Man kann die Kultusministerkonferenz nicht mehr ernst nehmen.

Lockdown, Schulen und Corona. Das Chaos geht weiter. Ein Rant.

Von Stefan Scholz |

Vater Kind mit Maske vor der Schule
Vater mit Kind mit Maske vor der Schule

Vater mit Kind mit Maske vor der Schule

Seit gut einem Jahr beweisen die Kultusminister der Länder nachhaltig, dass sie den Herausforderungen der Pandemie nicht gewachsen sind. Manche mehr, manche weniger, das Problem ist parteiübergreifend, systemisch und nicht zuletzt personenbedingt. Und ich schicke voraus, es wird sich leider nicht ändern lassen. Daher mache ich meinem Ärger in diesem Rant jetzt mal Luft. Etwas anderes bleibt mir mangels Alternativen nicht übrig.

Zuletzt am 04.01.2021 durfte ich einen Artikel über die aktuelle Planung der Kultusministerkonferenz im Spiegel lesen, der mich getriggert hat. Schon wieder.

„Nach dem Willen der Kultusminister sollen die 16 Bundesländer selbst entscheiden können, wann sie mit einer Teilöffnung der Schulen beginnen. Das geht aus dem Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) hervor, die am Montag über ein gemeinsames Vorgehen für die Zeit nach den Weihnachtsferien beriet.“

Ich sehe da keinen Plan. Man berät über ein gemeinsames Vorgehen, aber die 16 Länder sollen dann doch selbst entscheiden. Man hat also - offensichtlich sehr vergeblich - über ein gemeinsames Vorgehen beraten?

Die KMK macht sich seit einem Jahr mehr als überflüssig, mit ihrer auf die Spitze getriebenen Verantwortungs-, Konzept- und Planlosigkeit. Ihr wollt differenziert und Inzidenzorientiert vorgehen, dann müsstet ihr konsequenterweise aktuell auch eine Mauer um Sachsen bauen. Das würde sicherlich viele Probleme lösen, geht aber irgendwie nicht nochmal. Also, einigt euch gefälligst bundesweit und der Situation angemessen. Kein "mimimi" mehr bitte. Danke.

Die direkt Betroffenen dürfen es nämlich ausbaden und die haben gar keine Lust mehr darauf, euch ständig ohne messbare Ergebnisse hinterherzurennen. Das geht ein paar Monate lang klar, nun muss aber endlich mal Schluss sein. Dieses vollständig inkompetente Gremium sollte aufgelöst (niemand wird es vermissen) oder mit fachkundigem Personal neu besetzt werden.

Und in der Tat, das sagen mir auch nicht wenige Lehrer aus meinem Bekanntenkreis, die stets brav gehorchen und dennoch mächtig angefressen sind. Lustig ist das Beamtenleben. Nicht wirklich.

Sicher, es ist schwierig für die Kultusminister, doch das ist keine Entschuldigung für das Versagen.

In unserem föderalen System gibt es systemimmanent beim Thema Bildung keine nationalen Entscheidungen, außer man einigt sich einvernehmlich, schnell und idealerweise länderübergreifend. Was auch dringend nötig wäre, um in einer massiven Krise Planungssicherheit für alle zu schaffen. Klassischer Fall von „Schuss nicht gehört“. 365 Tage. In dieser Zeit hat der Schall 10.827.360 km zurückgelegt, die KMK dagegen kaum einen Meter.

Leider stehen der dringend notwendigen Einigung im Sinne der Betroffenen, das sind: SuS, Eltern, Schulleiter:innen und Lehrer:innen, wohl politische Erwägungen und vermutlich auch persönliche Interessen gegenüber. Und diese scheinen zu überwiegen. „Wir sind die tollsten, wir lockern“. Verdammt, wen wollt Ihr damit einfangen?

Im Ergebnis findet also keine Einigung statt. Kreative sinnvolle Lösungen, die geeignet wären, die Pandemie und die damit verbundenen gesellschaftlichen Kosten nachhaltig einzudämmen werden in der KMK scheinbar nicht einmal angedacht. Der gesellschaftliche Schaden ist kaum zu beziffern.

Das ist verantwortungslos und maßlos egoistisch in einer pandemischen Situation, die an sich ein gemeinsames und sogar internationales Vorgehen unbedingt erfordert.

Mittlerweile wurde die deutlich ansteckendere „englische“ Variante auch bereits in Deutschland nachgewiesen. Und ja, die wird sich durchsetzen. Survival the fittest, das Prinzip ist ja hinlänglich bekannt. Den meisten gebildeten Menschen jedenfalls.

Doch von internationalen Lösungen sind wir leider teilweise sehr weit entfernt. Also bleiben wir der Einfachheit halber erst einmal in Deutschland. Das ist schlimm genug.

Amtseid, quo vadis?

An diese Stelle möchte ich an den Amtseid erinnern, der in den Bundesländern zwar unterschiedlich ausfällt, doch im Kern derselbe ist, wie ihn auch die Bundesminister in Deutschland ablegen:

„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde […].“

Dass dieser Amtseid erfüllt wird, sehe ich derzeit nicht.

Vielmehr sehe ich, dass von den verantwortlichen Politikern wissenschaftliche Erkenntnisse nicht beachtet oder mutmaßlich sogar verfälscht bzw. verschwiegen werden, wie zuletzt in Hamburg. Warum?

Ich sehe auch, kommen wir mal auf unsere Heimat zu sprechen, dass die verantwortliche Ministerin in NRW, Frau Yvonne Gebauer (FDP), intelligente Lösungsansätze wie den „Solinger Weg“ ablehnt und mit viel Energie und sehr kreativ bekämpft hat. Was soll das?

Die aktuellen Ergebnisse der REACT-1 Studie aus England, die vor allem jüngere Menschen (Schüler*innen) als Überträger ausmacht, werden von der KMK anscheinend auch nicht wirklich beachtet. Abschlussklassen husch, husch, ab in die Schule, also genau die Gruppe, die am besten geeignet ist, das Virus zu verbreiten. Gebt den Schüler:innen doch einfach ein Jahr mehr Zeit und lasst die in Ruhe.

Wo ist das fucking Problem? Ist doch egal, wem das nicht passt. Wollen wir den Mist loswerden oder durch sinnfreie zu schwache Regeln und fehlgeleitete Toleranz die Lockdowns immer weiter verlängern? Auf Kosten mehrerer 100.000 Unternehmer:innen und Mitbürger:innen, die faktisch unter einem Berufsverbot leiden. Sind die nichts wert?

Ich will sicher nicht in einer totalitären Gesellschaft leben, aber wenn sich die Leute mal am Riemen gerissen hätten und im Frühjahr 2020 zwei Monate konsequent zu Hause geblieben wären, wären wir das Virus längst los. Siehe China, Wuhan, die machen schon wieder Party. Aber nein, das geht ja nicht. Dann lieber 1,5  Jahre herumeiern und das ganze Land dauerhaft in die Scheiße reiten.

Dabei benötigt man nur ein wenig gesunden Menschenverstand, um Folgendes jetzt akut zumindest als mögliche und massive Gefahr zu erkennen:

Kinder und Jugendliche, die sich infizieren, jedoch nur milde Symptomen zeigen oder sogar symptomfrei bleiben, können dennoch ansteckend sein. Damit sind sie dann (quasi) die Stealth-Bomber der Pandemie. Aber hey, keine Panik. Et hätt noch emmer joot jejange?

Trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse quetschen wir in NRW dennoch 30 Schüler + Lehrer mit Masken in eine Klasse und vertrauen darauf, dass das funktioniert.
Das gibt locker 4 von 5 Punkten beim Darwin Award. Glückwunsch.

Das Primat des Präsenzunterrichtes ist für Frau Gebauer alternativlos. Das hat sie mehrfach bekräftigt, mit teilweise eher fadenscheinigen Begründungen:

„Für manche Kinder stellt der Präsenzunterricht die Garantie für eine warme Mahlzeit am Tag dar“.

Dazu kann ich nur sagen, eines meiner Kinder bekam diese warme Mahlzeit bis zum Beginn des ersten Lockdowns in der Kantine des gegenüberliegenden Altenheims. Noch Fragen? Keine Ahnung, wie viele Bewohner dieser Einrichtung kläglich verreckt sind, ich hoffe keine, die die Kinder trugen ja Masken und es gab auch Desinfektionsmittelspender am Eingang. Siehe auch „Darwin Award“.

Die Priorität sollte nicht auf Butterbrot oder Bratkartoffeln liegen. Es geht um Bildung und Teilhabe. Da kann das Kind auch mal eine Banane zur Stärkung essen, wenn der Unterricht digital zu Hause erfolgt, was ja leider aufgrund des Totalversagens der Kultusminister (nicht erst) seit Januar 2020 nicht erfolgreich möglich ist.

Und auch wenn Frau Gebauer sich das nur schwer vorstellen kann, die meisten Eltern dürften ohne weiteres fähig sein, eine Mahlzeit vorzukochen und ein 12-jähriges Kind anleiten können, sich das Mittagessen gefahrlos in der Mikrowelle aufwärmen. Das traue ich persönlich den unterprivilegierten Haushalten übrigens eher zu, als den privilegierten.

In einer idealen Welt gäbe es für jede Schule auch einen digitalen Betreuungsraum, in dem sich Kinder frei mit Sozialarbeiter:innen unterhalten könnten und Zuspruch und praktische Hilfe erhalten würden. So schwierig wäre das nicht, allein es fehlt der Wille, nicht das Geld. Das druckt der Olaf ganz locker.

Wer einmal einen intelligenteren und deutlich differenzierteren und positiveren Beitrag als diesen hier zum Thema Schulorganisation in der Pandemie lesen möchte… bitte hier entlang zum Artikel von Marina Weisband.

Wir schalten zurück ins Kultusministerium NRW. Vollständig empathielos war Frau Gebauer bereits im April 2020 im Radio unterwegs, als sie mit den Sorgen von Schülern konfrontiert wurde, sie könnten sich in der Schule anstecken & risikobelastete Familienmitglieder infizieren.

Antwort: „Man erarbeite unter anderem Leitfaden für Lehrer, wie Schülern Ängste genommen & mit Todesfällen umgegangen werden könne.“

Fett. Wer es nicht glaubt und nachhören möchte, hier das Interview. Das ist prima: Man verhindert zwar nicht, dass Opa auf der Intensivstation stirbt, bietet aber Trauerbegleitung. Großes Kino.

Das hier im Ernstfall die Existenz ganzer Familien auf dem Spiel steht, hat die Ministerin in Ihrer grenzenlosen Weisheit wohl nicht bedacht. Wie kann sich ein einigermaßen intelligenter Mensch (so viel Respekt muss sein, auch wenn es aktuell schwerfällt) zu so einer Aussage hinreißen lassen?

Zurück zum Kern: Präsenzunterricht um jeden Preis, warum?

Die Erklärung ist einfach. Weil wir es digital nicht können. Aber das wollen die Kultusminister natürlich nicht zugeben. Das wäre das Eingeständnis, dass es seit der großen Augenwischerei „Schulen ans Netz“ (das war 1995) niemanden wirklich interessiert hat, die Digitalisierung der Bildung voranzutreiben. Wir reden von Wirtschaft 2.0, 3.0, 4.0… Bildung steht dagegen bei 0.1.1.

Bereits während des ersten Lockdowns wurden die Schwächen der digitalen Bildungsinfrastruktur schmerzlich offensichtlich. Sie ist schlicht nicht existent.

Die Schulen haben teilweise mit aufopferndem persönlichem Einsatz seitens einiger digital kompetenter Lehrer versucht, internetbasierte Lernumgebungen herzustellen. Bis spät in die Nacht. Oft genug vergeblich, auch weil das Kollegium nicht komplett mitzog.

Es gibt keine nationalen Bildungsserver, keine für die Schulen einfach und zentral verfügbaren Plattformen, die geeignet wären, das wichtige Erlebnis Klassenraum richtig gut in die Kinderzimmer zu transportieren. Viele Lehrer verzweifeln, weil die von Landesseite zur Verfügung gestellten Plattformen regelmäßig unter der Last zusammenbrechen und suchen Auswege.

„Ich stelle meine Aufgaben morgens um 5:00 ein, weil danach nichts mehr geht“

Resultat des individuellen Aktionismus sind meist gut gemeinte Insellösungen, die man auch beim besten Willen nicht als gut gemacht bezeichnen kann. Da lügen sich viele Schulleiter*innen dann auch gern mal in die Tasche, weil sie es leider einfach nicht besser wissen.

Kein Vorwurf. Die Schulleiter*innen haben mehr als genug damit zu tun, neben dem daily business auch noch die überraschenden Ansagen der Ministerien umzusetzen. Ich persönlich wäre längst in den Streik oder Burnout gegangen, den Job will ich wirklich nicht haben. Respekt! Ein bisschen mehr Auflehnung anstatt Gehorsam würde mir allerdings besser gefallen.

Oder wie Freud formulierte: „Die meisten Menschen wollen nicht wirklich Freiheit, denn zur Freiheit gehört auch Verantwortung - und davor fürchten sich die meisten Menschen.“

Es gibt hier und da dennoch ein paar wenige Ausnahmen. Weil es Schulleiter:innen gibt, die ausscheren und abseits der vorgegebenen Wege nach Lösungen suchen und diese auf eigene Verantwortung implementieren. Zu oft ohne offizielle Genehmigung und immer mit der Angst im Nacken, dass eine  Bezirksregierung, ein kantiger Datenschützer oder besorgte Eltern nutzlos und kontraproduktiv dazwischenfunken.

In Deutschland wird viel lieber ziellos über Datenschutz diskutiert, verboten und Unsicherheit verbreitet, anstatt mit der „geballten Kraft der deutschen Volkswirtschaft“ auf ausgewählte Anbieter zuzugehen und sichere Lösungen zu schaffen. Blöde Formulierung, das mit der geballten Kraft, Entschuldigung. Trotzdem!

Das „auf die Anbieter zugehen“ hätte vermutlich weniger gekostet als die (bisher) 9 Milliarden schwere Rettung der Lufthansa. Zum Vergleich: Es gibt 10,9 Millionen Schüler:innen in Deutschland, die Lufthansa hat 135.000 Beschäftigte. Es wären ein paar  Anpassungen notwendig gewesen. Hmm.

Google Classroom, Microsoft 365, Teams, Zoom hätte man sicherer machen können – nun haben die Anbieter das mittlerweile aber bereits auch ohne politischen Druck schon fast konform und relativ gut erledigt. Not perfect, aber was will man denn noch?

Ist auch logisch, man nennt es „Markt“. Hat die Politik anscheinend noch nicht mitbekommen. Es wird also immer noch ziellos herum gerudert. Es gibt seit einem Jahr keine neue pandemiegetriebene, nationale digitale Bildungsoffensive, die geeignet wäre, auch langfristig digitales Lernen zu etablieren. Es gibt gute Ansätze. In den Ländern. Föderales System halt. Jeder macht sein eigenes Ding. Das dauert. Zu lang. Zu teuer.

Selbst so eine „beschissene“, aber potenziell brauchbare Software wie Moodle hätte man mit ein paar 100 Millionen in einem Jahr ganz locker national perfekt weiterentwickeln und als großartiges Produkt ausrollen können. Ja das geht.

Bei all ihren Schwächen hat das bei der Corona-App ja auch funktioniert. Was steht dagegen? Kein Plan, keine Ahnung. Und es gibt noch deutlich bessere Lösungen, diverse Startups. Aber, in einer Stadt wie Düsseldorf gibt es eine Initiative der Stadt und es gibt die Plattform des Landes und es gibt unzählige weitere Insellösungen. WTF? Das kann erfahrungsgemäß nicht funktionieren. Es gibt ja auch nicht 5 Facebooks, Amazons, Apples, Microsofts oder Googles. Warum nur? Habt ihr nicht kapiert, klar.

Das alles führt am Ende auch zu der Frage: Was qualifiziert eigentlich Yvonne Gebauer, eine Rechtsanwaltsfachangestellte bzw. selbständige Kauffrau im Immobiliensektor mit einer eher mageren Biografie, das Kultusministerium des bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich wichtigsten Bundeslandes zu führen?

Wer hat diese Frau ermächtigt (Fangfrage, nicht mein Kanzler), in der aktuellen Lage weitreichende Entscheidungen auch über Leben und Tod von Lehrern, Schülern und deren Angehörige zu treffen und dann noch Interviews zu geben, die nun wirklich unterirdisch sind? Hat die Frau Ministerin keine kompetenten Berater oder hört sie einfach nur nicht zu?

Ist es eine Qualifikation für das Amt, dass sie mal einen Beherbergungsbetrieb geleitet hat? Dass sie mit 16 in die FDP eingetreten ist? Dass ihr Vater Schuldezernent der Stadt Köln war? Nichts davon, denke ich.

Wäre Frau Gebauer in einem Ihrer anderen Jobs erfolgreich gewesen und dort verblieben, wäre uns Eltern und anderen Opfern ihrer Politik im letzten Jahr vermutlich Einiges erspart geblieben. Unter anderem die stets zuverlässig freitags getätigten Ansagen, die die Schulen dann bitte bis zum darauffolgenden Montag umzusetzen hatten.

Das kann man machen, wenn einem die betroffenen Lehrer, Eltern und Kinder scheißegal sind, weil die sich ohnehin nicht wehren können.  

Frau Gebauer wandte sich auch gegen das von der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina vorgeschlagene Aussetzen der Schulpflicht und stellte sich damit auch gegen mehrere andere Personen aus Politik und Wissenschaft wie u. a. Bundeskanzlerin Angela Merkel. Letztere hat zumindest eine wissenschaftliche Ausbildung vorzuweisen. Ich könnte lachen, wenn es nicht so traurig wäre.

Ich kann Frau Gebauer zugutehalten, dass sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die SuS einsetzt und dass es wirklich auch sehr gute Gründe für eine möglichst lange Aufrechterhaltung des Präsenzunterrichters gibt.

Sie macht es sich jedoch zu einfach. Sie schert alle Haushalte über einen Kamm. Die privilegierten, die in der Lage sind, mit Distanzunterricht locker klarzukommen und die weniger privilegierten, die das nicht so gut können.

Dabei könnte es für Entlastung sorgen, wenn die auf den Präsenzunterricht angewiesenen Kinder zur Schule gehen und die Kinder, die zu Hause vielleicht sogar besser lernen können (soll es geben) auch dortbleiben.

Wo ist das Problem? ich dachte bisher, die FDP sei liberal und freiheitlich eingestellt. Die Methoden der Frau Gebauer riechen für mich eher nach Kommunismus oder 100-jähriger Kellertreppe. Muffig und angestaubt.

Aussetzen der Schulpflicht und soziale Benachteiligung

Die soziale Benachteiligung ist ein großes, aber nicht unlösbares Problem. Nur ein paar naive Überlegungen dazu:

Man nehme... Geräte.

Handy haben alle. Also ist das Minimum schon mal vorhanden. Klar, arbeiten kann man damit nicht wirklich. Aber Kommunikation geht. Und wenn nicht vorhanden, dann bitte keine iPads für Schulen. Zu teuer, zu hermetisch, Marktanteil in der realen Arbeitswelt vernachlässigbar. Außer du bist ein total hipper Typ in einer großartigen Consulting Bude. Oder du hast halt genug Kohle und wenig Ahnung. Shitstorm in 3.2.1…

Ich weiß wirklich nicht, wie die Gehirnwäsche von Apple funktioniert, aber sie funktioniert bei den Entscheidern. Schulen werben ja auch gerne mit iPad-Klassen. Was für ein großartiger Schwachsinn. Meine persönliche Erfahrung damit – Bullshit. Unbrauchbar, lästig, unnütz.

Tolle Hardware, zugegeben. Mein iPad 1 funktioniert immer noch perfekt. Das neue Teil des Sohnes liegt jedoch in der Ecke, weil das Ladegerät pünktlich ein paar Wochen nach Ablauf der Garantie den Geist aufgegeben hat … und … wir brauchen es nicht > Ebay, wat fott es, es fott. Besser so.

Gerade bei weniger betuchten Familien (die der Politik ja angeblich so sehr am Herz liegen) ist das Fallobst nicht nahtlos in die vorhandene IT-Landschaft integrierbar.

Mal versucht, einen einfachen USB-Stick zu nutzen, um die in der Schule erarbeiteten Files nach Hause auf den vorhandenen PC zu transportieren und weiterzubearbeiten? Oder Google Drive mit einem schuleigenen iPad zu nutzen? (Lachanfall). Für die Apple Jünger: ja, ja, das geht. Easy. (Lachanfall).

Eine ziemlich gute Alternative wäre beispielweise ein Lenovo IdeaPad Duet Chromebook. Kostete vor ein paar Monaten noch (nur) 330 €, acht Jahre lang gibt es Updates. Da kann man als Regierung sicher auch einen guten Deal mit den bösen Chinesen aushandeln. Wenn man es denn wüsste und Apple einem nicht bereits das Hirn gebraten hätte. Ist ein wirklich geiles Gerät für Schüler:innen.

Breitbandanbindung. Nun ja, #Neuland.

Auch hier könnte ich mir gut vorstellen, dass man mit den in Frage kommenden Providern einen Deal hätte anstreben können. Was wäre das für ein geniales Marketing für Vodafone, Telekom, O2. Die Provider würden doch sicher in der Krise gerne die Schulen per Sponsoring unterstützen und damit alle Schüler und Eltern Deutschlands „emotional“ an sich binden - oder? War aber nicht.

Ich darf kurz erinnern, für die UMTS-Lizenzen im Jahr 2000 haben die Carrier 50 Milliarden ausgegeben. Also rund 620 € / Einwohner. Das war Geld zum Fenster raus im Gegensatz zu einer nationalen Krisenbewältigung „Wir retten die Schüler:innen“. Wer zum Teufel berät eigentlich unsere Regierung in solchen PR-Angelegenheiten?

Lehrer digital fit machen. Ja, ein sehr großes Thema. Ich habe vieles gesehen und es war teils großartig (selten) und teils komplett gruselig (zu oft). Kein Wunder, wenn man das in der Ausbildung nicht gelernt hat, wie soll man das auch können. Auch hier, kein Vorwurf!

Man greift der Einfachheit halber als Lehrer:in zurück auf Althergebrachtes. Kopierte oder handschriftliche Arbeitsblätter einscannen, den Kindern zugänglich machen (irgendwie). Dann verlangen, die Arbeitsblätter handschriftlich auszufüllen, einzuscannen oder zu fotografieren, in ein PDF umzuwandeln und zurückzusenden – oft genug mit zu enger Deadline.

Je nach Alter und Vorkenntnissen der Kinder und Eltern resultierte die vollständige Überforderung der gesamten Familie. Ich weiß nicht, wie viele Eltern im ersten Lockdown (Selbst-) Mordgedanken hatten, vermute aber, es waren nicht wenige.

An dieser Stelle sei gesagt, es ist deutlich besser geworden seitdem, weil Schulen und Lehrer in Eigeninitiative gehandelt haben. Ist es richtig gut? Nein, nur in einigen wenigen Ausnahmefällen. Aber es gibt Potential und der Wille ist klar vorhanden auf Seiten der Akteure in den Schulen.

Es war ein Jahr Zeit. Mit nur 40 Stunden und einem guten Konzept hätte man jeden blutigen Anfänger methodisch fit machen können. Nochmal 40 Stunden und jede Lehrkraft wüsste heute, wie man eine Schulstunde professionell streamen kann. Mit dem eigenen Mobiltelefon, Laptop, etc. 

Das wären 2-3 Wochen in den Sommerferien gewesen. Hätte man wissen können, das mit der zweiten Welle (History Repeating). Und auch die dritte Welle ist vorhersehbar.

Soziale Benachteiligung entsteht nicht allein durch das Ausbleiben des Präsenzunterrichts.

Soziale Benachteiligung entsteht durch fehlende digitale Teilhabe durch nicht vorhandene Geräte, zu langsame Internet-Anbindung und fehlende Kompetenz der Lehrkräfte, was diesen nicht vorzuwerfen ist. Die Schuld liegt bei der KMK und ja, auch beim Bund. Augen zu und durch, bis der Impfstoff da ist. Veränderung? Bloß nicht. Macht Arbeit. Da muss man ja mit intelligenten Argumenten überzeugen.

Die fehlende digitale Kompetenz der Lehrkräfte, ist ein Problem, das nicht ohne Konzept, harte Arbeit und tiefgreifende Veränderungen zu lösen ist.

Bei zu vielen Lehrkräften fehlte im ersten Lockdown die Bereitschaft, sich mit den digitalen Medien auseinanderzusetzen. Den Schulleiter:innen fehlte als „Primus/prima inter pares“ die Durchsetzungsfähigkeit, man kann die Kollegen halt nicht dazu zwingen, sich weiterzubilden und flexibel anzupassen. „Das geht schnell vorbei“, war viel zu oft das Credo. „Im Sommer 2020 ist alles wieder normal“. Wie furchtbar kurzsichtig und naiv. Ansagen müssen von „oben“ kommen, da kam und kommt aber nichts.

Es fehlte auch die Ermutigung seitens der politischen Akteure, Experimente zuzulassen. Es fehlte die Rechtssicherheit in Bezug auf Datenschutzproblematiken. Es fehlte vor allem die methodische Unterstützung.

Komischerweise werden in anderen Bereichen Milliarden für Berater freigegeben. Für den in Deutschland wichtigsten volkswirtschaftlichen Faktor „Bildung“ steht jedoch anscheinend weder ausreichend Geld noch qualifiziertes Personal bereit. Und wenn Geld bereitgestellt wird, sind die Hürden dieses abzurufen offensichtlich viel zu hoch. Siehe Digitalpakt Schule.

Es gibt einen einzigen Punkt in dem ich den Kultusminister:innen zustimmen würde.

Digitales Lernen benachteiligt die weniger privilegierten Haushalte, weil die Einstiegshürden zu hoch sind. Moderne Geräte und digitale Kompetenz sind in diesen Familien zu oft nicht vorhanden, die räumlichen Voraussetzungen sind mehr als suboptimal.

Und ohne Unterstützung der Eltern ist das Lernpensum für die Kinder nicht machbar, weil die Lernmittel und Materialien unzureichend sind und die Lehrer:innen zu oft nicht in der Lage sind, Unterrichtsstunden zu streamen und den Kindern auch die Grundzüge des digitalen Lernens aufgrund der eigenen Unkenntnis nicht beibringen können.

Da schließt sich dann der Kreis, Präsenzunterricht muss sein, weil sonst zu viele Kinder auf der Strecke bleiben. Nicht wegen fehlender sozialer Kontakte, nicht weil die Eltern arbeiten müssen und ihre Kinder nicht unterstützen können. Allein weil Deutschland seit 20 Jahren nicht in der Lage ist, Schule zu digitalisieren und Fernunterricht über nationale Bildungsserver lückenlos von 9:00 – 16:00 Uhr zur Verfügung zu stellen. Für Tatort und bescheuerte Talkshows zahlen geht aber locker klar.

Das ist ein Armutszeugnis sondergleichen für eine der am höchsten entwickelten Volkswirtschaften der Welt. In vielen anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung hat das (Digitalisierung) ja bereits sehr gut funktioniert. Beim Straßenverkehrsamt zum Beispiel. Hat gedauert, ist aber gut und spart enorm Zeit. Aber klar, Äpfel und Birnen. Schule ist komplexer.

Ja, auch ich bin ein großer Fan des Präsenzunterrichtes. Es spricht aber nichts dagegen, Präsenzunterricht grundsätzlich durch digitale Angebote zu ergänzen und damit auch zu verbessern. Es spricht nichts dagegen, die Kommunikation an den Schulen zu digitalisieren und die Eltern besser miteinzubeziehen. Jeder der in einer WhatsApp Elterngruppe ist, weiß wovon ich spreche.

Direkt nebenan in Frankreich ist die Digitalisierung der Schulen seit Jahren sehr weit fortgeschritten und etabliert.

Da hat jede Klasse einen digitalen Raum, in dem Kinder und Eltern das Geschehen in der Schule verfolgen, Hausaufgaben und Notenstände abrufen können und vieles mehr. Als ich das zum ersten Mal gesehen habe, konnte ich es kaum glauben. Dagegen leben wir hier in der Kreidezeit.

„Wenn du krank bist, dann ruf halt deinen Kumpel an, um zu erfahren, was gelaufen ist.“

WhatsApp hilft zwar, aber ist das nicht Abschieben der Verantwortung und des Auftrages? Und es ist zudem chaotisch und extrem zeitraubend.

Und wenn ich mir jetzt noch ansehe, was die öffentlich-rechtlichen Sender zur Lösung der Krise in den letzten zwölf Monaten beigetragen haben, frage ich mich, was ist da nur schiefgelaufen?

Man hätte sich profilieren können. Man hätte dem Bildungsauftrag locker gerecht werden können. Doch was findet man in den Mediatheken? Erst mal nichts. Nur wenn man ganz tief gräbt oder einfach nur Glück hat, dann landet man in… Bayern. Da geht ein bisschen was beim BR. Und manchmal findet man auch echte Perlen, wie die lustigen Retro Angebote z.B.: hier und hier. Wenn man Pech hat, landet man beim SWR / WDR. UX? Fehlanzeige.

Anstatt Gottschalk und Kollegen in den letzten 20 Jahren Millionen zuzuschustern, hätte man sicher auch etwas brauchbareres schaffen können. Wetten das?

Nicht, dass die Inhalte schlecht wären, leicht angestaubt, aber das geht klar. Man findet sie nur nicht so einfach. Und wenn man sie gefunden hat, dann ist die Navigation durch die Fächer schwierig und unübersichtlich und die Benutzeroberfläche wechselt zu oft. Erkläre das mal einem 10 -jährigen. No chance.

Die moderneren Plattformen wie z.B. mebis  sind dann wieder nur für ein einziges Bundesland verfügbar, einen gemeinsamen Weg gibt es nicht. Jedes Bundesland kocht sein eigenes Süppchen. Das kostet natürlich. Föderation ist schön und gut. Für das Bildungswesen in Deutschland plädiere ich für eine bundesweite Lösung. Alles andere ist Käse. Übrigens, in Mexiko wurden aktuelle Unterrichtsinhalte über das Fernsehen übertragen. Geht auch.

In Deutschland ist Bildung nach wie vor Elitenbildung.

Es hat sich seit gefühlten 100 Jahren zu wenig geändert. Da scheint es einen parteiübergreifenden Konsens zu geben, dass man möglichst nicht zu viele gut ausgebildete und mündige Bürger heranziehen will.
Cui bono?

PS:
Nach der heutigen Pressekonferenz stellen sich für mich ein paar weitere Entwicklungen auch deutlicher dar. Söder kann Kanzler. Weil er aktuell der einzig wichtige, politisch aktive Akteur ist, der souverän, menschlich und fast schon "merkelhaft" entspannt und weitsichtig mit der Situation umgeht.

Der Markus kommt verdammt ehrlich rüber. Ich muss den Mann und seine Partei nicht mögen, aber deutlich sympathischer und kompetenter als der empathiebefreite Ritter vom schwarzen Stein und die rheinische Frohnatur, "Professor L" ist der Mann allemal. Die steckt der beide locker in die Tasche. Und alle anderen haben ohnehin keine Chance, sofern Deutschland noch nicht komplett verblödet ist. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Wir werden sehen.

PPS:
Warte jetzt gespannt auf die Ansage von Frau Gebauer bezüglich der Schulöffnung in NRW - am Freitag? Sie hat sicher einen perfekten Plan, spannt uns aber alle gerne auf die Folter.

Sanfte Grüße.
Der Herausgeber.
tldr.