Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor einen Strafbefehl in Höhe von 2500 € gefordert. Mit der jetzigen Zahlung ist der 27-jährige Dörrenbächer nicht vorbestraft. Die Mitarbeiter_innen von Fiftyfifty haben nach dem Urteil des Amtsgerichts spontan beschlossen, zu sammeln und die 1200 Euro zu spenden. Wie berichtet, hatten der Dekan der Hochschule (Sozial- und Kulturwissenschaften) Professor Reinhold Knopp, Rainer Pennekamp vom Förderkreis der Mahn- und Gedenkstätte, Christof Seeger-Zurmühlen von der Bürgerbühne des Schauspielhauses, und Christine Brinkmann vom Zakk, und nicht zuletzt Damian Haak und Felix van Holt vom Edelweißpiraten-Festival einen Scheck für die Prozesskosten am Montag an DSSQ überreicht.
Dabei hatte Rainer Pennekamp daran erinnert, dass sich auch ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse einst bei einem Protest gegen Rechtsextreme habe wegtragen lassen.
Noch zwei weitere Düsseldorfer, die sich aktiv am friedlichen Protest gegen die rechtsextreme AfD beteiligt hatten, stehen demnächst vor Gericht, unter anderem Kasper Michels. Die GEW Düsseldorf hatte, unterstützt von Verdi, bereits vehement die Anzeige und den Prozess gegen den ehemaligen GEW-Vorstand Kasper Michels kritisiert. Mischa Aschmoneit soll demnächst ebenso wie Torsten Nagel vor Gericht stehen, sollen eine Geldstrafe von jeweils mehr als 8000 Euro zahlen.
Personalausweise des Publikums kopiert
Unverständlich ist, dass Personalausweise vom Publikum der Verhandlung bei Gericht kopiert wurden. Eine solche Maßnahme ist sehr ungewöhnlich. Lutz Pfundner von der Ratsfraktion der Linken will nun bei Gericht nachfragen, was mit den so kopierten Daten geschieht. Bleibt zu hoffen, dass die Kopien gelöscht werden im Sinne eines angewandten Datenschutzes.
Kommentar
Die Entscheidung des Gerichts, dem die Staatsanwaltschaft ja zugestimmt hat, müssen Nicht-Juristen wohl zweimal lesen. Wer sich wegtragen lässt, protestiert friedlich, wer sich beim Nachbarn einhakt bei Wegtragen, leistet Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ....
Ziviler Ungehorsam, so haben es viele Vertreter gesellschaftlicher Gruppen betont, ist eine nötige Form des Protestes gegen das Erstarken von rechtsextremen, Rechtsradikalen und Neonazi-Gruppen – gerade in Deutschland ist dieser Widerstand nach dem Satz „Wehret den Anfängen“ eine Stütze der Demokratie.
Wenn sich Kultur, Freundeskreis der Mahn- und Gedenkstätte und ein Professor der Sozialwissenschaften für den friedlichen Protest gegen die AfD einsetzen, ist das ein starkes gesellschaftliches Zeichen. Ein Zeichen aus der „Mitte der Gesellschaft“ für einen Protest im Sinne des zivilen Ungehorsam, den ja auch ein Ex-Bundestagspräsident ausübte.
Wenn nun zum wiederholten Male Teilnehmer eines solchen Protest vor Gericht stehen, wirft das Fragen auf, die auch Juristen sich stellen können.
Nochmals: Wer sich wegtragen lässt, protestiert friedlich, wer sich beim Nachbarn einhakt bei Wegtragen, leistet Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.
Eine mechanistische Auslegung des Rechts.
Recht und Gesetz stehen nicht im leeren Raum
Durch das „Recht“, die Gesetze, gestaltet der Gesetzgeber auch die Gesellschaft, umgekehrt wirken Veränderungen in der Gesellschaft auch auf das „Recht“. Ein Beispiel ist etwa die „Ehe für alle“, die gesellschaftliche Realitäten aufnimmt und in Gesetze / „Recht“ umsetzt. Oder noch früher das Wahlrecht für Frauen.
Recht kann in unseren Staat auch dazu dienen, Werte aufrecht zu erhalten. Ein Wert unserer Gesellschaft und damit der Demokratie ist auch: Nie wieder Nazi-Parolen und Nazi-Gedankengut in Deutschland. Rassistische, ausländerfeindliche Äußerungen von AfD-Mitgleidern gibt es zuhauf.
Das „Recht“ hat aber auch mit Moral zu tun. Moralisch ist es für viele denkende Mensch eben auch, sich gerade in Deutschland gegen die Wiederholung von rechtsextremen und neonazistischen Parolen zu wenden – mit einem Protest und zivilem Ungehorsam.
Die mechanische Auslegung von „Recht“ durch Polizei und Staatsanwaltschaft, die Protest gegen erstarkenden Neonazismus vor Gericht bringt, obwohl es da Spielräume gibt, muss wohl in einem demokratischen Rechtsstaat von einer unabhängigen Justiz überdacht werden.
Denn durch solche Verfahren nähren sich die Vorurteile gegen die Justiz, die schon Kurt Tucholsky beschrieben hat und die etwa Klaus Staeck in seinem Plakat vor Jahren visualisiert hat: Ist die Justiz auf dem rechten Auge blind?
Das nährt auch bei etlichen Menschen den Eindruck, Polizei und Staatsanwaltschaft könnten etwas gegen die Aktionen von DSSQ haben – die allerdings bei ihren Protesten gegen die AfD von einem breiten Bündnis unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen solidarische Unterstützung erhalten.
(Autor Jo Achim Geschke)
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