Rund 6000 protestierten gegen geplantes Versammlungsrecht

Journalisten von Polizei angegangen, unverhältnismäßiger Polizeieinsatz bei Demo gegen geplante Verschärfung des Versammlungsrechts

Von Jo Achim Geschke |

Demo gegen Versammlungsrecht

Mehr als 6000 protestierten gegen Einschränkungen des Versammlungsrechts / Foto Jo Geschke

Bundesweite Aufmerksamkeit und scharfe Kritik an Polizei und dem Innenminister NRW gab es nach Angriffen und Übergriffen von Polizeibeamten auf Demonstrierende am Samstag in Düsseldorf. Ein Fotograf der Agentur dpa beklagt, von einem Polizeibeamten mit dem Schlagstock geschlagen zu sein, die Elternorganisation „Parents for Future“ berichtet, der Pressesprecher des Innenministers sei geschlagen worden, Thomas Kutschaty von der SPD fordert eine Aufklärung im Landtag zu den Übergriffen der Polizei. Laut dpa hat eine Polizeisprecherin angekündigt, dass es eine Strafanzeige gegen einen Beamten wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt geben werde.

Schon zu Beginn der Demonstration gegen das geplante Polizeigesetz war die zahlenmäßig große Präsenz der Polizei auffällig. Journalist:innen witzelten noch zu Beginn, 3000 Demonstrierende und 3000 Polizisten… Rund 6000 Menschen, laut Veranstalter 8000,  aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen von Juristen (in Robe) bis zu Jugendlichen, von politischen Gruppen wie den SPD-nahen „falken“ bis zu den (friedlichen) Kölner und Düsseldorfer Fußballfans waren am Samstag gegen 13 Uhr auf die Rheinwiesen gekommen, um gegen das von Innminister Herbert Reul CDU geplante neue Versammlungsgesetz zu protestieren. Verschiedene Proteste gab es bereits seit Monaten.

Auffällig ist dabei, und dies wird von Zuschauer:innen, Journalist:innen sowie Parteien kritisiert, dass bei Demonstrationen der sogenannten „Querdenker“ das Polizeiaufgebot  in sehr bescheidenen Grenzen bleibt. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass das Demonstrationsrecht ein hohes Gut ist, wie es Politiker immer wieder betonen.

Im Sinne eines demokratischen Rechtsstaats ist bei Einsätzen der staatlichen Gewalt aber die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Wenn eine Gruppe von Demonstrierenden aber eingekesselt wird, weil sie zu den vorgeschriebenen OP- oder FFP2-Masken auch Sonnenbrillen trägt, und dies von der Polizei als Vermummung bezeichnet wird,  ist das möglicherwiese keine Verhältnismäßigkeit. Zumal Jugendliche aus verschiedenen Blöcken ihre Sonnenbrillen – wegen der starken Sonneneinstrahlung – schon zu Beginn der Demo trugen, wie ja Fotos belegen. Jugendliche bei nachmittäglicher Hitze ohne Zugang zu Wasser und Toiletten über mehrere Stunden festzusetzen, ist ebenfalls keine Verhältnismäßigkeit im Sinne des Rechtsstaates. Der Kessel bestand nach Berichten von unbeteiligten Augenzeugen bis fast bis Mitternacht in der Breite Straße/ nahe dem Verwaltungsgericht, das heißt, mehrere Stunden. Wer den Kessel verließ, wurde Erkennungsdienstlich behandelt, das heißt, fotografiert und die Personalien festgestellt. Angeblich soll es Anzeigen wegen Landfriedensbruch geben. Mitglieder des Landesvorstands der Partei der Linken waren nach eigenen Angaben mehr als 5 Stunden in dem Polizeikessel festgesetzt.

Wie wollen Verteidiger des geplanten Versammlungsgesetzes denn verteidigen, dass offensichtlich schon bei dieser Demo Polizeibeamte sich nicht an geltende Vorschriften gehalten haben ? Also genau jene Befürchtungen der protestierenden Gruppen bestätigt haben? Wie will die FDP beispielsweise, also die Partei von Gerhart Baum und dem leider verstorbenen Burkhard Hirsch, diese Verletzungen demokratischer Freiheitsrechte verteidigen?

Das Bündnis erklärt heute dazu: „Wir verurteilen insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Polizei durch das neue Versammlungsgesetz mehr Verfügungsgewalt eingeräumt wird, ihr Verhalten, gewaltsam gegen eine breit aufgestellte, ruhige Demonstration vorzugehen. Unter dem Vorwand der Vermummung durch das Tragen von medizinischen Masken, welches Teil der Auflagen war, und dem Verbinden von Transparenten wurden bis zu 60 Menschen, inklusive Journalist:innen, verletzt. Die Eskalation ging klar von der Polizei aus.“

Die Kritik am Gesetz:  

Das neue Versammlungsgesetz NRW umfasst:

  • » die Ausweitung der Videoüberwachung von Demonstrationen
  • » die Kriminalisierung einheitlicher Kleidung, z.B. der weißen Maleranzüge der Klimagerechtigkeitsbewegung
  • » die Erschwerung antifaschistischer Gegenproteste durch ein erweitertes Störungsverbot
  • » die Durchführung von anlasslosen Polizeikontrollen und Durchsuchungen, die den Zugang zu Demonstrationen erschweren können
  • » mehr Hürden bei der Anmeldung von Versammlungen
  • » die Festschreibung der Strafbarkeit von „Vermummungen“ und „Schutzausrüstung“
  • » erleichterte Beschränkungen und Verbote durch die Polizei

Sollte dieser Entwurf verabschiedet werden, würde bereits ein Aufruf zur gewaltfreien Blockade von Aufmärschen neofaschistischer und rechtspopulistischer Parteien und Gruppierungen unter Strafandrohung von bis zu zwei Jahren gestellt werden. Gewinner wären nur rechte Parteien und Gruppierungen.

Jedoch wären davon nicht nur antifaschistische Kundgebungen betroffen, sondern auch Kundgebungen der Gewerkschaften, der Friedens-, Umwelt- und Klimabewegung, wie z.B. „Fridays for Future“ oder „Ende Gelände“.

Der Gesetzentwurf schreibt vor, dass in der Einladung zu einer öffentlichen Versammlung der Name des Veranstalters oder der Veranstalterin anzugeben sei, er somit öffentlich wird. Die anmeldende Person einer antifaschistischen Demonstration wird damit den Nazis zum Fraß vorgeworfen.

Detaillierte Infos unter :

www.nrw-versammlungsgesetz-stoppen.de

Das Bündnis

Das Bündnis "Versammlungsgesetz NRW stoppen - Grundrechte erhalten", dessen Aufruf über 170 Organisationen unterstützen, hatte sich nach eigenen Angaben im März 2021 gegründet und eine umfangreiche Protestkampagne in Gang gesetzt. Es bildeten sich Regionalgruppen in den großen Städten NRWs, es wurden dutzende Informationsveranstaltungen durchgeführt und eine Vielzahl an Kundgebungen und Demonstrationen abgehalten. Das Ziel des Bündnisses ist die komplette Verhinderung dieses als autoritär und demokratiefeindlich eingestuften Versammlungsgesetzes.

demo Versammlungsgesetz, Klimaschuetzer

Klimaschützer bei Demo gegen Versaammlungsrecht / Foto Jo Geschke