„Für eine lebenswerte Stadtgesellschaft ist kulturelle Teilhabe essentiell“, heißt es weiter. Kultur lebe vom Diskurs, „Ohne eine Medien- und Meinungsvielfalt, die siesen Namen verdient, wird Düsseldorf ärmer. Eine weitere NRW-Zeitung ohne originäre Berichterstattung aus der Landeshauptstadt wird zu geistiger Verarmung führen.“
Ergänzen kann jeder diesen Brief mit der Klarstellung, dass die Konzenttration auf eine große Lokalredaktion in der Landeshautstadt auch die Politik einseitig beeinflusst.
Auf der Strecke bleiben nicht nur viele Redakteure und – meist junge - freie Journalisten. Auf der Strecke bleibt zudem eine freie demokratische Presselandschaft, in der mehrere Zeitungen unterschiedliche Sichtweisen vor allem auf Lokalpolitik repräsentieren. Nun könnte man sagen, Journalismus ist doch unabhängig … Nö. Denn Zeitungen sind nicht neutral, auch Journalisten können das nicht sein. Die brutale Reduktion der WZ-Redaktion bedeutet, dass die Düsseldorfer Leser mehrheitlich mit einer einzigen Sichtweise auf Stadt und Stadtpolitik bedient werden, und das ist schädlich für die Demokratie insgesamt.
Zeitungen und auch Journalisten sind nicht neutral. (Allerdings ist es ein Märchen, dass die Neue Düsseldorfer Online Zeitung (NDOZ.de) von der SPD bezahlt sei. Um einen SPD Ratsherrn dazu zu zitieren: Warum sollte die SPD für etwas bezahlen, was ohnehin viele glauben? Nein, auch die von der hiesigen CDU oft verbreitete Mär, NDOZ.de wäre die SPD-Propaganda-Abteilung, offenbart nur deren armseliges Denken. Denn Fakten, die mit intelligenz zusammen gestellt sind, und klare Schlussfolgerungen zulassen, waren der CDU-Ratsfraktion noch nie genehm… könnte man zumindest für die Zeit nach 2014 sagen. Beispiel? Sozialwohnungen, von denen der CDU-Ratsherr Lukaschewski behauptete, sie könnten Ghettos bilden, er aber nicht bedachte, dass die Einkommensgrenze für den Berechtigungsschein (WBS) auch für Polizisten, Feuerwehrleute, Krankenschwestern etc gilt. )
Ein Kollege sagte vor Jahren mal zu mir: „Journalisten sollen Beobachter sein, nicht handelnde“. Das war und ist mit Verlaub, Unsinn. Mal ein sehr deutliches Beispiel, wie Zeitungen schon in der Überschrift politisches Handeln in einer Stadt beeinflussen und damit einen einseitigen Kommentar abgeben können: Um im Etat zu sparen, (vor allem von der FDP, aber auch von Grünen gefordert), wurden Dezernate für Planung und Verkehr zusammen gelegt. Die Erkenntnisse, auch von Scientists for Future, zeigten dann eine dringend nötige Verkehrswende an. OB Geisel meint nun, die Aufgabe der Verkehrsplanung sei nach den jetzigen Erkenntnissen zu wichtig, man müsse einen hauptamtlichen Verkehrsdezernenten haben. Überschrift in der Rheinischen Post: „Stadt sucht einen Verkehrsexperten“ – mit anderen Worten: es gab bisher wohl keinen.
Die weitaus meisten Journalist*innen geben sich Mühe, sorgfältig zu recherchieren, und Fakten nicht beiseite zu lassen. Aber klar ist auch, dass Journalist*innen ein bestimmtes Weltbild, eine Weltsicht haben, dass sie geprägt sind durch ihre eigene Erfahrungen. Handwerk ist, bei den Fakten zu bleiben und klare Schlussfolgerungen zu ziehen, die Fakten einzuordnen etwa in die Geschichte. Dann werden etwa Geschichtsklitterungen über die Nazizeit mit ihren Verleugnungen nicht möglich. Auch die Leugnung des Menschen gemachten Klimawandels ist dann nicht mehr journalistisches Handwerk, ist unmöglich angesichts von Tausenden Wissenschaftlern, die das belegen.
Aber: Es gibt dennoch, auch auf lokaler Ebene, Versuche, Fakten und resultierende Schlussfolgerungen anders zu publizieren.
Nein, es ist kein Ausweg, immer auch die andere Seite zu befragen! Es ist keine Lösung, einen verknöcherten Altphilologen (Lehrer für Latein und Griechisch) als „andere Seite“ zu hören zum Vorschlag, neben Englisch nur noch die Sprache des Nachbarn Französisch zu lehren. Und ich werde keinesfalls in Fragen der Demokratie einen Politiker von Rechtsaußen oder gar der teils rechtsextremen AfD zu politischen Meinungen befragen.
Dürfen Journalisten denn Haltung zeigen? Ja!
Man könnte jetzt Monitor-Redakteur Georg Restle und Sonia Seymour Mikich zitieren, oder Anja Reschke vom Norddeutschen Rundfunk („Panorama“) . Sie hat bei der Verleihung des Hans-Joachim Friedrich Preises viel Wichtiges und Richtiges gesagt. Vor allem hat sie versucht, den Mythos aufzulösen, der sich um das Wort von Friedrich rankt: Ein Journalist solle sich nicht mit einer Sache gemein mache, auch nicht mit einer Guten. Zitat Anja Reschke: „Wissen Sie, ich habe lange nachgedacht, in diesen vielen Auseinandersetzungen, ob ich das kann, mich mit keiner Sache gemein machen, auch nicht mit einer guten. Ob wir Journalisten das können. Ob wir das überhaupt sollen. Wir müssen nicht darüber reden, dass auch wir als Journalisten keine neutralen Wesen sind, dass wir unsere Haltung in uns tragen, dass wir trotzdem unser Handwerkszeug von Recherche und Ausgewogenheit beachten können.
Aber ich denke, wir müssen uns gemein machen mit einer Sache. Und zwar mit einer guten. Unserer Verfassung. Wir, die Presse, die öffentlich-rechtlichen Sender im Besonderen, haben einen Auftrag bekommen von den Alliierten nach dem Krieg. Teilhabe an der freien demokratischen Meinungsbildung zu gewährleisten. Mündige Bürger, Deutschland zu einem demokratischen Land zu machen und diese Demokratie zu bewahren…… Nie wurden unsere Demokratie, unsere Errungenschaften, vorneweg die Pressefreiheit, so offen in Frage gestellt wie jetzt. ….“ Soweit Anja Reschke.
Die Frage ist ja auch, was Zeitungen verbreiten. Zeitungen handeln, mit Worten, mit Lettern, mit Überschriften und mit Themen-Setzungen.
Wenn konservative Politiker von FDP und CDU im längst begonnenen Wahlkampf zur OB Wahl behaupten, OB und Kandidat Thomas Geisel sei nicht von hier, kein Düsseldorfer, dann ist das so ähnlich wie „Der ist ja kein Deutscher“. Das ist die Folge der Sprache der AfD, der Rechtsextremen, die immer wieder ausgetestet haben, wie weit sie gehen können, um etwa Feindlichkeit gegen Andere, gegen Menschen „nicht von hier“, in Formulierungen zu etablieren. Und diese Feindlichkeit gegen das Fremde ist von Medien aufgenommen worden als „Fremdenfeindlichkeit“, obwohl es doch gegen Mitmenschen geht, die gar nicht so fremd sind. So wird die Grenze überschritten gegenüber den anderen, wird der Boden bereitet für eine Gesellschaft, in der nicht mehr gilt, das wir „ohne Angst anders sein können“ wie in einer offenen, demokratischen freien Gesellschaft.
Wenn Praktiken wie diese Diskriminierung wegen einer Herkunft (die bei Erwachsenen heutzutage gar keine Rolle mehr spielt!) nicht mehr von Journalisten als Diskriminierung kritisiert wird, weil Personen und politische Einstellungen geschont werden sollen – dann gerät die Demokratie in Gefahr. Und das droht, wenn Zeitungen als Mittel der Politik eingesetzt werden, wie es bereits mehrfach geschieht.
Und das bedeutet, dass eine Konzentration auf einen Verlag, eine Zeitung in einer Großstadt eine Gefahr nicht nur für die lokale Kulturszene ist.
Eine persönliche Bemerkung:
Aber noch eine persönliche Bemerkung zu dieser Zeitungskonzentration. Nach meinem, im vorigen August öffentlich beschriebenen Hinterwandinfarkt (siehe „Tellerrand“) war zunächst mal ziemliche Pause mit NDOZ.de, es lief reduziert. Nun, nach den regulären Untersuchungen nach 6 Monaten stellt sich heraus, dass ich viel Glück gehabt habe und den Notarzt-Rettern, dem EVK-Ärzten viel zu verdanken habe. Die Neubesinnung und Überlegung, wie es weitergehen wird, ist eigentlich abgeschlossen.
Bei der gegenwärtigen Konzentration des Zeitungsmarkts werden unabhängige und kritische Medien wie NDOZ / Neue Düsseldorfer Online Zeitung und auch Report-D immer wichtiger. Zumindest NDOZ.de ist nicht von einem Verlag abhängig. Wir werden daher trotz der personellen Minimalstruktur versuchen, als Alternative zu konservativ-traditionellen Zeitungen mehr zur Kultur der Stadt zu bringen, und die städtische Politik weiterhin kritisch zu beobachten und zu kritisieren. Besonders jetzt im Wahlkampf, da etliche dabei schon jetzt über die demokratisch gesetzten Grenzen der Fairness und des Anstands hinausgehen. Dann werden sicherlich auch SPD und Grünen, aber auch der FDP klar werden, dass sich der Fokus nicht nur auf gedrucktes Papier richten kann. Zumal dies kaum ein Drittel der Haushalte in Düsseldorf erreicht.
(Autor Jo Achim Geschke)