Parteien im Rat: Die Piraten

Die Piraten – Portrait einer kleinen erfolgreichen Crew

Von Jo Achim Geschke |

Patrick Schiffer (li) und Frank Grenda im Büro der Piraten /Foto Jo Geschke NDOZ.de

Die „Piraten“ haben sich in Düsseldorf mit viel Einsatz Einzelner einen Platz im politischen und gesellschaftlichen Leben erobert. NDOZ.de sprach mit Patrick Schiffer (42), Landesvorsitzender der Piratenpartei NRW und Mitglied im Schulausschuss, und Ratsherr Frank Grenda (48) über die Einflüsse der Piratenpartei im Rat, gesellschaftliche Aktivitäten und die vorgesehene 2,5 % Sperrklausel bei Kommunalwahlen.

Die Piraten sind keineswegs nur als Ein-Mann-Betrieb im Rat aktiv, auch wenn dort nur Frank Grenda an den Plenumssitzungen teilnimmt. „Wir haben in Düsseldorf zurzeit um die 250 Mitglieder, organisatorisch sind rund 20 aktiv, die bei der Ratsarbeit mitdiskutieren, am Stammtisch der Piraten teilnehmen und bei der Organisation des Kreisverbands helfen. Dazu kommt der wiedergewählte Kreisvorstand, der für Kontinuität sorgt. Fünf Piraten sind zudem in der Kommunalpolitik in den Bereichen Digitales und Flüchtlingshilfe sehr aktiv“, erläutert Patrick Schiffer.  

„Wir haben aber auch etliche Aktive im Kreisverband, die auch auf Landesebene, etwa als Mitglieder des Landtags oder auf Bundesebene aktiv sind. Heißt: sie haben eine Doppelbelastung, wie bei mir. Mitglieder der Landtagsfraktion sind MdL Frank Herrmann aus Ratingen, MdL Oliver Bayer, MdL Marc "Grumpy" Olejak und MdL Kai Schmalenbach. Sie bedienen unterschiedliche Themen, die immer weder auch in die Kommunalpolitik hineinspielen und sie haben an unserem Wahlprogramm 2014 mitgearbeitet.“, so Schiffer, der sich aktiv in der Ratspolitik, im Schulausschuss und bei Diskussionen in der Ampel einbringt. 

„Viele Mitarbeiter im Landtag opfern ihre Freizeit, um an lokalen Projekten mitzuarbeiten“, ergänzt Frank Grenda (47). Und außerdem, so Schiffer, sind oft Piratenmitglieder aus den umliegenden Kommunen wie Neuss und Ratingen zu Besuch und unterstützen uns tatkräftig: „Zum CSD hatten wir 20 - 30 Piraten am Stand stehen, an allen drei Tagen.“ Es sind, so Schiffer, vor allem jüngere Menschen die sich bei den Piraten engagieren. „Der jüngste ist 17, und der Älteste ist 68 Jahre alt“, so Ratsherr Grenda. Das Spektrum geht vom Computer-Nerd bis hin zum selbstständigen Kaufmann, Firmenchef oder einer Touristikfachfrau. „Aber 30 – bis 50-Jährige wissen, was sie wollen, wohin sie wollen, junge Menschen dagegen wollen aktiv werden, auf eine Demo, wollen Spaß haben – Politik ist aber teilweise ein eher trockenes, nüchternes Metier. Unser Altersdurchschnitt ist im Vergleich mit anderen Parteien doch eher jünger“, sagt Schiffer.

Im Rat sitzt Grenda seit der Kommunalwahl im Mai 2014. Es begann mit einem „Hospitanten-Status“ bei der SPD in der jetzigen Ampel. „Wir haben im letzten Jahr viel gelernt“, meint Grenda. Schule, Jugend, Baurecht und Bauprojekte, Stadtplanung – das alles wurde zunächst studiert. Inzwischen stellte Grenda im Rat etliche Fragen an die Verwaltung, brachte auch neue Themen ins Spiel. Und Grenda arbeitete in Gesprächen mit der Verwaltung etwa an der Verbesserung des Ratsinformationssystems.  

Auch die Umstellung auf eine digitale Gremienarbeit soll vorangetrieben werden und zeigt erste Ergebnisse in Zusammenarbeit mit den Ampelparteien. „Was da bisher an Papierbergen über den Tisch ging ...“, stöhnt Ratsherr Grenda. Und Schiffer ergänzt: „Auf den Schreibtischen stapelt sich zuviel totes Holz. Wir arbeiten darauf hin, dass solche Papierberge verschwinden und viel mehr die digitalen Möglichkeiten der Rathausarbeit genutzt werden.“

 (Anmerkung der Red.: Ratsunterlagen als Papierform, noch immer von vielen Zeitungsredaktionen benutzt, erreichen leider oft 20 Zentimeter Höhe – nicht nur bei Haushaltdiskussionen. Und dieses Papier, vielfach ausgedruckt, kostet schließlich Geld.)  

Grenda: „Inzwischen gibt es eine 5-Tages-Frist für die Veröffentlichung der digitalen Unterlagen für Rats- und Ausschusssitzungen auf der Website der Stadt. Auch die Antworten zu Anfragen der Parteien liegen jetzt als Anlage digital im Netz vor; das war uns wichtig. Bürger interessiert doch, wie die Verwaltung da geantwortet hat“, so Grenda.  Er habe auch mit Anregungen an der Verbesserung des Internetauftritts der Stadt mitgewirkt, etwa an neuen Online-Bürgerbefragungen, denn die letzte sei 2012 gewesen. Mit einem Portal für die öffentlichen Daten der Stadt (Open Data), wollen die Piraten die Bürger informieren und der Wirtschaft Möglichkeiten für Innovationen anbieten. www.offenedaten-duesseldorf.de

Aufgabe für 2016 sei: Wie wird der Bürger insbesondere digital eingebunden und informiert über die Arbeit von Verwaltung und Politik – und das durchaus detailliert. Patrick Schiffer betont, es gebe jetzt viel Zusammenarbeit mit der Ampel, schon allein dadurch, dass er auf Initiative der SPD einen Sitz im Schulausschuss habe und die Zusammenarbeit mit den Ampel-Parteien durchaus Anregungen der Piraten ermögliche. Unterschiede zu den politischen Auffassungen der anderen Parteien seien zwar durchaus vorhanden, aber die Möglichkeiten der Piraten seien dadurch erheblich verbessert worden. Eng zusammen arbeiten sie im Schulausschuss mit der EDS (Elternschaft Düsseldorfer Schulen) und der Bezirksschülervertretung. Der Nachteil für die Piraten: Sie können als Einzelmitglied im Rat keinen eigenen Antrag stellen und sind auf die Unterstützung der Ampel-Parteien angewiesen.

Schulpolitik, Schulbauten und Netzzugänge

Das Projekt „Schulbauleitlinien“ beispielsweise sei eine Initiative der Piraten gewesen. „Der Verwaltung und auch dem Rat war klar, es müssen neue Schulen gebaut werden.“, so Ratsherr Grenda. Er habe angefragt, wie werden eigentlich Schulen errichtet, wie sieht eine moderne Schule aus? Er habe dann bei Nachfragen oft erfahren, dass gesagt wurde: Ist nicht meine Baustelle, wenden Sie sich an Amt soundso. Wenn aber nun die IPM (IDR Public Management) den Auftrag erhält, ein neues Berufskolleg zu bauen, muss sie ja wissen, wie das aussehen und funktionieren soll. Es gab eine ältere Richtlinie vom Land, die aber ausgesetzt wurde und die Kommunen müssen nun eigene Regeln aufsetzen. Köln oder Münster haben schon 2009 und 2010 ihre eigenen Schulbauleitlinien entwickelt und Architekten und Projektentwicklern an die Hand gegeben. Einem Änderungsantrag der Piraten zu einer Vorlage der Verwaltung wurde dann von SPD und Grünen sowie der Linken im Düsseldorfer Rat am 28. Mai zugestimmt. Fachgruppen von Experten und Verwaltungsämtern arbeiten nun die Leitlinien für Schulbauten nach den neuen Anforderungen (etwa der Inklusion oder des Netzzugangs) aus.  

Schiffer betont ein Ziel der Piraten: Es müsse für alle Schulen geregelt werden, wie Zugänge zum Netz, die Leitungen, die Wartungsverträge - die ja Kosten auch noch in zwei oder drei Jahren verursachen - einheitlich geregelt werden und dass das nicht nur vom Engagement einzelner Lehrer abhängen dürfe. Er habe also im Schulausschuss angeregt, „dass wir in mehreren Gruppen Konzepte für IT und Beratung entwickeln und dafür sorgen, dass wir nicht alles auf den Schultern der Lehrer abladen.“ Andere Städte seien da schon weiter, das sei aber hier in den letzten 15 Jahren unter der CDU-Führung verschlafen worden. Und die Implementierung von W-LAN sei längst nicht abgeschlossen. Aber auch der Breitband-Ausbau auf Landesebene hinke ja der Entwicklung hinterher, ergänzt Schiffer, der beim Thema IT für Schulen im Fachausschuss weiterhin dran bleibt. Außerdem arbeitet Schiffer bereits an der Möglichkeit für offene Lehrmaterialien im Netz und wird dazu zukünftig eine Veranstaltung organisieren.  

Aber auch die Forderung „Freies W-LAN“ für die gesamte Stadt sei noch nicht umgesetzt und müsse voran getrieben werden, so Grenda. Zudem müsse es eine Möglichkeit geben, ehrenamtliches Engagement in den Stadtteilen zu vernetzen und Informationen über Vereine, Verbände und Projekte stadtteilübergreifend im Netz zur Verfügung zu stellen. Schiffer nennt ein weiteres Problem: Land und Bund machen den Gemeinden Vorgaben, zum Beispiel die Inklusion einzuführen. Aber die Kosten dafür bleiben dann bei der Kommune hängen. Und zudem müssten erheblich mehr Lehrer eingestellt werden vom Land, stattdessen seien die Klassenstärken erhöht worden. Bildung werde sowohl vom Land als auch vom Bund als großes Thema proklamiert, laufe aber in der Kommune eher auf Sparflamme.

Thema Schulden und Schuldenfreiheit

Das Thema Schulden und Schuldenfreiheit wird angesichts der erheblichen finanziellen Belastungen der Stadt, etwa durch Sturmschäden von „Ela“ und die Unterbringung von Flüchtlingen, den Rat und die Parteien bis weit ins nächste Jahr beschäftigen. Schiffer weist darauf hin, dass es bereits Forderungen des Städte- und Gemeindetags gebe, dass die Kommunen etwa bei der Flüchtlingsbetreuung erheblich entlastet werden müssen. Was mit den Beschlüssen der Landes- und Bundesregierung zu mehr finanzieller Hilfe für die Kommunen alleine noch nicht erledigt ist. Das Geld müsse jetzt auch zügig und komplett in den Kommunen ankommen.

Grenda: „Schuldenfreiheit hatten wir sowieso nicht. Die Rücklagen sind fast aufgebraucht. Einige Experten sagen ja, man kann alles an private Investoren outsourcen, dann ist die Belastung mit Zinsen und Tilgung geringer, also mit Public Private Partnership. Das halte ich für fatal. Eigene Firmen als Stadttöchter zu gründen, in denen kaufmännisch gerechnet wird sind effektiver, solange die Stadt über den Rat bzw. Ausschuss darüber aber noch den Zugriff und auch die Kontrollmöglichkeiten hat.“

Patrick Schiffer hält eine „Schuldenbremse“ für vernünftig – „solange Bildung und öffentliche Daseinsvorsorge der Kommune davon ausgenommen sind.“ Das müsse aber auch für Land und Bund gelten. Auf kommunaler Ebene müsse das gesamte Spektrum Bildung ausgenommen werden. „Bildung ist unser Rohstoff, das, womit wir unser Inlandsprodukt erwirtschaften. Wenn wir die Produktion von Know How, von Wissen einstellen, dann haben wir keine Grundlage von Politik mehr. Wir müssen dort investieren, wo es die Möglichkeiten gibt, die Schulden wieder abzuarbeiten.“

Wenn der OB demnächst bekannt gibt, es gehe nicht anders wegen der früher aufgebrauchten Rücklagen, wir müssen Schulden machen, um neue Schulen zu bauen und zu erweitern. Was sagen die Piraten dann? Grenda dazu: „Infrastrukturprojekte, die der Düsseldorfer Bevölkerung direkt zu Gute kommen, halte ich für finanzierungsfähig, auch in ausgelagerten Firmen.“ Die Stadt habe früher zuviel Geld in „Schönheitsfaktoren“ investiert, wie z.B. den Kö Bogen oder in Prestigeprojekte – und nicht in Bildung. Und Schiffer ergänzt: „Man muss eben schauen, wofür die Schulden aufgenommen werden und immer im Blick behalten, dass es sich auf lange Sicht auch rentiert.“

 2,5 % Hürde bei Wahlen

Zu den Plänen einer Sperrklausel von 2,5% bei Wahlen auf kommunaler Ebene von SPD, Grünen und CDU merkt Patrick Schiffer abschließend an: „Ich halte die Argumente für die kommunale Sperrklausel für demokratiefeindlich und lediglich vorgeschoben. Es geht allein um Machterhalt und reine Bequemlichkeit. Unglaubwürdig ist die Argumentation auch deshalb, weil insbesondere in Düsseldorf, Köln, Bielefeld aber auch in anderen Kommunen wir Piraten mit unterschiedlichen Regierungsparteien koalieren oder sehr eng zusammen arbeiten. Daran sieht man, dass konstruktive Ratsarbeit auch mit einzelnen Ratsmitgliedern und kleinen Gruppen möglich ist.“