Chefdramaturg Robert Koall, der Dekan der Hochschule (Sozial- und Kulturwissenschaften) Professor Reinhold Knopp, Rainer Pennekamp vom Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte, Christof Seeger-Zurmühlen von der Bürgerbühne des Schauspielhauses, und Christine Brinkmann vom Zakk, und nicht zuletzt Damian Haak und Felix van Holt vom Edelweißpiraten-Festival: Sie zeigen sich solidarisch mit Sozialarbeiter Johannes Dörrenbacher. Die Kulturschaffenden ebenso wie der Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte unterstützen seine Zivilcourage bei einem Protest gegen die AfD im Mai 2017 mit 1000 Euro, gedacht für die Prozesskosten.
Denn Sozialarbeiter Johannes Dörrenbächer steht vor Gericht, er soll als Teil von DSSQ in dessen ausdrücklich betonten „zivilen Ungehorsam“ (Oliver Ongaro) im Mai 2017 bei einem breiten friedlichen Protest gegen die AfD an einer Sitzblockade teilgenommen haben. Dabei soll er der Aufforderung der Polizei, den Weg freizumachen, nicht sofort gefolgt sein. Er lag und saß auf dem Boden und ließ sich dann von Beamten wegtragen. Nun soll er wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte 2500 Euro zahlen. Wegen ähnlicher Vorwürfe stehen Kasper Michels sowie Torsten Nagel und Mischa Aschmoneit, die mehr als 8000 Euro zahlen sollen, vor Gericht (NDOZ.de berichtete). Kasper Michels wird an einem zweiten Verhandlungstag vor Gericht stehen.
„Wir begreifen unsere Arbeit als eine originäre gesellschaftliche, auch politische Aufgabe.“ Das Theater sei auch ein Ort der gesellschaftlichen Auseinandersetzung, auch des Streits. „Ich glaube, dass das Gebot der Stunde ist, gerade in der aktuellen politischen Lage, mehr Demokratie zu wagen, Demokratie mit zu gestalten, Formen des Widerstandes und der politischen Partizipation auszuprobieren“, sagte Robert Koall, Chefdramaturg und stellvertretender Intendant des Schauspielhauses.
Die drei jetzt vor Gericht stehenden haben, so Christof Seeger-Zurmühlen, künstlerischer Leiter der Bürgerbühne des Schauspielhauses. „Zivilcourage bewiesen und einen mutigen Protest gegen Menschenfeindlichkeit artikuliert. Sie wollten ein Zeichen setzen, dass nämlich Rechtspopulismus keinen Platz hat in einer diversen Gesellschaft.“ Sie hätten mutig ein Zeichen gesetzt und könnten so ein Beispiel sein für andere.
Ziviler Ungehorsam
Es gibt an der Hochschule im Fachbereich „einen Schwerpunkt, der sich mit Rechtsradikalismus und Neonazismus auseinandersetzt“, so Professor Reinhold Knopp. Aber man habe auch den Anspruch, „dass die Studierenden mit einem Blick in die Sozialarbeit gehen, der an Menschenrecht orientiert ist und der ihnen auch Zivilcourage und Mut mitbringt.“. Der zivile Ungehorsam habe auch in der Wissenschaft eine lange Geschichte. „Rosa Park hat 1925 in New York in einem Bus ihren Platz nicht frei gemacht für Weiße und ist deshalb verhaftet worden.“, erinnerte Knopp.
„Ziviler Ungehorsam heißt einfach, in einer Gesellschaft mit Mitteln der Aktion, des Protestes auch an Grenzen zu gehen. Und genau so wie eine Gesellschaft eine freie Presse braucht, braucht sie auch den zivilen Ungehorsam, sonst ist Demokratie gefährdet.“
Widerstand gegen Rechtsradikale ist demokratische Pflicht
Die Mahn- und Gedenkstätte habe eine neue Dauerausstellung über Kinder- und Jugendliche im Nationalsozialismus, die sich in unterschiedlichen Formen des Widerstands gegen den Faschismus engagiert hatten, betonte Rainer Pennekamp vom Freundeskreis der Gedenkstätte die Nähe zu den „Edelweißpiraten“. „Gestern vor 75 Jahren sind die Geschwister Scholl ermordet worden. Vor 25 Jahren haben Neonazis in Rostock Lichtenhagen Wohnblöcke angezündet.“ Pennekamp erinnert daran, dass sich dort und etwa bei den NSU-Terroristen Sprache sich wiederhole und dies eine Vorbereitung sein könne, „dass wir in eine Gesellschaft hineinwachsen könnten, in der sich Dinge aus der Nazi-Zeit wiederholen könnten. Wenn hohe Funktionäre der AfD im Bundestags sitzen, und gleichzeitig hohe AfD-Funktionäre von „Kümmeltürken“ sprechen“, rege sich Widerspruch in der Gesellschaft. Aber es bleibe eine Realität, und die Gesellschaft dürfe sich nicht daran gewöhnen. Deshalb sei Widerstand und darauf-aufmerksam-machen umso notwendiger. Bedrückend sei auch, „dass heute das Halten eines Plakats oder das Wegtragen mit Strafbefehlen belegt werde. Wir haben doch einen ehemaligen Bundestagspräsidenten, Wolfgang Thierse, der sich ebenfalls hat wegtragen lassen, also ein demokratisch legitimiertes Recht in Anspruch genommen hat.“ Angesichts einer Partei mit rechtsradikalen und rechtsextremen Parolen sei „es nötig dass es junge Leute gibt, die dem widerstehen.“
Laut Spiegel online Kolumne wurden voriges Jahr allein 1453 antisemitische Straftaten von der Polizei registriert, das sind vier Straftaten pro Tag - davon 1377 von Tätern aus dem rechten Spektrum, also 95 Prozent.
(Autor Jo Achim Geschke)