OB Thomas Geisel und Kämmerin Dorothee Schneider zeigten die vielgeforderte „Transparenz“, als sie vor der Ratssitzung am Donnerstag die Zahlen den Fraktionen und der Öffentlichkeit bekannt gaben. Das war früher nicht so – obwohl der frühere Kämmerer auch schon mal Überbrückungskredite aufnahm.
Rückzahlung von zuviel gezahlten Gewerbesteuern von Unternehmen
Die Stadt muss also nun Kredite aufnehmen, 90 Millionen Euro. Davon dienen 40 Millionen Euro dazu, den kurzfristigen Kredit bei der Messe abzulösen. Den hatte die Kämmerin vor sechs Wochen aufnehmen müssen, aus dem gleichen Grund wie jetzt (wir berichteten). 50 Millionen sind also neue Kreditaufnahmen, die zu einem Zinssatz Null, so die Stadt.
Ursache sind Rückzahlungen von Gewerbesteuern, die es in dieser Höhe bisher so noch nicht gab. Unternehmen zahlen Gewerbesteuer in einer Art Abschlag im Voraus – im gesamten Jahr 2015 mussten nach korrekter Endabrechnung allerdings 155 Millionen Euro als Gewerbesteuer zurückgezahlt werden. Bis März 2016 wurden aber bereits 79 Millionen € zurück gezahlt, jetzt fordern die Buchhalter der Unternehmen also nochmals 30 Millionen Euro wegen zuvor zuviel gezahlter Steuern zurück. Macht bis 1. März bereits 109 Millionen €.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt ... beweisen lässt sich nicht, dass es - sagen wir: eine absichtliche Störung der Harmonie in der Ampel ist. Unternehmen zahlten aber an sich ungern mehr, als sie müssen, erst recht nicht an Steuern.
FDP lässt es in der Ampel knirschen
Die FDP fordert in alter Tradition der neoliberalen Schuldenfreiheit nun, die Kämmerin und OB Geisel müssten nun bis 15. September – wenn der neue Haushalt 2017 eingebracht wird - Vorschläge für eine Liquidität in dreistelliger Millionenhöhe, so um die 300 Millionen Euro, vorlegen. Wenn nicht, verlassen wir die Ampel, sagt FDP-Vorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann auch deutlich im WDR 3-Fernsehen.
Um das zu erreichen, bringt die FDP die neoliberale Ur-Formel vor: Kommunalen Besitz privatisieren. Heißt hier: Anteile der städtischen Beteiligungen verkaufen. Dau gehören etwa der Flughafen (50 % bei der Stadt). Da dürften denn auch andere Beteiligungen ins Gespräch kommen – sogar die IDR - die für die Stadt unter anderem Schulen baut.
Wie kommt es nun zu den Kreditaufnahmen? Für die CDU-Opposition ist klar: Die SPD ist schulddaran, Schulden aufnehmen zu müssen. Das stimmt allerdings nicht so ganz, oder besser: da fehlt was in der Argumentation. Die Rücklagen der Stadt waren seit Jahren von über 560 Millionen € auf annähernd Null geschmolzen, nicht zuletzt durch die Kosten für die immer teureren Kö-Bogen-Tunnel. Die CDU-Führung hat in den vergangenen Jahren einige Hundert Millionen aus den Rücklagen nehmen müssen (siehe Grafik). Dass der Steuerzahlerbund ins gleiche Horn wie die CDU stößt, ist dabei nicht überraschend.
Wie das funktionieren soll, was CDU-Fraktionssprecher Rüdiger Gutt fordert, ist für den Normaldenker nicht ganz einsichtig: „Die Stadt braucht wieder finanzielle Spielräume für Investitionen in die Zukunft“, so Gutt. Also: Wir investieren in Zukunft, aber jetzt geben wir in bestimmten Bereichen kein Geld mehr aus – in welchen also? Bei Schulen? Für Flüchtlinge?
Diese Argumentation erinnert an Katzenfotos im Netz: Die Katze reißt den Weihnachtsbaum um, und signalisiert dann: Es war der Hund, ehrlich ...
Zur Finanzlage kommen ja inzwischen noch Ausgaben für nötige Investitionen der Stadt (die Investitionsquote Düsseldorfs liegt im Gegensatz zum Bund hoch, bei ungefähr 20 Prozent). Nämlich die Kosten nach dem Orkan „Ela“ für die Wiederaufforstung, und nicht zuletzt die Kosten für die Unterbringung und Versorgung der inzwischen rund 7000 Flüchtlinge, die ja nicht nur der Bund bezahlt. Vom Land sollen übrigens noch etwa 45 Millionen € für die Versorgung der Flüchtlinge ausstehen.
Dazu kommen dringende Investitionen für Schulen – denn in der Vergangenheit wurde durch die neoliberale Ideologie des Sparens etliches schlichtweg nicht gemacht. Der Investitionsstau, so OB Geisel bereits zu früheren Anlässen, ist enorm hoch. Und das bei einer inzwischen auf mehr als 620.000 Einwohner gewachsenen Stadt neue Schulen gebaut werden müssen, dürfte auch jedem einleuchten. Es sei denn, man ist auf dem Irrweg der „Schuldenfreiheit“.
Kredite als Motor des Kapitalismus
Lassen sie uns von Krediten sprechen – Schulden haben in Deutschland immer auch den negativen Beiklang „Schuld“ – wer ist schuld? Davon später.
Stellen Sie sich einfach vor, sie hätten eine kleine Firma, Umsatz gut, Gewinn vor Steuern so 100.000 Euro. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Nun müssen sie aber erweitern, denn wen sie nicht neue Leute einstellen, neue Arbeitsmittel und neues Material kaufen, können sie nicht mehr Aufträge annehmen und verlieren Kunden. Aber bei Ihrem Jahresgewinn ist eine Investition von rund 500.000 Euro, um für die nächsten Jahre vorzubauen, nicht aus der eigenen Kasse zahlen. Also ? Genau, Sie tun das, was alle Unternehmen im Kapitalismus machen: Sie nehmen Geld auf, um weiter bestehen zu können, um im Wettbewerb mithalten zu können. Sie nehmen also einen Kredit auf. Zinsen sind im Moment ja auch sehr günstig. So funktioniert Kapitalismus seit den Anfängen. Wenn sich Unternehmen nicht bei Banken finanzieren würden, würden bald eine Menge Firmen gar keine Gewerbesteuern mehr zahlen können.
Und nun müssen wir mal von der Bundespolitik sprechen: Der Staat muss für Brücken, Straßen, Bildung etc. sorgen. Dies tut der Staat .... nein: Der Staat, unter der Führung des CDU-Finanzministers, tut es eben seit Jahren nicht. Die sogenannten Nettoinvestitionen, also die Ausgaben des Staates für Investitionen, sind seit Jahren enorm gesunken. Heißt: Der Staat investiert nicht genug in die Infrastruktur (z.B. Autobahnbrücke in Leverkusen), den Ausbau des Gesundheitssystems (viele Kliniken sind privatisiert), nicht genug in Weiterbildungsangebote etwa bei Job-Centern und Arbeitsagenturen, und und ...
Vor allem die sogenannte Mittelschicht ist durch die fehlenden Investitionen in die Versorgung der Bürger verunsichert, teils verärgert, Menschen in prekären Arbeitsverhältnissen sowieso. Ganz zu schweigen von der fehlenden Umverteilung des ja vorhandenen Reichtums bei wenigen .... Wer also über die geringe Beteiligung bei den Kommunalwahlen am vorigen Sonntag nachdenkt sowie die Erfolge der Rechtspopulisten und Rechtsaußen, muss das in die Überlegungen mit einbeziehen.
(Autor Jo Achim Geschke)