Die konservativ christliche Rheinische Post schreibt über die hastigen Vorgaben des CDU Ministerpräsidenten Laschet und seiner FDP-Ministerin Gebauer unter Überschriften wie: „NRW lässt Lehrer und Schüler im Stich“, „Eltern kritisieren Schulpläne“. Das muss man nicht kommentieren, denn wie wir ja wissen, ist schon eine Überschrift ein Kommentar. Fachleute, also die an den Schulen arbeiten, ebenso Schulleitungen, sind entsetzt. Denn eine schnelle Öffnung bedeutet nicht nur die Gefährdung von Lehrern und Kindern, und damit erhöhte Ansteckungsgefahr für die Eltern. Es sind auch keine Voraussetzungen geschaffen, um die Schulen nach den Vorgaben zu öffnen. Wo bekomme ich Masken und Seife her, fragte etwa ein Schulleiter im WDR Fernsehen. Und viele Schüler kommen erst gar nicht, denn der Schulbesuch ist laut Gebauer-Ministerium freiwillig – was ohnehin an eine Farce grenzt. Laschet und Gebauer taktieren damit – denn damit haben sie nicht gegen die Vorgaben von Kanzlerin Merkel und den Ministerpräsidenten verstoßen. Allerdsing hat das Auswirkungen: Unter dem Hashtag „#Schulboykottnrw“ geht es auf Twitter ab, Laschet ist dort wenig schmeichelhaft erwähnt, und es wird tatsächlich landesweit zum Boykott aufgerufen.
In Düsseldorf hat nach unseren Informationen fast eine ganze Abiturklasse an einem Innenstadt-Gymnasium bereits verkündet, es würde niemand zur Schule kommen.
Kanzlerin Merkel hatte nach einer Video-Konferenz mit den Ministerpräsidenten der Länder am Donnerstag einen gemeinsamen Beschluss verkündet, Betonung durchaus auf gemeinsam. So sollte der Schulbetrieb in gewissen Maße erst ab dem 4. Mai starten, die Kultusministerkonferenz (KMK) solle bis 29. April Vorschläge zum Prozedere vorlegen.. Mit Merkel saß Bayerns MP Söder vor der Bundespresse. Söder und Laschet profilieren sich beide zurzeit für eine Kanzlerkandidatur. Laschet hatte bereits für eine schnelle Wiederöffnung u.a. der Schulen plädiert, Söder war eindeutig für eine spätere Öffnung.
Kurz darauf verkündete dann Laschet den Sonderweg der NRW-Regierung : Möbelhäuser dürfen wieder öffnen, Autohändler und Fahrradläden auch, und in Schulen soll es bald wieder rund gehen. Wohlgemerkt: Vor dem Bundestermin 3. Mai. Das Möbelhäuser öffnen sollen, begründete NRW-Minister Laumann damit, dass es 35.000 Beschäftigte im Möbel-Business gibt. Dass Schulen teilweise wieder öffnen – das kann man eigentlich nicht begründen. Prüfungen und Prüfungsvorbereitungen der Abschlussklassen dieses Schuljahres sollen unter besonderen Hygiene- und Schutzmaßnahmen wieder stattfinden können.
NRW-Schulministerin Gebauer war in der Bevölkerung schon unangenehm aufgefallen, weil sie schon vor der Konferenz mit Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag für Öffnung der Schulen plädierte. Nun macht das Ministerium das Chaos perfekt. Im Netz kursieren bereits Veralberungen, die aber einen durchaus harten Kern haben, härter zumindest als dass, was Laschet und Gebauer – und Familienminister Stamp – so verlauten lassen. Im Netzt stellt zum Beispiel jemand eine fiktive Mathe-Aufgabe: „Zwischen Schülern soll 1,5 Meter Abstand sein, wie groß muss dann ein Klassenzimmer sein? Begründe den Lösungsweg.“ Machen wir mal überschlägig: Rund um einen Schüler (3 Meter Durchmesser) 9 Quadratmeter, macht bei den vorgeschlagenen 15 Schülern pro eingeschränkter Klasse mit 6 entlang der Wand mit 4,5 m² und 9 mit 9 m², macht 27 m² plus 81 m = 108 m² pro Klasse. Die Schulbau-VO geht von Klassengrößen mit 60 bis 70 m² aus …. Egal, in Neubauten wie der Lore-Lorentz Schule mit ihren großen Klassenräumen können bei 1,50 m Abstand nur 16 Schüler hinein. Macht zwei Räume pro Klasse und Unterrichtseinheit.
Am Wim-Wenders-Gymnasium wird zurzeit gebaut, der Unterricht wird also in den neuen Containern stattfinden. Deren Gänge sind – wie bei den meisten Schulbauten – sicherlich 1,50 m breit. Also dürfen sich Schüler_innen dort nicht begegnen … und Lehrer_innen auch nicht.
Gebauer zeigte im WDR zudem schlechtes Briefing ihrer Beamten: Bei den von ihr genannten Zahlen können die Abschlussklassen von Berufskollegs ( zum Beispiel Fachabitur und kaufmännische Abschlüsse) gar nicht drin sein, Abschlüsse der Höheren Handelsschulen und ähnliche würden die Zahl der Schüler_innen auf die Hunderttausende steigern, was nicht mehr zu handhaben wäre, durch die Schulen gar nicht zu bewältigen ohne zu viel Nähe und Gefahren der Ansteckung.
Ohnehin werden die Vorgaben von MP Laschet CDU und Ministerin Gebauer FDP auf breiter Basis abgelehnt: Elternverbände wie der Elternverband in Düsseldorf EDS haben bereits ihre Ablehnung öffentlich gemacht. Der Städte- und Gemeindebund NRW moniert: "Wenn wir im Schulalltag Social Distancing durch kleine Lerneinheiten und gestaffelten Unterricht möglich machen wollen, müssen wir fast alles neu strukturieren", so Geschäftsführer Schneider. Um sich bestmöglich auf den Wiedereinstieg vorzubereiten, brauche es nun schnell klare Vorgaben des Landesund umfassende Unterstützung bei der Beschaffung der nötigen Materialien. "Es macht keinen Sinn, wenn nun auch noch die Schulträger in den Wettbewerb um knappe Güter wie Desinfektionsmittel oder Masken einsteigen", sagte der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbandes. Vor allem müsse geklärt sein, welche Materialien denn überhaupt für die Schulen angeschafft werden müssten.“
Die Gewerkschaft Erziehung GEW in Köln hat eine Petition gestartet, die Stand Sonntag Morgen bereits knapp 16.000 Unterschriften hatte. Auch die GEW in NRW hatte ähnliches veröffentlicht.
In dem offenen Brief heißt es: „Sehr geehrte Frau Ministerin Gebauer, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Laschet, sehr geehrte Landesregierung NRW, wir richten uns mit diesem offenen Brief an Sie, um Ihnen mitzuteilen, dass wir entsetzt darüber sind, dass die Landesregierung mit der Entscheidung zur Schulöffnung kommende Woche die Gesundheit der Lehrkräfte, der Schüler*innen sowie deren Familien fahrlässig gefährdet. Dieser Schnellschuss ist verantwortungslos, weil die Durchführung des Unterrichts unter Bedingungen, die den Notwendigkeiten des Infektionsschutzes genügen, nicht möglich ist. Ohne Rücksicht auf die zahlreichen mahnenden Worte aus Schul-, Schüler*innen- und Elternorganisationen sowie Gewerkschaften sollen nun im Hauruckverfahren Öffnungen stattfinden, welche jedoch wesentlich mehr Vorbereitungszeit benötigen, denn: Der Gesundheitsschutz der Schüler*innen und Lehrkräfte muss oberste Priorität haben!
Planlose & kurzfristige Information führt zur Verunsicherung
Nachdem bereits die Schulschließungen völlig unvorbereitet per Mail verkündet wurden, wird nun ebenso kurzfristig am späten Abend des 15. April per Schulmail mitgeteilt, dass ab dem 20. April in den Schulen „organisatorische Maßnahmen“ getroffen werden sollen, um Schüler*innen, die vor Abschlussprüfungen stehen, ab dem 23. April Unterrichtsbesuche vor Ort zu ermöglichen. Lehrkräfte, Schüler*innen und Eltern sind verunsichert und äußerst besorgt darüber, dass die nötigen Maßnahmen zum Infektionsschutz in so kurzer Zeit unmöglich umzusetzen sind.“
Die Petition:
UPDATE : In einer Schulmail von Samstag Abend (sic) ergänzt das Schulministerium die Vorgaben für die Schulen um detaillierte Hygienevorschriften und Angaben zur Freiwilligkeit des Schulbesuchs: Danach ist“die Teilnahme am Unterricht ab dem 23.04.2020 und den anderen damit im Zusammenhang stehenden schulischen Veranstaltungen ist verpflichtend
- für Schülerinnen und Schüler an Berufskollegs mit bevorstehenden Terminen für dezentrale Abschlussprüfungen, für den schriftlichen Teil von Berufsabschlussprüfungen der Kammern und zuständigen Stellen (vgl. SchulMail Nr. 14, IV. Ziffer 1) sowie für Schülerinnen und Schüler in Bildungsgängen der Ausbildungsvorbereitung und der einjährigen Bildungsgänge der Berufsfachschule Anlage B,
- für die Schülerinnen und Schüler weiterführender allgemeinbildender Schulen mit bevorstehenden Terminen zum Erwerb des Hauptschulabschlusses nach Klasse 10 oder des Mittleren Schulabschlusses (vgl. SchulMail Nr. 14, IV. Ziffer 3),
- für Schülerinnen und Schüler an allen Förderschulen mit Abschlussklassen (vgl. SchulMail Nr. 14, IV. Ziffer 4).
Lediglich die Teilnahme an Lernangeboten in den jeweiligen Prüfungsfächern zur Vorbereitung auf die Abiturprüfungen ist freiwillig, …“
Zudem dürfen Schüler_Innen mit Vorerkrankungen und Lehre_Innen sowie Lehrer_Innen über 60 Jahren dem Unterricht fernbleiben.
Für Schüler_Innen in Prüfungen und Unterricht sollen unter anderem Händewaschen durch Seifenspender und genügend Abstand beim Händewaschen gesichert sein. Ansonsten sollen Masken getragen werden.
Wie das realisiert werden soll – da genügend Seifenspender kaum in Schulen zu finden sind, und wirklich schützende Masken auch verhältnismäßig teuer sind – ist auch nicht so ganz klar.
Düsseldorf bereitet sich auf Teilöffnung von Schulen vor
Der Schulbetrieb in der Landeshauptstadt Düsseldorf soll unter besonderen Hygiene- und Schutzmaßnahmen schrittweise wieder aufgenommen werden können. Die Stadt als Schulträgerin bereitet sich gemeinsam mit den Schulleitungen bereits darauf vor. Jetzt ist das Land am Zug: Was noch fehlt, ist eine Weisung des Ministeriums für Schule und Bildung mit praktischen Hinweisen zur Durchführung des Unterrichts, heißt es aus dem Rathaus.
OB Thomas Geisel SPD sagt allerdings auch: „Solange das Landesministerium für Schule und Bildung jedoch noch keine Weisung mit praktischen Hinweisen zur Durchführung des Unterrichts erlassen hat, kann zur konkreten Organisation des Unterrichts allerdings noch keine Aussage getroffen werden. Erst aus dieser Weisung ergeben sich eventuelle Handlungsnotwendigkeiten für die Stadt als Schulträgerin."
Richtig ist: Alle Schulen, vor allem aber die Berufskollegs mit ihren großen Schülerzahlen, brauchen eine Anweisung vom Land, bzw der Mittelbehörde Bezirksregierung, wie viele Schüler sie in einen Klassenraum lassen dürfen. Das ist Schulgesetz. Man darf gespannt sein….
Die SPD und die Linke im Rathaus kritisieren ebenfalls die hastigen Vorgaben des NRW-Ministeriums und des Ministerpräsidenten.
Oliver Schreiber, schulpolitischer Sprecher der SPD-Ratsfraktion, kritisiert die sehr kurze Vorlaufzeit: „Es ist doch nicht damit getan, das Schultor aufzuschließen. Die Voraussetzungen für Abstand und Hygiene sind komplex: angefangen vom Transport zur Schule über den geregelten Einlass ins Gebäude, die Auswahl und Bestuhlung geeigneter Räume, die Stundenplanung, das Verhalten in den Pausen, das Aufteilen von zu großen Lerngruppen und der Ersatz für besonders gefährdete Lehrkräfte, die selbst nicht unterrichten können.“
Es sei nicht nachzuvollziehen, so Schreiber weiter, warum man den Schulen und der Stadt dafür nicht mehr als fünf Werktage lasse. Zumal allgemein gültige Hygienevorgaben für den Unterricht bislang fehlten. Die Kultusminister*innen der Länder wollen erst bis zum 29. April ein entsprechendes Konzept vorlegen. Und gerade die älteren Schüler*innen in den Abschlussklassen seien in der Regel fit darin, sich online auszutauschen und auf die Prüfungen vorzubereiten. „Der überhastete Einstieg geht jetzt vor allem zu Lasten der Lehrer*innen und der Mitarbeiter*innen der Schulverwaltung, die sich mit größtem Einsatz um einen sicheren Schulbetrieb bemühen,“ so Schreiber abschließend.
(Autor Jo Achim Geschke)
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