Chance vergeben, neuer Anlauf gibt Anlass zur Hoffnung

Vorwärts-Demo abgesagt. Aber OB Keller und Bürgermeister Hinkel gehen mit Angebot auf Veranstalter zu.

Von Stefan Scholz |

Projektion der Initiative "kulturgesichterNRW" / von Projektionskünstler ,,Aldo " (Orbital Expriences Event Design Berlin) an der Fassade des Schauspielhauses Düsseldorf / (c) Foto: Klaus von Jackelmann
Projektion der Initiative "kulturgesichterNRW" / von Projektionskünstler ,,Aldo " (Orbital Expriences Event Design Berlin) an der Fassade des Schauspielhauses Düsseldorf / (c) Foto: Klaus von Jackelmann

Projektion der Initiative "kulturgesichterNRW" / von Projektionskünstler ,,Aldo " (Orbital Expriences Event Design Berlin) an der Fassade des Schauspielhauses Düsseldorf / (c) Foto: Klaus von Jackelmann

Seit einem Jahr kämpfen mit der „einzelunternehmer.info“ und der „IG NRW Soforthilfe“ zwei einflussreiche Privatinitiativen aus NRW Seite an Seite mit der #AlarmstufeRot für angemessene Hilfen im Rahmen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Die von den Initiativen geplante Demo und Kundgebung am vergangenen Sonntag in Düsseldorf musste aufgrund der Auflagen der Stadt von den Organisatoren jedoch abgesagt werden. Denn von der Stadt zugelassen wurden nur maximal 250 Teilnehmer. Das hätte sich nicht gelohnt.

Warum die Absage seitens der Veranstalter?

Vor dem Hintergrund des im Vorfeld betriebenen erheblichen logistischen und personellen Aufwandes für Organisation, Sicherheit und Technik war die Ansage der Stadt nur 250 Teilnehmer für die Demo zuzulassen für die Organisatoren ein schwerer Rückschlag und führte am Ende zur Kapitulation.

Den Initiatoren ging es darum, zu beweisen, dass Open Air Events und Gastronomie auch in Corona Zeiten mit professioneller Vorbereitung und durchdachten Konzepten sicher und „Pandemie-konform“ durchführbar sind. Quasi ein Beleg für die Leistungs- und Anpassungsfähigkeit der Veranstaltungs- und Gastronomiebranche und der vielen anderen „stillgelegten“ Branchen die seit einem Jahr ernsthaft in Ihrer Existenz bedroht sind.

Mit der Veranstaltung hätte die Stadt Düsseldorf auch beweisen können, dass die Bewerbung  als Corona-Modellregion Hand und Fuß hat und dass man in der Lage ist, auch größere Events gefahrlos zu ermöglichen. Diese Bewerbung Düsseldorfs als Modellregion wurde zwar vor ein paar Tagen abgewiesen, dennoch hätte die die Stadt mit der Unterstützung der Demo womöglich ein Zeichen setzen und auch den vielen Unternehmern in der Region neue Hoffnung spenden können.

Nicht zuletzt auch im eigenen Interesse, denn die Attraktivität der Landeshauptstadt beruht maßgeblich auf den vielen großen und kleinen Veranstaltungen in den Bereichen Messe, Sport, Musik, Gastronomie und Entertainment. Und wir reden bei den Demo-Veranstaltern von Profis und bei den erwarteten Teilnehmern nicht von 20.000 Querdenkern, die erst kürzlich in Kassel von den Ordnungskräften weitgehend unbehelligt ihre Arroganz und Missachtung jeglicher Normen zur Schau stellen durften.

Was war geplant?

Am Landtag in Düsseldorf sollte auf einer großen Bühne mit LED-Wand über Öffnungskonzepte informiert und diskutiert werden. Sachkompetente Beiträge zum Thema Lüftung, Hygiene, Testung und digitale Hilfsmittel waren geplant.

An der Bühne hätte ein mobiles Corona Test-Team mit Schnelltests für alle Bühnengäste und Künstler bereitgestanden. Das komplette Organisationsteam sowie alle Techniker & Stagehands wären vor der Veranstaltung getestet worden.

Geplant war auch, dass der Düsseldorfer Oberbürgermeister, Dr. Stephan Keller, über seine Visionen für Düsseldorf und die damit einhergehende Bewerbung als Corona-Modellregion berichtet.
Darüber hinaus hätten Albert Ritter, Präsident des Deutschen Schaustellerbundes e.V. und der frisch gewählte Präsident der DEHOGA Nordrhein e.V. Haakon Herbst nebst seiner Vizepräsidentin Isa Fiedler auf der Bühne Stellung genommen.

Ein abwechslungsreiches Info- und Entertainment Programm mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft, lokalen Künstlern und dem Top Act „Culcha Candela“ aus Berlin hätte die Kundgebung abgerundet. Zugesagt hatten unter anderen auch:

  • Hartmut Vogel / BTL next als Experten für Lüftungssysteme
  • Roger Höger / Metronome Veranstaltungstechnik zum Thema Tracing App
  • Patrick Arens / Vize Präsident Bundesverband dt. Schausteller und Marktkaufleute
  • Oliver Wilmering / Vorsitzender Schaustellerverband Düsseldorf
  • Sahra Wagenknecht / Die Linke (via Live Stream)
  • Tom Koperek / Initiator Alarmstufe Rot
  • Theo Fitsos / DJ Düsseldorf
  • Thorsten Meyer / Initiative der Veranstaltungswirtschaft zum Thema Corona Spürhunde
  • Dr. Berghausen / Geschäftsführer IHK Düsseldorf
  • Lorenz Deutsch / FDP – Sprecher für Kulturpolitik NRW
  • Anny Hartmann / politisches Kabarett
  • KOKOLORES.band / Düsseldorf
  • Danny / Köln

Insgesamt also ein hochkarätiges und absolut unverdächtiges Programm mit dem großen Pluspunkt, dass es für Querdenker völlig uninteressant gewesen wäre. Angesprochen waren vielmehr interessierte Bürger, Verantwortliche und Betroffene.

Die Veranstalter sind in Düsseldorf bekannt dafür, besonders viel Wert auf Hygiene-Regeln zu legen.

Bei vorhergehenden Demos der Initiativen trugen die Demonstrationsteilnehmer von Anfang bis Ende der Veranstaltungen Maske und hielten Abstand. Gelaufen wurde in 10er Gruppen mit je einem Ordner, und auf der Landtagswiese wurden die Teilnehmer in kleinen Gruppen in Kreidekreisen auf Abstand gehalten. Die professionelle und durchdachte Organisation verwundert nicht, wenn man weiß, dass die Verantwortlichen keine Amateure sind, sondern normalerweise Events auch mit mehreren tausend Menschen in Abendgarderobe inkl. Catering und Security ermöglichen.

Übrigens, die Veranstaltungsbranche zählt mit 130 Mrd. € Kern- und Peripherieumsatz laut einer neueren Studie zu den sechs umsatzstärksten Wirtschaftszweigen in Deutschland.  Sie beschäftigt laut Studie mehr als 1 Mio. Menschen. Damit wäre sie nicht nur der zweitgrößte Arbeitgeber Deutschlands, sondern „befeuert“ nachvollziehbar gleichzeitig auch weitere Branchen, z.B.: Reiseanbieter, Gastronomie und Hotellerie.

Ob die in der Studie genannten Zahlen nun exakt zutreffen oder nicht, spielt in dieser Größenordnung kaum eine Rolle. Fakt ist, die Branche leidet massiv und die gesamtwirtschaftliche Bedeutung ist erheblich, selbst wenn man die Zahlen aus der Studie halbieren würde. Die staatlichen Hilfen dagegen werden von den Akteuren der Branche, die oft genug Einzelunternehmer sind, höflich als unzureichend bezeichnet.

Nochmal: Sinn und Zweck der Veranstaltung war es, mit dem gemeinsamen Demonstrationszug der Unternehmer und Selbständigen aus Kultur, Gastronomie, Hotellerie, Veranstaltungswirtschaft, Schaustellern, Einzelhandel, Sport- und Fitness, körpernahen Dienstleistungen und allen anderen vom Dauer-Lockdown hart getroffenen Branchen zu zeigen, wie viele um ihre Existenz kämpfen und dass ein Umdenken weg vom Lockdown hin zu sicheren Öffnungs-Strategien dringend notwendig ist.

Da die Stadt Düsseldorf mit einer Auflage von nur 250 Teilnehmern und dem Verbot des musikalischen Rahmenprogramms einen viel zu kleinen, nicht realistischen Rahmen gesteckt hat, blieb in letzter Konsequenz keine andere Möglichkeit, als die Veranstaltung abzusagen.

Auch dass die Veranstalter ein mobiles Testteam aus Berlin als Partner gewinnen konnten, das mit 500 kostenlosen Tests für alle willigen Demonstranten zur Verfügung gestanden hätte (Es wären 10 Tester auf eigene Kosten aus Berlin angereist) änderte nichts an der Entscheidung der Stadt. Dem Testteam wurde vom Gesundheitsamt sogar die Testung untersagt.

Ja, die Gefahr, dass Querdenker die Demo kapern und schwer kontrollierbare Situationen verursachen, war gegeben. Dennoch muss die Stadt sich fragen lassen, ob sie ihre Ansage: „hart durchgreifen“ vor allem in der Altstadt und der Kö selbst ernst nimmt und bereit ist, Worten auch Taten folgen zu lassen. Man hätte an dieser Stelle beweisen können, dass man personell und organisatorisch dafür aufgestellt ist.
Man hätte beweisen können, dass man dazu bereit ist, eine tragende Säule der Gesellschaft zu schützen und denen, die massiv unter der Pandemie leiden, die dringend notwendige Öffentlichkeit zu gewähren. So wie anderen Organisationen Öffentlichkeit gewährt wird, die deutlich weniger für die Gesellschaft leisten oder im Gegenteil, das friedliche Zusammenleben in Pandemie-Zeiten sogar aktiv stören.

Doch es besteht Anlass zur Hoffnung

Die Stadt und der OB zeigten sich im Nachhinein gesprächsbereit und verständnisvoll. Noch am Tag der Absage hat der Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf, Dr. Stephan Keller, mit den Initiativen Kontakt aufgenommen und kündigte Gesprächsbedarf zur Aufarbeitung an.

Das Gespräch fand kurzfristig am Sonntagnachmittag statt, vor dem Düsseldorfer Landtag gemeinsam mit den Organisatoren, vertreten durch Murphy Colbeau und Ursula Strunk und Herrn Dr. Stephan Keller (Oberbürgermeister) und Herrn Josef Hinkel (Bürgermeister). Alle Beteiligten waren sich einig, dass die Umstände, die zur Absage geführt hatten, mehr als unglücklich waren, Schuldzuweisungen aber nicht zielführend wären und das gemeinsame Ziel Priorität haben sollte.

OB Dr. Keller hat den Organisatoren angeboten, gemeinsam mit der Stadt Düsseldorf eine Musterveranstaltung zu organisieren. Erste Vorgespräche laufen und die Absicht, kurzfristig in die Planung zu gehen steht.

Es ist selbstverständlich, dass die Veranstaltung nicht vor Ende des nun vermutlich bevorstehenden harten Lockdowns stattfinden kann, sie wird aber wohl so zeitnah wie möglich umgesetzt werden.
Die Veranstalter freuen sich auf die Planung und Umsetzung und vor allem darüber, dass der Stadtführung klar geworden ist, dass die Veranstalter nicht gegen etwas, sondern für etwas kämpfen.

Für eine umsichtige Rückkehr ins Leben & Arbeiten, ein Leben mit dem Virus ohne gleichzeitig neue Hotspots zu schaffen.