitution habe, wird es mit einem guten Verlauf enden. Aber ich kann eben auch nur hoffen, dass unsere Gesellschaft nicht einen allgemeinen, kollektiven Mundschutz verpasst bekommt und nichts mehr sagt gegen Missbrauch einer pandemischen Situation. Ungarn und Polen haben bereits einen krankhaften Verlauf, die USA ebenso. Lassen Sie uns trotz Virus und Mundschutz einen klaren Kopf bewahren und dafür eintreten, dass die „systemrelevanten“ Krankenschwestern, Ärzt*innen und alle die anderen wichtigen Berufe in unserer Gesellschaft endlich auch die finanzielle  Anerkennung bekommen, die sie verdienen. Und das sie sicher arbeiten können.

Ich wünsche Ihnen frohe Ostern.

(Autor Jo Achim Geschke)