Kritik an der Razzia im Bahnhofsviertel

Razzia: Diskriminierung oder Eindämmung von Kriminalität ? Kommentar

Von Jo Achim Geschke |

Leuchtturm am südlichen Ende Europas bei Tarifa / südlich Gibraltar / Foto Jo Achim Geschke

Gegen die Razzia im Bahnhofsviertel am Wochenende gibt es jetzt Protest. Wie gestern bereits berichtet, hatte die Polizei zwischen Eller Straße, Scheuren- und Luisenstraße vor allem Menschen in Cafés überprüft und 40 Personen festgenommen. Die Razzia galt vor allem der dortigen Szene von Kleinkriminellen. In dem Viertel treffen sich vor allem Menschen, um Taschendiebstähle, Straßenraub etc zu verüben. Die Flüchtlingshilfe STAY übt nun Kritik am Einsatz der Polizei. NDOZ.de vermeidet das Wort „Maghreb-Viertel“, mit dem einige Medien das Viertel am Hauptbahnhof, vor allem an der Eller Straße, bezeichnen.

Maghreb-Staaten sind sind unter anderem Herkunftsländer wie Marokko, Tunesien, Libyen. Viele der  im Viertel an der Eller Straße lebenden Menschen, auch die Ladenbesitzer, kommen aus diesen Ländern. Dennoch wohnen dort auch Deutsche und viele andere Nationen. Eine Bezeichnung wie Maghreb-Viertel scheint NDOZ.de jedoch stigmatisierend. Das Viertel darf bei allen Schwierigkeiten keinesfalls unter einen „General-Verdacht“ gestellt werden, wenn Integration noch möglich sein soll. (Das Foto zeigt den Leuchtturm Tarifa, dem südlichsten Ende Europas, im Dunst kann man schwach Afrika / Marokko erkennen)

Die Polizei hatte in einem schon etwa ein Jahr  existierenden  internen (sic) Strategiepapier die Szene in den genannten Straßen analysiert, zu der laut Polizei etwa 2000 Menschen zählen sollen. Dieses interne Strategie- und Analyse-Papier, genannt „Casablanca“, wurde durch die größte Düsseldorfer Print-Zeitung bekannt. Aufgrund der Häufung von Straftaten wie Taschendiebstahl, Gepäckdiebstahl und Straßenraub, die im Viertel am Hauptbahnhof  offenbar verabredet wurden, ist die Polizei bereits im vorigen Jahr im Viertel aktiv geworden und nicht erst jetzt.

Über die – meist jüngeren – mutmaßlichen Täter hat NDOZ.de gestern erläutert:

„Eine pauschale Verurteilung von sogenannten „Nordafrikanern“ verbietet sich ohnehin, aber es sei daran erinnert, dass einige Kriminelle nicht mit allen Menschen aus diesem Gebiet gleichgesetzt werden können.  Vor allem Nordafrikaner aus Marokko, Tunesien oder Libyen haben kaum Chancen, als Asylbewerber anerkannt zu werden. Viele von ihnen vernichten zudem ihre Papiere oder hatten keine Gelegenheit, ihre Papiere mit auf die Flucht zu nehmen. Dadurch ist es kaum möglich diese Menschen in einem geordneten Verfahren abzuschieben. Denn Staaten wie Libyen oder Tunesien oder Marokko wollen keine Menschen aufnehmen, die vielleicht gar nicht aus ihrem Land stammen. Zudem sind manche der Nordafrikaner von Verfolgung oder gar Tod bedroht, so dass sie nach der Genfer Konvention nicht abgeschoben werden dürfen..

Zugleich haben viele dieser „Nordafrikaner“ keine Chance auf einen Job oder zumindest eine kleine Beschäftigung. Etliche warten seit langem auf ein Verfahren, andere sind abgetaucht. Auf der Eller Straße, wo es viele Marokkanische und Türkische Läden gibt, sind die Ladeninhaber bereits sauer, weil die Kriminalität dort ihren Ruf schädigt.“

Kritik

Die Flüchtlingshilfe „STAY“ kritisiert nun vor allem die Berichterstattung in Printmedien, aber auch den Polizeieinsatz:

„Überzogene Polizeieinsätze - wie dieser mit hunderten Beamten - und die
anschließende negative Berichterstattung fördern Stigmatisierungen und
Anfeindungen bestimmter Gruppen im Stadtteil. Das Zusammenleben wird so
nachhaltig geschädigt. In der Debatte wird das Viertel als in sich
geschlossen oder abgeriegelt dargestellt. Dies widerspricht völlig der
Realität. Denn tatsächlich verzeichnet Oberbilk Menschen aus mehr als
180 unterschiedlichen Nationen, die noch bis vor zwei Wochen - vor der
medial angeheizten Stimmung – weitgehend friedlich und unspektakulär, so
wie in vielen anderen Gegenden auch, miteinander gewohnt und gelebt haben.

„Mit Sorge beobachten wir diese Polizeiaktion und die anschließende
einseitige Medienberichterstattung. Kriminalitätsprobleme auf bestimmte
Gruppen abzuschieben, sehen wir als sehr gefährlich an, weil die
Stimmung aufgrund der aktuellen Debatte nach Köln leicht in offenen
Rassismus umschlagen kann“, erklärt Oliver Ongaro von STAY! Düsseldorfer
Flüchtlingsinitiative.“

Allerdings sollte eins klar sein: Wenn die Integrationsarbeit bisher – auch wegen mangelnder staatlicher Hilfe – bei diesen Jugendlichen und Erwachsenen gescheitert ist, können Straftaten nicht toleriert werden.  Richtig ist allerdings, dass jetzt in einigen Medien sowie von Rechtspopulisten und Rechtsextremen bestimmte Gruppen diskriminiert werden.

Samy Charchira, Sozialarbeiter im Viertel, spricht in einem „SPIEGEL“-Interview über dieses Viertel. Zitat:“ Charchira: Zunächst muss die Grundversorgung gesichert werden, damit sie schon mal nicht fürs Mittagessen stehlen müssen. Im Moment bekommen diese Jugendlichen aber nichts, weil sie offiziell ja gar nicht existieren. Deshalb wissen wir auch fast nichts über sie und können kaum angemessen auf ihre Probleme reagieren.

SPIEGEL ONLINE: Wie ließe sich das ändern?

Charchira: Indem wir mit ihnen reden! Wir müssen Streetworker und Sozialarbeiter zu ihnen schicken, Strukturen für sie aufbauen, Hilfsangebote schaffen. Dann würden wir ziemlich schnell feststellen, dass ein großer Teil dieser Jugendlichen sehr gute Chancen auf eine wirkliche Integration hätte. Gerade von den 17- oder 18-Jährigen könnten wir noch viele erreichen.

SPIEGEL ONLINE: Und die anderen?

Charchira: Um diejenigen, die daran nicht interessiert sind und nur Geld machen wollen, müssen sich die Strafverfolgungsbehörden kümmern. Wer partout Hilfe ablehnt und kriminell bleiben möchte, ist ein Fall für die Polizei. Das ist wichtig für den Schutz aller Beteiligten, vor allem auch der anderen Immigranten....“

(Straffällige Nordafrikaner: "Diese Jugendlichen haben gar keine anderen Möglichkeiten", LINK: www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/koeln-uebergriffe-sozialarbeiter-ueber-straffaellige-nordafrikaner-a-1072384.html

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(Text Jo Achim Geschke)